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Dumperfahrer: Welt der Giganten

10.11.2016 08:00 Uhr
Dumperfahrer: Welt der Giganten
Alexander Mann vor seinem Arbeitsgerät, einem Komatsu HD 785-7
© Foto: Reiner Rosenfeld

Hoch oben auf riesigen XXXL-Kippern erledigen Fahrer wie Alexander Mann in Europas größter Eisenerzmine ihren interessanten Job. Der TRUCKER ging mit auf Minen-Exkursion.

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Will Alexander Mann seinen Arbeitsplatz im Cockpit des Komatsu HD 785-7 erreichen, muss er erst mal Treppen steigen. Vierzehn Stufen führen zur Plattform des riesigen Muldenkippers. Erst dann kann es sich der 29-jährige Steirer hinterm Steuer seines Supertrucks gemütlich machen, den er durch Europas größten Tagebau, den österreichischen Erzberg lenkt.

Wobei "Supertruck" wörtlich gemeint ist. Denn kaum ein anderes Lastfahrzeug, das in Europa eingesetzt wird, kann seinem Komatsu das Wasser reichen. Zwölf Zylinder in V-Form angeordnet, 30 Liter Hubraum, 1178 PS, 72 Tonnen Leergewicht und 110 Tonnen Nutzlast - im Autoquartett wäre der japanische 785er eine begehrte Karte. 2009 ist Alex das erste Mal mit einem Schwerlastkipper durch die steirische Erzgrube gefahren, damals noch mit dem älteren Modell, dem HD 985. Für den damals 22-Jährigen war das ein hoher Vertrauensvorschuss, kostet ein Schwerlastwagen in der Anschaffung doch rund eine Million Euro und der Job hat seine Tücken.

GUT 200 TONNEN DRÜCKEN AUF RETARDER UND BREMSEN

Besonders die ermüdende Routine fordert die Fahrer, wenn sie mit maximal 30 km/h im Schichtbetrieb über 100 Kilometer Strecke machen. Denn trotz modernster Technik im Cockpit ist volle Konzentration nötig, die Riesen sicher durch die Grube zu lenken. Immerhin drücken bergab gut 200 Tonnen Gesamtgewicht auf Retarder und Bremsen, wenn nach einer Sprengung Abraum weggeschafft oder erzhaltiges Gestein zum Zerkleinern zum Großbrecher gebracht wird. Und weil die Steiermark zu Österreichs schneereichsten Gegenden gehört, sind die Auf- und Abfahrten im Winter trotz Einsatz von Schneeräumern oft gefährlich rutschig. Zudem herrscht Gegenverkehr auf den 21 aktiven Abbau-Etagen und die elf Meter langen und sieben Meter breiten Trucks müssen beim Beladen, Abkippen und Wenden oft zentimetergenau rangiert werden.

Damit sich die Fahrer dabei ganz auf das Lenken konzentrieren, hat die VA Erzberg GmbH ein striktes Handyverbot am Steuer ausgesprochen. Abwechslung während der Arbeitsschicht bieten aber Funk- und Radiogeräte in den gut schallgedämmten und erstaunlich komfortablen Kabinen. Zudem wurden Nachtschichten so ausgelegt, dass Fahrer sich eine Stunde schlafen legen können.

"Außerdem unterstützt uns hochmoderne Technik bei der Arbeit", erklärt Alex Mann mit Blick auf die Instrumente. Ein automatisches Sechsganggetriebe unterstützt die Komatsu-Piloten beim Fahren. Sie müssen nur noch per Knopfdruck zwischen Eco- und Powermodus wechseln und den richtigen Drehzahlbereich beim Anfahren wählen. Gleichzeitig verschafft ihnen eine Kamera am riesigen Hinterachsdifferenzial auch während der Vorwärtsfahrt freien Blick nach hinten. Die Seitenspiegel an der rechten Ecke, die gut fünf Meter entfernt vom Fahrersitz angeschraubt wurden, können das nur unzureichend leisten.

INTENSIVE MEHRWÖCHIGE EINWEISUNG IN DEN JOB

Um die Hochleistungsfahrzeuge perfekt bedienen zu können, durchlaufen Erzbergfahrer eine intensive mehrwöchige Einweisung. Dabei werden sie von Trainern auch im kraftstoff- und materialschonenden Fahren unterwiesen. Bis zu 75 Liter Diesel verbrauchen die Komatsus in der Stunde, da kann mit Ecofahren viel Geld gespart werden. Betankt werden die Giganten wie Formel-1-Boliden durch Druckbetankung. 600 Liter pro Minute werden während der Arbeitspause der Fahrer von einem Tankfahrzug in die 1200-Liter-Tanks gepumpt.

Zur Einweisung der Fahrer gehört auch die Bedienung der Komatsu in Notfällen. Denn für den Fall, dass Systeme für Bremse und Lenkung ausfallen, wurden Sicherheitsfeatures eingebaut. So kann über ein rot markiertes Bremspedal im Fußraum der Fahrerkabine eine Notbremsung eingeleitet werden oder via Notknopf eine Hilfsbatterie für die Lenkung aktiviert werden. Diese ermöglicht es, den Komatsu nach Ausfall aller Systeme noch dreißig Sekunden lang zu lenken und sicher abzustellen. Und für den Fall eines Motorbrandes gibt es eine Löschanlage. Der Knopf dafür sitzt, geschützt vor Fehlbedienungen, hinter dem Fahrersitz.

Selbst nach sieben Jahren Fahrt durch den Tagebau im anstrengenden Schichtbetrieb ist Alex Mann die Begeisterung für die Bedienung der schweren Maschinen noch anzumerken. Vielleicht liegt das auch daran, dass er als zuverlässiger und langjähriger Mitarbeiter immer wieder auf dem Komatsu-Radlader WA 800 eingesetzt wird. Davon stehen bis zu fünf Stück an verschiedenen Stellen der Erzberggrube zum Beladen bereit. Rund 30 Tonnen Material passen in eine der 13 Kubikmeter großen Schaufeln. Drei, maximal vier Hub reichen aus, um einen der zwölf Erzberg-Schwerlastwagen zu beladen.

13.000 BIS 22.000 EURO FÜR EINEN NEUEN REIFEN

Doch trotz robuster Technik müssen Lastwagen- und Radladerfahrer dabei umsichtig zu Werke gehen, besonders beim Umgang mit den Reifen. Denn die knapp drei Meter hohen, mit Stickstoff gefüllten Pneus sind Sensibelchen. Besonders Lenk- oder Wendemanöver auf grobem Schotter oder das Überfahren spitzer, scharfkantiger Steine unter voller Last vertragen sie eher schlecht als recht. Wird dabei die Karkasse beschädigt, explodieren sie, meist wenige Stunden oder Tage später, mit infernalischem Getöse.

"Das sind Fehler, die Fahrern einfach nicht unterlaufen dürfen", meint Peter Alfenzer, der Werkstattleiter des Erzberges. Schließlich kostet ein neuer Reifen für Schwerlaster 13.000 Euro und für Radlader 22.000. Unter idealen Bedingungen überstehen die teuren Gummis dagegen bis zu 10.000 Betriebsstunden. "Damit treiben vermeidbare Reifenschäden die Fuhrparkkosten in noch astronomischere Höhen", erklärt Alfenzer. Die exorbitanten Kosten entstehen unter anderem, weil alle fünfhundert Betriebsstunden 140 Liter Motoröl und nach der doppelten Zeit 130 Liter Getriebeöl gewechselt werden müssen. Nach 2000 Stunden Arbeitseinsatz sind dann noch mal 360 Liter Öl in der Hinterachse fällig.

Aufs Altenteil dürfen die Komatsus mit rund 40.000 Betriebsstunden, also nach fünf bis sechs Jahren im harten Grubeneinsatz. Bei den neuen Schwerlastwagen, den 785ern, möchte Peter Alfenzer das Rentenalter künftig allerdings auf 60.000 Einsatzstunden erhöhen. Dazu wird er die gelben Riesen nach der dreißigtausendsten Einsatzstunde von seinen Mechanikern bis fast zur letzten Schraube zerlegen und erneuern lassen - also Motor, Getriebe, Achsen, Bremsen und Hydraulik.

LEBENDIGER ZEITZEUGE - "GRÖSSTES TAXI DER WELT"

Zwei, die das Rentenalter eigentlich schon lange erreicht haben, sind die berühmten Erzberghaulys I und II. Sie sind auch bekannt unter dem Synonym "größte Taxis der Welt". Einer, der damit regelmäßig Touristen durch das Erzbergterrain chauffiert, ist Joachim Gottsbacher. Wenn der ehemalige Fern- und Baustellenchauffeur "seinen Touris" die Highlights des Erzbergs präsentiert, lenkt er eines der ältesten einsatzbereiten Fahrzeuge der Flotte - 34 Jahre alt, 860 PS stark, aus Illinois (USA) importiert unter der Bezeichnung "Haulpak Truck 85 C". In ihrer aktiven Zeit haben die beiden Haulpak Muldenkipper je acht Millionen Tonnen Gestein transportiert. Nach elf Jahren Grubendienst wurden sie 1993 und 1996 für den Personentransport umgebaut. Bis zu sechzig Besucher kann ein Hauly nun auf der zur Aussichtsplattform umgestalteten Mulde befördern.

EIN MUSS BEIM HAULY: LÄRMSCHUTZ-STÖPSEL

Dabei sind die beiden Veteranen heute mehr als bloße Taxis. Vielmehr sind sie lebendige Zeitzeugen für die Dynamik, mit der sich die Technik moderner Grubenfahrzeuge in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Während Fahrer wie Alexander Mann in ihren hochmodernen Schwerlastwagen auf keinen Komfort verzichten müssen, lenkt Joachim Gottsbacher seinen alten Hauly noch mit Lärmschutzstöpseln in den Ohren. Anders wäre der Krach des riesigen Motors unter ihm unerträglich. Das Cockpit ist unübersichtlich und verwirrend.

Dafür scheinen Abdeckungen für die innenliegende Scheibenwischermechanik oder den Getriebewählhebel aus Sicht des amerikanischen Herstellers unnötig gewesen zu sein. Einziger Luxus ist eine Klimaanlage, die die Fahrerkabine mit viel zu kalter Luft versorgt.

Und doch, oder gerade deswegen, macht Joachim Gottsbacher das Fahren mit dem einmaligen Museumsstück zu den schönsten Stellen des Erzbergs auch nach sieben Jahren noch immer Freude. Einen anderen Job kann und will er sich, genau wie sein Kollege Alex Mann auf dem Komatsu 785, nicht vorstellen.

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