Engelhardt: "Wir brauchen Fahrer und Professoren gleichermaßen"

BGL-Hauptgeschäftsführer Dirk Engelhardt
Was halten Sie vom Verbot, die reguläre Wochenruhezeit im Fahrerhaus zu verbringen?
Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) trägt das Verbot der regelmäßigen Wochenruhezeit im Fahrzeug als Ansatz zur Bekämpfung des Sozialdumpings im Grundsatz mit. Die Maßnahme allein ist aber nicht ausreichend, um das Nomadentum auf Park- und Rastplätzen zu beenden. Flankierende Maßnahmen, wie zum Beispiel die Gestattung mehrerer, aufeinanderfolgender, verkürzter Wochenruhezeiten in der Kabine in Verbindung mit einer längeren Wochenruhezeit oder einem längeren Ausgleichsaufenthalt außerhalb der Kabine, sind nach Meinung des BGL erforderlich, um einen nennenswerten Heimataufenthalt zu ermöglichen. Entsprechende Überlegungen gibt es bereits in Brüssel. Darüber hinaus ist neben der wirksameren Kontrolle der Kabotage- und Mindestlohnvorschriften die schärfere Abgrenzung von Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit bzw. die Pflicht zur Niederlassung im Staat der Dienstleistungserbringung erforderlich, wenn die Dienstleistung, so wie derzeit zu beobachten, nicht nur vorübergehender Natur ist. Derzeit wichtig ist jedoch, dass die nationale Klarstellung des Kabinenverbots, das die Politik seit nunmehr zwei Jahren fordert, unbürokratisch und vor allem diskriminierungsfrei gegenüber inländischen und gebietsfremden Transportunternehmen und Fahrern umgesetzt wird.
BAG-Präsident Andreas Marquardt sagt, dass er mit 220 Kontrollbeamten keine Kontrollen machen kann. Was muss passieren?
Verbote ohne Kontrolle sind bekanntlich wirkungslos. Deshalb liegt es auf der Hand, dass es wünschenswert wäre, wenn die Kontrollbehörde personell aufgestockt werden könnte.
Ihr Vorgänger, Professor Schmidt, hat stets die Befürchtung geäußert, dass bei der aktuellen Lage Containerdörfer entlang der Autobahn entstehen ... Sehen Sie das ähnlich?
Das ist zumindest theoretisch nicht von der Hand zu weisen. In der Praxis kann man aber nicht überall beliebig Container aufstellen und diese an übernachtungswillige Fahrer vermieten. Hier müsste zuvor eine Reihe öffentlich-rechtlicher und ggf. auch privatrechtlicher Voraussetzungen erfüllt werden. Es ist aus meiner Sicht daher umso wichtiger, die eingangs geschilderten Maßnahmen zur Bekämpfung des Sozialdumpings in Angriff zu nehmen.
Auch das Thema Mindestlohn wurde von der Bundesregierung angegangen. Auch da fehlen Kontrolleure für vernünftige Kontrollen. Blinder Aktivismus der großen Koalition ohne echten Willen, tatsächlich etwas ändern zu wollen?
Es muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass der Wille zu einer besseren Kontrolle des Mindestlohns tatsächlich vorhanden war - jedoch wurden die zusätzlich geschaffenen Planstellen für die Bewältigung des Flüchtlingszustromes umgewidmet. Unabhängig davon fehlen auch hier nach wie vor Kontrolleure in großer Zahl.
Der BGL ist im Grunde genommen ein Unternehmerverband. Wie sehen Sie als ehemaliger Berufskraftfahrer die Rolle des Fahrers?
Es ist nicht nur eine lange Tradition, sondern auch zwingend erforderlich, dass sich der BGL auch für die Belange der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Transportlogistikunternehmen engagiert - allen voran für die Lkw-Fahrerinnen und Lkw-Fahrer: Es war der BGL (damals noch BDF), der sich in den 1970er-Jahren erfolgreich für eine anerkannte Ausbildung für den Fahrerberuf einsetzte. Zuerst zweijährig (seit 1974) wurde die Ausbildungsdauer 2001, ebenfalls auf Initiative des BGL, auf drei Jahre verlängert. Damit stehen dem Güterkraftverkehrsgewerbe gut ausgebildete Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer zur Verfügung. Die Erstausbildung zur Berufskraftfahrerin/zum Berufskraftfahrer ist nach Ansicht des BGL der beste Weg der Qualifikation.
Auch um die Fortbildung der Fahrerinnen und Fahrer bemühte sich der BGL. Seit 1984 können sich Fahrerinnen und Fahrer durch einen anerkannten Fortbildungsabschluss zum Geprüften Meister für Kraftverkehr/Geprüfte Meisterin für Kraftverkehr weiterbilden.
Und seit 2014 profitieren zum Beispiel alle Lkw-Fahrerinnen und Lkw-Fahrer von erhöhten Spesensätzen des neuen Reisekostenrechts - auch hierfür zeichnet einzig und allein der BGL verantwortlich.
Zudem setzt sich der BGL unter anderem für die Verbesserung der Situation des Fahrpersonals an den Laderampen sowie für mehr Parkplätze an den Autobahnen ein und begleitet die bundesweit stattfindenden Fernfahrerstammtische.
Wenn Ihr Sohn oder Ihre Tochter den Wunsch äußern würde, Berufskraftfahrer zu werden, wie würden Sie reagieren?
Egal ob Berufskraftfahrer oder eine andere Tätigkeit im Logistikbereich: Logistikberufe sind interessant, herausfordernd, zukunftssicher, verantwortungsvoll und abwechslungsreich. Und vor allem: Logistik ist nie langweilig. Welche Branche hat das schon zu bieten?
Ihre Vita reicht vom Lkw-Fahrer bis hin zum Verbands-Geschäftsführer und Logistik-Professor. Was hat der Akademiker Engelhardt dem Fahrer Engelhardt zu sagen?
Ohne Fahrer steht die Wirtschaft still, ohne Professoren/Lehrer fehlt uns der Nachwuchs.
Dirk Engelhardt
Der 43-Jährige arbeitete während des Studiums als Lkw-Fahrer in den Bereichen Gefahrgut, Stückgut- und Bulkverkehr. Später baute der Diplom-Agraringenieur u.a. ein Fuhrparkmanagementsystem auf. Er ist Professor an der Justus-Liebig-Uni Gießen und an der Steinbeis-Hochschule Berlin.
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