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Fahrbericht Arocs 6x6 und 8x8

25.08.2015 08:00 Uhr
Fahrbericht Arocs 6x6 und 8x8
Stoppen und Anfahren im 36-Prozenter geht gelassen per Gasfuß
© Foto: Gregor Soller

Man trifft sie in freier Wildbahn nur selten an: Die 6x6- und 8x8-Allrad-Versionen des Mercedes-Benz Arocs. Umso interessanter ist es, ihnen einmal unter extremen Bedingungen auf den Zahn zu fühlen.

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Den 27-Prozenter lassen wir liegen und fahren weiter, da geht's dann noch steiler hinauf", erklärt Daimler-Testfahrer Michael Kropp.

Vor dem 36-Prozenter heißt es dann ausholen, Powershift von Geländemodus auf manuell umstellen und den Sperrenschalter einmal drehen. "Das reicht, damit sollten wir locker hochkommen", erklärt mein Beifahrer und ich steige aufs Gas. Im zweiten Gang erklimmt der auf gut 32 Tonnen ausgeladene Arocs 3245 8x8 den Extremanstieg. Zum Testen der Turbo-Retarder-Kupplung TRK heißt es: anhalten, Hillholder rein und dann nur per Gas anfahren. Nur ein Zischen verrät, dass hier schnelle Ölströme das Anfahren unter Extrembedingungen massiv erleichtern.

Was einst die Kupplung in kürzester Zeit hätte verrauchen lassen, viel Gas respektive Sprit und einen kundigen Fahrer benötigte, ist jetzt einfacher als die Fahrschulübung "Anfahren am Berg" mit dem Pkw. Scheinbar mühelos klettert der 8x8 mit gemäßigter Drehzahl weiter bergan. Schade nur, dass Daimler sich die königliche Souveränität auch königlich honorieren lässt. Gewichtsseitig verschlechtert sie die prinzipbedingt eher schwache 8x8-Bilanz um keine 100 Kilo verglichen mit dem Standard-Retarder-Lkw!

Schwerer ins Kontor schlagen da die Allradtechnik (beim 8x8 in Summe 1,6 Tonnen) und die 500 Kilo schwere "Grounder-Ausstattung", die, statt acht, neun Millimeter Rahmenstärke bietet. Die Hinterachsstabis kann Daimler "extra-schwer" auslegen. Ebenso, wie die Vierblatt-Parabelfedern extra tragfähig konstruiert wurden. Und da man abseits öffentlicher Straßen gern mit 40 Tonnen plus unterwegs ist, kann man die Vorderachsen als Neun-Tonnen- und das Hinterachsaggregat als 32-Tonnen-Version ordern. Die schweren Achsen und Federn addieren rund 200 Kilo Leergewicht.

NUTZLAST UND LEERGEWICHT KEHREN SICH GENAU UM

So verstärkt bringt der 8x8 dann gut 17 Tonnen auf die Waage und kehrt auf öffentlichen Straßen das Verhältnis zwischen Nutzlast und Leergewicht gegenüber einem 8x4 um: von 15 zu 17 auf 17 zu 15 Tonnen.

Anschließend ist Kuppen klettern angesagt: Der Blick geht gen Himmel, und der Arocs streckt die erste Achse in die Luft. Dabei gewährt er einen Blick auf den solide vertäfelten Unterbau und die erste Achse. Verwundert ist man immer wieder über den riesigen Abgastrakt zwischen den vorderen und hinteren Rädern, der auf der heißen Beifahrerseite von einem dicken, verkleideten Abgasrohr, intern "Anaconda" genannt, gespeist wird. Ordert man einen stehenden Abgastrakt, kriecht die Anaconda hinter der Abgasbox unter dem Rahmen auf die Fahrerseite und hinter der Kabine nach oben. Wo andere Hersteller ihren Auspufftrakt mit SCR-Kompartment und Partikelfilter teilen und in der Regel zwischen erste und zweite Achse packen, kann Daimler aufgrund des fernverkehrsoptimierten Packages nicht anders, als die riesige "Chemiefabrik" mittig zwischen Vorder- und Hinterachsen zu setzen und mit oberschenkeldicken Abgaspipelines zu ver- und entsorgen.

ÜBER DEN VERBRAUCH GIBT ES KEINE KLAGEN

Ansonsten gibt sich der OM-471-Motor, der den gleichen Block wie der kleinere 470er nutzt (und trotzdem rund 150 Kilo mehr wiegt) souverän. Zusammen mit der Zwölfgang-Powershift sei er laut Entwicklungsvorstand Stefan Buchner "aktuell der beste Antriebsstrang der Welt". Er geht seit 6. Juli in der zweiten, optimierten Generation an den Start. Die soll nochmal um bis zu drei Prozent sparsamer sein als der im Vorführer verbaute Vorgänger. Über den 510er stellt Daimler noch eine 530-PS-Version mit 2600 Newtonmeter maximalem Drehmoment, wodurch man sich den 15,6-Liter großen OM 473 getrost sparen kann. Die Inbrunst, mit der Buchner das sagt und die Tatsache, dass die meisten Kunden die Sparsamkeit von Actros und Arocs loben, bestätigt sich auch offroad: Dort zieht der Stern bereits bei 900 Touren souverän von Hindernis zu Hindernis und wird bergab von der souveränen High-Performance-Brake im Zaum gehalten, bei Bedarf unterstützt von der TRK, die als Primärretarder für massive Verzögerung sorgt, womit auch 40 Tonnen Last und 15 Prozent Gefälle an Schrecken verlieren. Auch der 6x6 mit kleinem OM 470 lässt sich hier nicht lumpen!

Das alles lässt sich lässig über den ergonomisch gestalteten Lenkstockhebel arrangieren. Der Neigungswinkelsensor verhindert zuverlässig, dass der Geländegänger in steilen Gefällen hochschalten und "davonlaufen" kann. Die Sperren werden bei Bedarf per Drehschalter der Reihe nach längs, hinten quer und vorne quer dazugeholt und das Gelände-ABS ermöglicht kurze Blockaden der Räder, um kleine Bremshügel vor die Reifen zu "rutschen". Die Allradler punkten durch ihre hohe Intelligenz und elektronische Integration samt ordentlicher Verbräuche - selbst als 8x8 oder 6x6.

Selbst das Fahrwerk gibt sich keine Blöße: Prinzipbedingt können die Hardcore-Allradler unbeladen keine Sänften sein, federn beladen aber trotz Parabel- respektive Blattfederpaketen rundum ganz ordentlich. Das Beibremsen erledigen in dem Fall noch Trommeln rundum, die prinzipbedingt etwas sanfter ansprechen als die Scheibenbremsen der Straßenroller, gewichtsseitig aber weitere Kilos addieren.

DER GRÖSSTE ALLRAD-FEIND IST UND BLEIBT DAS WETTER

Zugelegt hat Daimler bei den schweren Arocs leider auch noch mal an Höhe: Der Kabinenboden thront 1,8 Meter über dem Boden und macht eine zusätzliche Griffmulde im Türausschnitt nötig, da man die Kletterstange an der Tür auch als groß gewachsener Fahrer kaum erreicht. Dabei kann Daimler die Kabine bei den Dreiachsern bereits niedriger aufsetzen, wodurch der sonst 170 Millimeter flache Motortunnel zu einer 320 Millimeter hohen Motorkiste anwächst, die aber immer noch einen einigermaßen passablen Durchstieg erlaubt. Ab November 2015 sollen auch die Vierachser mit der niedrigeren Aufsetzhöhe erhältlich sein, was Einstieg und Gesamthöhe gut tut.

Weniger betreffen wird die Bausaurier (vorerst) die Weiterentwicklung des autonomen Fahrens, in dem Entwicklungsvorstand Buchner das Kernthema der Zukunft sieht. Denn wo 8x8 und 6x6 sich bewegen, wird auch künftig immer ein erfahrener Lenker am Steuer benötigt: Schon ein kurzer Platzregen genügt, um den 36-Prozenter, den der Arocs vorher so locker erklomm, auch für den 8x8 zum unüberwindbaren Hindernis werden zu lassen, oder wie es der Daimler-Testfahrer Charly Feiereis knapp ausdrückt: "Gestern hat es geregnet - da hatten wir hier keine Chance!"

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