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Fahrbericht Mercedes-Benz Antos

06.12.2012 08:00 Uhr
Fahrbericht Mercedes-Benz Antos
Aero-Flott: Verstellbare Kühlerjalousie für Version mit niedrigem Motortunnel.
© Foto: Johannes Reichel

Mit dichtem Programm von 18 bis 40 Tonnen und 240 bis 510 PS greift der Mercedes Antos im mittleren/schweren Verteilersegment an. Er bringt Actros-Komfort und -Sicherheit.

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Dieser Verwandtschaft müsste sich der Antos wahrlich nicht schämen, im Gegenteil: Nach dem ersten Fahreindruck mit dem Verteiler steht fest - er fährt und fühlt sich an wie ein kleiner Actros. Aber um zu zeigen, dass es Daimler ernst meint mit der Spezialisierung aufs Verteilersegment, erhielt das jüngste Baby aus Wörth neben einer freundlicheren Optik mit angedeutetem Lächeln für positive Ausstrahlung im Stadtverkehr einen eigenen - und etwas eigentümlichen - Namen. Doch Namen sind ja Schall und Rauch, wichtiger ist, was der Antos auf den Asphalt bringt. Formal schon mal einiges: Das Sortiment erstreckt sich vom 240-PS-Solo-18-Tonner bis zum 510-PS-Sattelzug.

Stellvertretend haben wir uns zum Einstieg den klassischen 18-Tonnen-Koffer-LKW mit beim Antos stets 2,3 m schmalem, kurzem Classic-Haus auf niedrigem "Volumer"-Rahmen in der 320-PS-Euro-6-Version des neuen OM936-Motors mit 7,7-l-Hubraum herausgegriffen - zugleich die Premierenfahrt mit diesem Aggregat. Das lässt zwar unter dem 17 Zentimeter flachen Motortunnel nach dem Druck auf den silbernen Button recht kernig von sich hören, tritt dafür aber sehr spontan an und dreht willig aus. 1300 Nm Drehmoment, die zu großem Teil bereits unter 1000 Touren anliegen, sorgen dafür, dass der Antos ein guter Sprinter ist - etwa, wenn es gilt, Lücken im Stadtverkehr zuzufahren. Das satte Drehmoment und die gute Fahrbarkeit des Aggregats sind wiederum Basis dafür, dass die lobenswerter- und konsequenterweise serienmäßige Powershift-3-Schaltung im Rhythmus 2-4-6-8 stufen kann. Ohne Probleme rettet sich der Motor aus dem Drehzahlkeller und wird dabei noch nicht einmal brummig, sondern bleibt recht geschmeidig und vibrationsarm. Kein Vergleich zum eher unwilligen und laut knatternden 6,9-l-Vorgänger-Motor im Atego/ Axor.

Die Schaltung ist überhaupt eines der Highlights im neuen Schwaben-Verteiler: Powershift 3 sortiert schnell und meist passend, nur mit dem Einlegen der Stufe 8 verhält sich der Automat etwas abwartend. In Anbetracht der Elastizität wäre der oberste Gang überland problemlos die Hauptfahrstufe. Mehr Ruhe ins Kontor bringt übrigens der A-Economy-Modus, den der Antos-Kunde alternativ zum Power-Mode ordern kann. In Economy dreht der Motor nicht so lange aus, sondern stuft ab 1600 Touren hoch. Angenehm auch: Powershift hält die Gänge lange und lässt sich nicht nervös machen.

Was ebenfalls gut klappt, ist die Beeinflussung der Schaltvorgänge über das Gaspedal. Ebenso funktioniert das Einlegen der Schubabschaltung "Eco-Roll", die Daimler konsequent im Powershift-Paket integriert hat. Erstaunlich, wie häufig man sich auch im Stadt- und Überlandverkehr im E-Modus wiederfindet. Das erfordert für Freunde des angelegten Gaspedals kurze Umgewöhnung auf "Fuß vom Gas", aber es lohnt sich, denn man spart definitiv viel Sprit. Wer vorausschauend fährt, der kann das generell hohe Rollvermögen des Antos voll auskosten. Abgesehen davon schont der Eco-Roll-Modus die Nerven - des Fahrers und der Anwohner. Auch bei diesem Feature ist der Antos also ganz Actros. Gleiches gilt im Übrigen für den aufpreispflichtigen Abstandregeltempomaten mit Stop-and-go-Funktion, über dessen Sinnhaftigkeit im Verteilerverkehr sich aber streiten lässt. Er arbeitet allerdings sehr zuverlässig, etwa, wenn man auf eine Schlange vor der Ampel zurollt. Die Reaktion kommt zwar gefühlt schweißtreibend spät und dann in Form einer heftigeren Bremsung, doch sie kommt. Wobei der vorausschauende Verteilerfahrer im Zweifel schon vorher verzögert hätte - in der Hoffnung, dann bei Grün durchzurollen. Hier liegen (noch) die Grenzen von Assistenzsystemen, die städtische Verkehrssituationen in ihrer Komplexität nicht so gut erfassen können wie der Fahrer.

Eher nervig im Stadtverkehr mit ständig wechselnden Linienführungen und ohnehin erst bei höherem Tempo aktiv: der Spurassistent. Aber man kann diese Features ja, falls situativ geboten, ausschalten - oder ganz weglassen.

ZUGELEGT: DEUTLICH BESSERE MOTORBREMSEN

Stets an Bord ist selbstredend ESP, sinnvoll immer der auch im Antos bestellbare Notbremsassistent Brake Assist 3. Daimler kommt den Kunden mit zwei Safety-Paketen entgegen, Basic und Classic. Erhältlich ist auch der GPS-Tempomat PPC, der weniger in der Stadt, aber überland hilfreich sein könnte.

Eine prima Hilfe stellt auch die Kriechfunktion des Getriebes dar, die, durch einmaliges Anfahren stets aktiv, das Rangieren wie beim Wandlerautomaten nur über das Bremspedal kinderleicht macht. Auch die Freischaukelfunktion nimmt man dankbar zur Kenntnis. Für schnellere Reversierfahrten steht ein zweiter Rückwärtsgang zur Verfügung, in Stufe 1 manövriert man millimetergenau an die Rampe. Dort nimmt man erfreut zur Kenntnis, dass sich die Niveauregulierung auch übers Lenkrad und ein Untermenü im Zentraldisplay steuern lässt - und man sich den gewohnten Griff zum EBS-Kästchen sparen kann. Und dass die gewaltigen Actros-Spiegel fast keinen Winkel unerfasst lassen. Sollte dem doch mal so sein, dann gibt es auch im Antos die clevere Rangierfunktion, bei der sich der rechte Spiegel um zehn Grad nach außen dreht. Das erspart einem mühsame Verrenkungen

Sparen kann man sich übrigens sehr oft auch den Tritt auf die - wie von Daimler gewohnt - gut zupackende Bremse: Denn die serienmäßige, dreistufige Dekompressions-Motorbremse des OM936 stemmt stramme 320 PS (Version Premium sogar 408 PS) und hat im 18-Tonner wenig Mühe, die Fuhre zu zügeln - sofern man ordentlich Drehzahl zubilligt und den erhöhten Geräuschpegel in Kauf nimmt.

ZIELSTREBIG: PRÄZISES UND LEICHTES HANDLING

Vom Handling fühlt sich der mit niedriger Rahmenhöhe von unter 1000 Millimeter glänzende Volumer sehr kompakt und fast sportiv straff an, wozu die in dieser Version verkürzten Dämpfer sicher ihren Teil beitragen. Hart oder ruppig wie Axor oder Atego wird der Antos allerdings nie, stets bleibt der Komfort akzeptabel. Auch das Lenkrad überträgt kaum Schläge von der Straße, wie man das von Atego und Axor gewohnt war. Dabei bleibt die Lenkpräzision aber nicht auf der Strecke, im Gegenteil: Der Antos lässt sich viel präziser und mit einiger Freude am Fahren um die Kurven zirkeln. Ob man gleich von einer Fahrmaschine sprechen muss, wie ein Daimler Marketing-Mann es tat, sei dahingestellt ...

Etwas behäbiger, aber dafür deutlich komfortabler und wirklich wie in einem kleinen Actros geht es dann aber im 2543-Dreiachs-Kühlkoffer-Antos mit Standard-Fahrgestell zu, dem man uneingeschränkte (Tages)Langstreckentauglichkeit attestieren kann. Zumal dessen ebenfalls brandneuer OM470-10,7-l-Motor mit kraftvoll-sonorem Actros-Sound aufwartet, der überraschend deutlich durch den zugunsten eines niedrigeren Einstiegs hier höheren Motortunnel dringt. Die drehmomentgewaltige 430-PS-Version - schon bei 800/min liegen 95 Prozent der 2100 Nm an - überspringt oft gleich drei oder vier Gänge des in diesem Falle 12-Stufen-Powershift 3. Solo ist dieses Aggregat in einem ausgeladenen 26-Tonner der pure Luxus und am Berg kaum "klein" zu kriegen. Umgekehrt traut man ihm den Hängerbetrieb problemlos zu, zumal wenn wie beim Testwagen ein Retarder die ebenfalls starke Motorbremse (462 PS) ergänzt. Der OM470 könnte so zur relativ "leichtgewichtigen" OM471-Alternative auch im Fernverkehrseinsatz werden.

KRAFTZWERG: 7,7-L-MOTOR MIT GUTER PERFORMANCE

Solo täte es freilich auch der 7,7-Liter-Motor, der mit 650 Kilogramm nochmal satte 300 Kilo weniger wiegt als der ohnehin nicht schwere OM470. Denn was dieser kleine, sehr flach bauende Motor auf dem Kasten hat, zeigte sich in der finalen Fahrt mit dem Antos-Silo-Sattelzug als nutzlaststarke 1835-Loader-Version, die mit rund sechs Tonnen Leergewicht laut Daimler einen neuen Rekord aufstellt.

Die Topvariante des OM936, wie der 32er von zwei Turboladern beatmet, zieht wie am Schnürchen los, wirkt sehr leistungswillig sowie zugkräftig und man kommt sich keineswegs untermotorisiert vor - wobei das Testfahrzeug nur auf etwa 30 Tonnen ausgeladen war. Mit dieser Tonnage kommt auch die Motorbremse, in diesem Falle die 408 PS starke "Premium"-Version, noch ganz gut klar. Nebenbei bleibt der OM936 in dieser Variante mit höherem Motortunnel akustisch dank besserer Dämmung deutlich dezenter als im Basis-18-Tonner-Fahrgestell. Nebenbei wirkt die kleine, als "Loader" um die sechs Tonnen leichte Zugmaschine nicht mal unkomfortabel: Das übliche "Rupfen" vom Sattel hält sich in angenehmen Grenzen, auch Kanaldeckel oder Bahnübergänge bügelt die Sattelzugmaschine ordentlich weg. Ein großer Vortrag für einen kleinen Motor also, bis zu 120.000 Kilometer Serviceintervall sind ebenfalls ein Wort. Wenn er auch noch die reklamierten fünf Prozent sparsamer ist, wäre es ein starker Auftakt für den Actros-Bruder. Wobei der Antos ungewollt offenlegt, an was es beim Kleinsten im Mercedes-LKW-Bunde hapert - der Atego sieht gegen ihn im wahrsten Sinn des Wortes alt aus. Aber auch da sei man dran, versichert Daimler.

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