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Fiat -Museum Turin: Ausflug in die Geschichte

17.03.2015 08:00 Uhr
Fiat -Museum Turin: Ausflug in die Geschichte
Moderne Zeiten brechen an: 170 (1975), 619T1 (1974) und 190.38 (1984)
© Foto: Gerhard Grünig

Das Demo-Center von CNH Industrial, der Iveco-Mutter in Turin, beherbergt eine exquisite Sammlung an alten Lastern. Der TRUCKER sah sich um.

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Der 100. Geburtstag von Fiat Lkw steht kurz bevor. Trotzdem ist es aktuell ziemlich ruhig - wie die Italiener ihre Historie generell eher vernachlässigen. Dabei existiert eine schöne Sammlung an restaurierten und weitgehend fahrbereiten Lastern und Lieferwagen aller Marken, die sich heute unter dem Dach von Iveco und dem Mutterunternehmen CNH International vereinen.

Wir haben uns die teilweise über 100 Jahre alten Exponate angesehen und waren durchaus angetan von dem, was die "Industrial Vehicle Corporation" im Laufe von zehn Dekaden so alles auf die Räder gestellt hat. Ältestes Exponat ist ein Unic M1A von 1914. Der aus Frankreich stammende Lkw-Bauer war eines der fünf Gründungsmitglieder, aus dem 1975 Iveco entstand. Die 12 PS des knapp zwei Liter großen Vierzylinder-Benziners reichten dem M1A für 70 km/h - deutlich mehr als kurz vor dem Ersten Weltkrieg jede Pferdekutsche erreichen konnte.

Der älteste Fiat in der Sammlung ist ein 18P. Der schöpft aus knapp vier Liter Hubraum immerhin 41,5 PS - bei der Leistung nahm man es damals eben ganz genau, es zählte jede halbe Pferdestärke. Besonderheit ist ein Vielstoffmotor, der Diesel ebenso verträgt wie Benzin, Alkohol oder verschiedene Gas-Derivate. Alternative Antriebskonzepte sind ergo keine Erfindung der Neuzeit ...

DIE 20ER- UND 30ER-JAHRE STEHEN FÜR VIEL LIEBE ZUM DETAIL

Den Bereich Personentransport repräsentiert ein Fiat 507 F "Orlandi". Der blaue Bus aus dem Jahr 1926 zeigt enorm viel Liebe zum Detail. Jedes einzelne Fenster verfügt über einen eigenen Kurbelmechanismus. Türbeschläge und Schlösser wirken wie aus dem Vollen geschnitzt. Die Passagiere nehmen auf bequemen Ledersitzen Platz. Der solide gemachte Aufbau stammt, zu dieser Zeit üblich, von einem so genannten "Coach-Builder" namens Carrozzeria Emiliana Renzo Orlandi, der 1988 in den Iveco-Firmenverbund eingegliedert wurde. 13 Passagiere fanden Platz, und mit seinen 35 PS fuhr der 507er mit immerhin 67 km/h übers Land.

Vielen Auto-Enthusiasten ist Lancia vor allem als Hersteller exklusiver Pkw bekannt. Dabei hat das Unternehmen auch einige Lkw und Busse gebaut. Der "Omicron" stammt aus dem Jahr 1927; es entstanden nur 601 Modelle und Lancia lieferte den Bus mit langem und kurzem Rahmen sowie sogar einer Doppelstockversion mit bis zu drei Achsen. Das Fahrzeug aus der Sammlung ist etwas ganz Spezielles: eine Ausführung als mobile Werkstatt für Reifenreparaturen. Im Produktionszeitraum des Omicron, 1927 bis 1936, waren Reifenpannen quasi an der Tagesordnung und der 7,7-Tonner kam häufig zum Einsatz. Er zeigte sich so zuverlässig, dass ihn sein damaliger Besitzer bis ins Jahr 1956 im Dienst ließ.

Einen Sprung in das 1963er-Jahr machen Fiat 642/643, Magirus 85D10 und der leichte OM "Leoncino". Beim 643 handelt es sich um eine Weiterentwicklung des 642. Typische Kennzeichen der 42er-Ära waren die so genannten Selbstmördertüren - Portale, die an der B-Säule angeschlagen waren und die beim versehentlichen Öffnen während der Fahrt vom Wind noch aufgerissen wurden, sodass es die Insassen nach draußen zerrte.

SELBSTMÖRDERTÜREN PRÄGTEN DAS AUTO-DESIGN DER 60ER-JAHRE

Der 643 hat dagegen schon an der A-Säule angeschlagene Türen, wie man sie auch heute noch kennt - wobei es bereits wieder Autos wie den neuen Rolls Royce gibt, die zum bequemeren Ein- und Aussteigen auch wieder "verkehrt herum" öffnende Türen haben. Die Baureihen 642/643 sind mit je einem Exponat vertreten, beides für Italien typische Zweiachser mit Tankaufbau und der damals üblichen Rechtslenkung. Gerade auf den engen Serpentinen der in Italien häufigen Passstraßen hatten die Fahrer mit dem Lenkrad auf der "falschen" Seite mehr Gefühl dafür, wie nah man sich an den Abgrund wagen konnte.

Mit 161 PS war der 643 N1A für einen 4x2 mit 7,5 Tonnen Zuladung schon recht ordentlich motorisiert. Zu dieser Zeit üblich, wurde er bereits von einem Sechszylinder-Diesel befeuert und schwang sich zu immerhin 70 km/h auf. Dass der Motor, lediglich abgedeckt durch eine dünne Blechhaube, ordentlich lärmte und der Fahrerplatz fast so eng geschnitten war wie in einem 500er Fiat, machte den Fahrerjob trotzdem nicht sehr angenehm.

Immerhin hat der 643 im Gegensatz zum Vorgänger schon ein Fünfgang-Getriebe mit Rangegruppe. Somit standen dem Chauffeur doppelt so viele Gänge zur Verfügung wie einem 642er-Piloten. Die zweite Gangebene wurde übrigens schon pneumatisch eingelegt.

Die Marke "OM" ist heute außerhalb Italiens weitgehend unbekannt. OM steht für "Officine Mecchaniche" und war ebenfalls eines der fünf Unternehmen, aus denen Iveco entstand. Ursprünglich 1918 in Brescia von den Gründern von AOM und Züst ins Leben gerufen, wurde OM bereits 1933 ein Teil von Fiat. Der "Leoncino" aus der Sammlung ist ein für seine Zeit wirklich innovativer Leicht-Lkw. Schon Anfang der 60er-Jahre setzte OM auf ein Rootsgebläse, eine Technologie, die das Schweizer Unternehmen Saurer erstmals eingesetzt hat.

Übrigens ist das ehemalige Saurer-Entwicklungszentrum im schweizerischen Arbon heute Teil von FPT (Fiat Power Train) - womit sich quasi ein Kreis schließt. In seiner höchsten Ausbaustufe leistet der 4,6-Liter-Vierzylinder des Leoncino 92 PS bei 2400 Touren und ermöglichte ein Spitzentempo von 77 km/h. Dem Fahrer stand ein Fünfganggetriebe zur Verfügung. Die Transportkapazität lag damals bei 20 bis 25 Zentnern, also einer Nutzlast von rund einer Tonne bis 1250 Kilo. Motor und Chassis fertigte OM selbst, und der Kompakt-Lkw war eines der ersten Fahrzeuge mit drei Sitzplätzen.

EIN SIRIUS REPRÄSENTIERT MAGIRUS ALS UNTERNEHMEN DER IVECO-GRUPPE

Ein Exot für Fiat-Verhältnisse ist der Magirus 85D10. Wobei es sich bei dem Ausstellungsfahrzeug tatsächlich um eine italienische Erstauslieferung handelt - erkennbar am Lenkrad auf der rechten Seite. Der "Sirius", wie der kompakte Magirus hieß, stammt auch aus dem Jahr 1963. Das ebenfalls zu Iveco gehörende Unternehmen blickt auf eine lange Tradition zurück und startete schon 1864 als Hersteller von Feuerwehrfahrzeugen - der Zeit angemessen, damals noch von Pferden gezogen.

In den späten 1910er-Jahren vollzog Magirus dann ebenfalls den Weg zum Selbstfahrer mit anfänglich Benzin-, später dann Dieselmotoren. Dem Selbstzünderprinzip frönt auch der 85D10. Gemäß seiner Typbezeichnung leistet der 5,3 Liter große Vierzylinder-Reihenmotor 85 PS. Unter dem typischen Heulen des für Magirus lange Zeit üblichen Kühlgebläses der Luftkühlung schwang sich der Sirius über die magische Grenze von 80 km/h - auf Tempo 81, um ganz genau zu sein.

Ebenfalls typisch war die Alligator-Haube, unter der bei den Fernverkehrsfahrzeugen aus Ulm sogar luftgekühlte V8-Motoren, später sogar V10 Platz fanden. Der Sirius rollte aus der gleichen Fabrik, aus der noch bis vor wenigen Jahren der Stralis das Licht der Welt erblickte. Heute lagert die Produktion in Spanien, im ehemaligen Pegaso-Werk. Leider ist von dieser ebenfalls im Iveco-Konzern integrierten Marke kein Exponat in Turin zu sehen. Und im Ulmer Werk entstehen heute wieder ausschließlich Aufbauten sowie komplette Feuerwehren - auch damit schließt sich ein Kreis.

Einen Schritt zurück in der Geschichte machen die beiden grundverschiedenen Modelle des Lancia Esatau. Beim 864 aus dem Jahr 1953 handelt es sich um einen Hauber, der "B" von 1957 ist ein für damalige Verhältnisse sehr modern gezeichneter Frontlenker. Der 864 war meist Basis für Busfahrgestelle und untermauerte Lancias Anspruch als innovativer Fahrzeughersteller. Der knapp 8,3 Liter große Sechszylinder begnügte sich mit damals sensationell niedrigen 20 Litern Diesel auf 100 Kilometer. Der 7,5-Tonner (Nutzlast) galt mit seiner eleganten Haube zu seiner Zeit als Avantgarde.

Eine designtechnische Innovation stellte der "B" dar. Seine glatte Außenhaut galt als wegweisend. Zudem war er einer der ersten Lkw, der so etwas wie einen Plattformgedanken realisierte. Es gab ihn als Zweiachser, Dreiachser, Basis für Bus-Chassis aber ebenso als Grundkonzept für Lkw. Aufbauer setzen auf ihm diverse Sonderlösungen um.

Im Interieur glänzt der Esatau durch viele liebevoll gestaltete Details: etwa ein Papierfach mit einzeln gedrehten Befestigungen, einer Instrumentierung, die auch einem Pkw zur Ehre gereichen würde oder bequemen Ledersitzen

mit Armlehne und schon damals Kopfstützen. Doch auch im Lancia zeigt sich, dass Conny Froboess Recht hatte, wenn sie von den "kleinen Italienern" sang. Heute kann ein normal großer Durchschnitts-Europäer im Lancia nicht wirklich bequem sitzen!

UNTER DER KABINE DES 619 STECKT EIN BEKANNTES HERZ: DER 13,8ER

Den Schritt in die 70er- und 80er-Jahre vollzieht die Sammlung mit dem Fiat 619 von 1974 sowie dem 170 von 1975. Im 619er findet sich unter anderem ein alter Bekannter: Der 13,8 Liter große Reihensechszylinder, der in der Ära vor den Cursor-Motoren noch EuroStar und TurboStar befeuerte. In der Bauzeit des 619 (1972 bis 1980) leistete der Motor maximal 260 PS. Für die Baureihe entwickelte Fiat eine komplett neue Kabine und nahm sich gezielt der ebenfalls neuen Tonnage-Vorschrift en an, bei denen Zweiachser maximal 19 Tonnen und Dreiachser bis zu 26 Tonnen wiegen durften. Mit Auslauf des 619 sowie der schwereren Baureihe 697 kam der 170 auf den Markt. Er trug dem Umstand Rechnung, dass in den frühen 70ern immer mehr Transportunternehmen mehr Leistung forderten. Entsprechend wuchs der Hubraum auf 17,1 Liter, die Leistung auf maximal 352 PS. Statt auf nur sechs Zylinder setzte Fiat auf einen V8 und kombinierte den mit einem Achtgang-Getriebe. Die Kabine wuchs noch ein wenig und bekam ein kleines Hochdach aufgesetzt.

MANCHE LKW HABEN DAS EWIGE LEBEN. SO DER FIAT 682N3 VON 1988

Das vorerst letzte Glied in der Evolution stellt der 190.38 dar, erstmals ein "echter" Iveco. Er verfügte über den identischen V8, der aber neun Jahre später und nach allerhand Optimierungen maximal 480 PS leistete - der bei vielen Iveco-Fans bekannte und beliebte "8280er"-Motor. In Zeiten vor den Geschwindigkeits-Limitern konnte man mit dem Vorgänger der "Euro"-Baureihe noch mit 110 km/h über die Bahn brettern - heute eigentlich unvorstellbar. Der 190.38 wartete zudem mit deutlich größeren Scheiben, daraus resultierender besserer Rundumsicht sowie einem weiter gewachsenen Fahrerhaus auf. Mit dieser Baureihe gelang es den Italienern erstmals, nennenswerte Stückzahlen auch in Deutschland abzusetzen.

Baujahr und Optik wollen beim 682N3 aus dem Jahr 1988 so gar nicht passen. Er sieht mit seiner geteilten Frontscheibe aus wie ein 643 der 60er-Jahre. Dennoch stimmt das Baujahr und auch, dass schon ein großes Iveco-Logo auf der Front prangt. Sein Spitzname "Der Löwe von Afrika" führt auf die richtige Spur: Noch weit über die Produkteinstellung in Europa hinaus war der 682 das Transportrückgrat auf dem afrikanischen Kontinent. Er war alt. Aber er war robust und mit dem Hammer zu reparieren - Voraussetzung für Legendenbildung!

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