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Hochbetrieb: Jobreport Stahltransport

17.12.2014 08:00 Uhr
Hochbetrieb: Jobreport Stahltransport
An der entlang einer Felswand gebauten N27 werden Eisenträger gebraucht
© Foto: Gerlach Fronemann

Sein Arbeitsplatz: der Schweizer Julierpass. Sein Arbeitsgerät: ein Scania-Langholzzug. Aber Thomi Egli fährt nicht nur Langholz, sondern schon mal Stahlträger für den Brückenbau.

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Da kommt er in Boswil im Aargau aus dem Kreisverkehr, ein roter Scania G 490 6x2 mit Kran und gesatteltem Selbstlenker, ein klassischer Langholzzug!

Bei näherem Hinschauen ist der LKW jedoch kein ganz normaler Selbst lenkerzug: Die Achsauslegung 6x2 mit gelenkter Nachlaufachse verleiht ihm zwar eine erhöhte Wendigkeit, aber für aufgeweichte Forststraßen weniger Traktion. Chauffeur Thomi Egli (42), der soeben aussteigt: "Die Nachlaufachse lässt sich entlasten, um die Traktion etwa beim Anfahren auf rutschigem Untergrund zu verbessern."

Thomi fährt den einzigen Schwerlaster der Van Randen LGB AG in Adliswil. Das Unternehmen vermietet Lehrgerüste, die vor allem als Stützgerüste für den Bau von Spannbetonbrücken eingesetzt werden. Sie werden von Bauunternehmen geordert, von einem Ingenieur der Van Randen AG in Zusammenarbeit mit Bauingenieuren zusammengestellt und nach der entstandenen Bauzeichnung von den Van-Randen-Facharbeitern auf der Baustelle als Stützgerüste montiert. Laut Thomi Egli können das Doppel-T-Träger mit zwölf Meter Länge und mehr sein, kurze Träger, Stahlbögen oder vollständig montierte Elemente. Hin und wieder befördert der lange im Forsttransport tätige Profi-Fahrer auch Stammholz: "Nächste Woche muss ich wieder einmal ein Fuder Langholz zu einer Säge bringen."

VOM FAHRERSITZ AUF DEN KRANSITZ, D ANN GEHT ES ANS BELADEN DES LKW

Die Scania-Zugmaschine hat einen Sechszylinder mit 13 Liter Hubraum. Er bringt 490 PS Leistung, ab 1300 U/min schon 470 PS. Das maximale Drehmoment von 2550 Nm liegt zwischen 1000 und 1300 Nm an. Auf Thomis Wunsch wurde die manuelle Zwölfgangschaltung gewählt. Das vollluftgefederte Fahrzeug bietet hohen Fahrkomfort und dank des großen Hubs der Federbälge viel Bodenfreiheit. Der Radstand von 3900 Millimeter stellte die Techniker von Doll Fahrzeugbau vor Platzprobleme für Anbauten am relativ kurzen Rahmen. Wie schon bei Euro-5-Aufbauten ist auch im Euro 6 der Hydrauliktank in den Fahrerhausschutz integriert. Der Kran (Epsilon S300LHPLS) hat einen doppelten Ausschub und eine Reichweite von rund zehn Meter. In den Kabinenschutz ist die Kranablage eingelassen. Das halblange, niedrige Fahrerhaus erübrigt einen Einschnitt für den auf dem Kabinenschutz abgelegten Kran. Links am Rahmen sitzt hinter den Batterien der geschützte Dieseltank, dahinter der Aufstieg zum Kransitz mit integriertem Werkzeugkasten. Zwischen Kran und Schutzgitter gibt's einen Alustaukasten (2200 x 400 x 400 mm). Rechts über der Abgasreinigungsanlage ist der Ölkühler, dahinter geschützt der Adblue-Tank und die Luftkessel. Nach einem Zwischenraum für Ketten folgen die Kranabstützung und der Kranaufstieg.

Der Selbstlenker ist wie der LKW-Aufbau in Leichtbauweise konstruiert. Er hat zwei 9,0-Tonnen-Achsen mit 19,5-Zoll-Alufelgen und Schwerlast reifen Michelin 255/60 R 19,5. Wegen der oft engen Baustellenzufahrten hat Van Randen die besonders exakte Lenkung "ratio plus" von Doll gewählt. Thomi Egli konnte dank seiner Erfahrung bei der Bestellung und Wahl einzelner Komponenten mitentscheiden: "Bei den Rungen wollte ich die schmalen Laxo. Damit habe ich 2,36 Meter Innenbreite." Laxo-Rungen trägt auch die zusätzlich bestellte, doppelt teleskopierbare Ladebrücke vom Typ A800, die Thomi Egli beim Transport kurzer Stahlelemente oder gelegentlich Kurzholz innerhalb von knapp 15 Minuten einhängt und anschließt.

Inzwischen hat Egli die Hydraulikstützen ausgefahren, auf dem Kransitz Platz genommen und den Selbstlenker auf die Fahrbahn gesetzt. Er schiebt ihn auf den notwendigen Abstand zum LKW und greift den ersten Doppel-T- Träger: "Die haben 11,5 Meter Länge. Wichtig ist, dass du sie immer in der Mitte greifst." Auf die Frage, ob der Stahl nicht rutscht: "Der Greifer packt sehr stark, außerdem sind die Träger immer etwas rostig."

Die Brückenbauer haben Stahlgerüstelemente sorgfältig für den Abtransport gestapelt. Thomi greift sie Stück für Stück und liest an der Wiegeeinrichtung des Krans das Ladungsgewicht ab. Er sichert die Ladung, bringt die rote Warntafel am Heck an und fährt aus der Baustelle.

Der Transport geht nach Splügen, wo an der Transitstraße zum San Bernardino-Tunnel und ins Tessin eine neue Straßenbrücke entsteht. Die Fahrt führt über Zürich, entlang dem Walensee und Chur. Dort steht auf dem Mittelstreifen ein großes Eisengerüst und wartet wohl auf seine Verwendung. Thomi Egli: "Das habe ich vor Kurzem hier für eine Brückenbaustelle angeliefert. Zur Entladung wurde die Autobahn kurzfristig gesperrt."

Ab Thusis wird die Straße kurvenreich, Tunnels und Brücken folgen dicht aufeinander. Der Scania schlängelt sich zügig mit der Stahlträgerladung durch die Schluchten des Hinterrheins in Richtung San Bernardino, wo sich vor Splügen das Tal öffnet und links der Schnellstraße unser Ziel auftaucht, die Brückenbaustelle. Thomi zweigt in die Ausfahrt ab, lenkt unter der Schnellstraße durch. In Gegenrichtung geht es in die Baustelle, wo schon sein Kollege Bob Van Randen wartet, ein Verwandter des Firmenchefs und gebürtiger Südafrikaner sowie niederländischer Staatsbürger. Schnell sind die Ketten und Spanngurte gelöst und die Stahlträger entladen. Gegen 19 Uhr ist der Selbstlenker "aufgeprotzt" und der LKW abfahrbereit.

UM FÜNF UHR MORGENS STARTET DIE TOUR ÜBER DEN 2284 METER HOHEN PASS

Wegen des Nachtfahrverbots von 22 bis 5 Uhr übernachten wir im Alpendorf und brechen erst am Morgen auf. Kurz vor der Passhöhe am Julier frühstücken wir in Bivio in einem Restaurant. Drei italienische Lastzüge, teils mit Rundholz beladen, stehen schon auf dem Parkplatz. Die Fahrer sitzen am Tisch, wir gesellen uns dazu. Nach einer "Schale" (Milchkaffee) und einem "Gipfeli" (Croissant) geht es weiter über die auf 2284 Meter gelegene Passhöhe ins Engadin. Über St. Moritz geht es den Inn entlang ins Unterengadin bis kurz vor Schulz/Scuol, dem Endpunkt der Rhätischen Bahn. Dicht neben dem Schienenstrang, der kurz aus einem Tunnel auftaucht und gleich im nächsten verschwindet, liegt unsere Ladestelle an einer in die Felswand gebauten, engen Straße. Telefonisch hat Thomi vorab den Bauleiter über unsere bevorstehende Ankunft benachrichtigt.

Die Bauleute stehen schon bereit und regeln den Verkehr zusätzlich zu den Verkehrsampeln. Die zu übernehmenden T-Träger sind unterhalb der Straße auf einem Gerüst deponiert. Nach kurzem Augenschein bringt Thomi den LKW in Stellung, fährt die Stützen aus und klettert auf den Kransitz. Zuerst hebt er die 11,5 Meter langen Stahlträger neben den LKW dann erst den Selbstlenker auf die Fahrbahn, um ihn anschließend zu beladen.

IN SILVAPLANA BEGINNT DER ANSTIEG, EINE FAHRT UM ECKEN UND KEHREN

Einen Kilometer weiter sind weitere Träger neben der Fahrbahn gestapelt. Nach einem raffinierten Wendemanöver steht der Lastzug in Gegenrichtung ladebereit. 20 Minuten später liegen die Träger auf dem Lastzug. Nach der Sicherung mit Ketten und Gurten und des Warnschilds am Heck geht es mit knapp 40 Tonnen Gesamtgewicht in Richtung Julier.

In Silvaplana beginnt der Anstieg, eine enge Durchfahrt um Häuserecken, dann folgen zwei Kehren. Weiter geht es bergan mit bis zu zehn Prozent Steigung zur Passhöhe. Darauf folgen mehrere Kehren bergab. Der Scania-Retarder hält die Geschwindigkeit des Zugs bei 1800 U/ min ohne erhöhte Kühlwassertemperatur. In den Kehren gefällt die exakte Lenkung, die den Selbstlenker genau in der Spur des Zugfahrzeugs belässt. Will Thomi den Selbstlenker weiter innen fahren, damit die hinten überstehende Ladung nicht über den Radius des Scania herausragt und Schäden anrichtet, kann er dies jederzeit mit der Funkfernbedienung steuern. Nach dem Steilstück halten wir erneut in Bivio, gönnen uns ein einfaches Mittagsmenü und halten zugleich die vorgeschriebene Pause ein.

In Mulegns wird die Straße nochmals recht eng. Sie führt rechts um eine Ecke und verengt sich auf nur etwa 3,5 Meter. Am Eingang ragt aus einer Hauswand in etwa 3,5 Meter Höhe ein Balkon. Achtung, da sind Streifspuren zu erkennen!

Bis Thusis geht es hinunter bis an den Hinterrhein, wo wir wieder in Richtung Splügen abbiegen. Unsere Baustelle ist am Tag für jedermann an den von Bob Van Randen und Kollegen über den Fluss gelegten Doppel-T-Trägern und an Baumaschinen erkennbar. Bald hat Thomi die Ladung abgesetzt und den Selbstlenker wieder auf den LKW gehoben. Inzwischen hat er mit der Disposition in Adliswil die nächsten Fahraufträge abgesprochen. Zuerst einmal geht es zum Lagerplatz seiner Firma in Bassersdorf bei Zürich. Am nächsten Tag hat Thomi dann eine Fuhre Langholz eingeplant. Gerlach Fronemann

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