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Interview des Monats: "Ich verstehe das Dilemma der Fahrer"

07.08.2017 08:00 Uhr
Interview des Monats: "Ich verstehe das Dilemma der Fahrer"
Martina Habeck ist Polizeioberkommissarin für Unfallprävention und Opferschutz in Münster
© Foto: Martin Heying

Das Kommissariat für Verkehrsunfallprävention Münster arbeitet aktuell am Schwerpunktthema falsches Parken entlang von Autobahnen.

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Wie gravierend ist das Problem Lkw-"Geisterparker" in Nordrhein-Westfalen?

Hier in NRW haben wir viel Durchgangsverkehr, wir sind ein Transitland. Überall an den großen Autobahnen, ob Nord-Süd- oder Ost-West-Achse, fehlen Parkplätze für Lkw. Nachts verschlimmert sich das Problem von Stunde zu Stunde.

Gab es deswegen bereits Unfälle?

Leider mehrfach, allein im letzten halben Jahr. Einmal stand ein Lkw auf dem Seitenstreifen der Autobahn geparkt. Ein anderer Sattelzug fuhr auf, stürzte um und begrub einen Pkw links unter sich. Die Beifahrerin verstarb. Ein anderer Unfall passierte auf der Verzögerungsspur zu einer Raststätte. Der letzte Lkw in der Schlange war offenbar unbeleuchtet und nicht zu erkennen. Ein Motorradfahrer fuhr auf das Heck des Gespanns auf und kam dabei ums Leben.

Welche Bereiche sind besonders gefährlich, wo dürfen Fahrer unter keinen Umständen stehen?

Auf keinen Fall auf dem Seitenstreifen im offenen Autobahnbereich. Auch nicht auf den Aufoder Ausfahrten, Zu- und Abfahrten von Tankstellen, Park- oder Rastplätzen.

Gibt es Ausnahmen, etwa wenn alle Parkplätze weit und breit restlos überfüllt sind?

Generell gilt: Man darf nirgendwo parken, wo es gesetzlich verboten ist. Es ist zum Beispiel auch nicht erlaubt, kreuz und quer auf einem Rastplatz zu stehen, was regelmäßig der Fall ist. Dann kontrollieren die Kollegen, ob die Durchfahrt von Rettungsfahrzeugen oder der Feuerwehr frei ist. Auch andere Verkehrsteilnehmer dürfen nicht behindert werden. Ist die Sicherheit gewährleistet, wägen die Kollegen mit Fingerspitzengefühl ab, ob es nötig ist, dass der Fahrer geweckt wird, oder ob er stehenbleiben kann. Darauf berufen kann sich ein Fahrer aber nicht.

Sind Sie selbst draußen an der Autobahn, um die Verkehrssituation zu kontrollieren?

Ich war bis Herbst 2016 regelmäßig in der Früh-, Spät- und Nachtschicht eingesetzt und konnte mir da ein gutes Bild von den Problemen vor Ort machen. Ich weiß um die Not und verstehe das Dilemma der Fahrer. Viele überschreiten wegen der Parkplatzsuche ihre Lenkzeit in einem Maß, dass sie irgendwann nicht mehr wissen, was sie tun sollen. Zugleich sind sie müde, ihnen fallen die Augen zu, sie können einfach nicht mehr weiterfahren. Dennoch müssen wir sie weiterschicken und es taucht die Frage auf: Wo sollen wir denn hin? Es müsste einfach mehr Möglichkeiten für sie geben.

Und wie reagieren die Fahrer dann?

Die Fahrer verstehen die Gefährdung, die das Parken ihres Fahrzeugs darstellt, und dass es deshalb verboten ist, dort zu stehen.

Müssen Sie "Geisterparkern" ein Ticket ausstellen oder können Sie Milde walten lassen?

Wir versuchen im Gespräch deutlich zu machen, dass wir keine Paragrafenreiterei betreiben, sondern wie gefährlich dieses Parken ist. In der Regel sprechen wir einen Platzverweis aus aufgrund der gefährlichen Örtlichkeit. Es gibt wenige Extremfälle mit Verwarnungsgeld, wenn man einen wegschickt und denselben Kandidaten zwei Kilometer weiter wieder so gefährlich stehen hat. Aber grundsätzlich ist uns daran gelegen, nicht jemanden zusätzlich zu bestrafen. Wir kennen ja die Situation der Fahrer, es ist uns wichtig, nicht noch draufzulegen.

Sind Ihre Kollegen bei den Kontrollen an sehr gefährlichen Stellen nicht selbst gefährdet?

Die Eigensicherung wird großgeschrieben. Niemand steigt ohne Leuchtweste aus, wir stellen an beleuchteten Streifenwagen hinten an, was geht. Das ist das Hauptrisiko: Die Fahrzeuge kommen von hinten wie Geschosse daher.

Wenn man etwa Hütchen aufstellt, ist man schon gefährlich nah dran. Jeder Kollege weiß das und ist auf den ständigen "Blick zurück" trainiert.

Bestätigen Sie Fahrern, dass sie weiter müssen für den Fall einer weiteren Kontrolle?

Die anderen Kollegen können beim Auslesen der digitalen Daten ja sehen, wie lange die Ruhezeit unterbrochen wurde. Ich denke, man kann als Fahrer dann verständlich erklären, warum man kurz umsetzen musste. Länger sollte er natürlich nicht noch unterwegs gewesen sein.

Was raten Sie Fahrern für die Parkplatzsuche?

Frühzeitig mit dem Suchen beginnen. Die Autohöfe abseits der Autobahn ansteuern. Manche Spediteure zahlen die Gebühren, ihnen sind die Sicherheit ihrer Fahrer und die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten wichtig. Sich vorab schlaumachen, welche Ausweichmöglichkeiten es auf der Route gibt. Es wird ja an Parkleitsystemen gearbeitet, auch das wäre eine Hilfe. Die Apps sind leider noch nicht vertrauenswürdig ausgereift genug.

Zur Person: Martina Habeck

Seit letztem Herbst arbeitet die Polizeioberkommissarin beim Kommissariat für Verkehrsunfallprävention und Opferschutz in Münster. Zuvor war die 40-Jährige bei der Autobahnpolizei in Kamen und in Münster eingesetzt. Martina Habeck ist verheiratet und Mutter zweier Töchter.

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