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Irland: Das Guinness sprudelt noch

29.10.2012 08:00 Uhr
Irland: Das Guinness sprudelt noch
Bei Guinness in Irland rollt noch Fass um Fass vom Hof.
© Foto: Gregor Soller

Die Euro-Krise hat dem keltischen Tiger die Zähne gezogen: Im schwer gebeutelten Irland geht nicht mehr viel - nur bei Guinness rollt Fass um Fass vom Hof.

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Hier geht es richtig rund, im wahrsten Sinne des Wortes: Zu den wenigen florierenden Unternehmen Irlands gehört derzeit die Guinness-Brauerei. "Very old economy", wenn man so will und "old fashioned" liefert man einen Teil der Fertigung wie seit Urzeiten irisch-stur in Fässern aus. Als die Wirtschaft boomte, investierte Irland vor allem in die IT-Branche, Banken und Versicherungen, "New Economy" war Trumpf. Tatsächlich sprach man bald vom "Celtic Tiger", dem keltischen Tiger, der zum Sprung ansetzte. Ausgerechnet diese Branchen, die in ein paar schnell hochgezogenen Glaspalästen atemberaubend viel Geld verdienten, sollten heftig über die Eurokrise stolpern, die sie selbst mit verursacht hatten.

In Dublin treffen wir Kenny Thomas, der öfter zwischen der Hauptstadt an der Ostküste und Galway, einem kleinen Industriezentrum an der Westküste, pendelt und für irische Verhältnisse bereits "Fernverkehr" fährt. Auf der noch relativ neuen Autobahn gibt es eine einzige Raststätte. An der stehen exakt zwei Sattelzüge, kein gutes Zeichen. "Irland ist klein und deswegen haben wir mit Fahrzeiten und Pausen kaum Probleme", grinst Kenny. Aber er gibt zu, dass die Raststätte praktisch ist: "Früher mussten wir immer ein Stück über Land zum nächsten Gasthaus fahren. Da es genug in Autobahnnähe gibt, war das aber eigentlich auch kein Problem", findet er.

Seiner Meinung nach hat es die Regierung in den fetten Jahren versäumt, ein leistungsfähiges produzierendes Gewerbe anzusiedeln. "Außer Bier, Vieh und Regen gibt es hier nicht viel", resümiert er, bevor er seinen Volvo FH startet und weiter gen Galway fährt.

SANFT SPRUDELT DAS BRAUNE STOUT INS GLAS

Am nächsten Tag ist Kenny wieder in Dublin. Sein Wochenpensum ist geschafft und nach Feierabend sitzt er im Guinness-Storehouse über den Dächern der Hauptstadt in der "Gravity-Bar" - natürlich bei einem - frisch gezapften Guinness. "Hierher kommen eigentlich nur Touristen", schwärmt er, "aber der Blick ist einfach toll."

Das cremefarbene Stout sprudelt ins Glas, bevor Eibhlin Roche, Guinness-Archivarin, innehält und wartet, bis das Bier die charakteristische braune Farbe annimmt. "Jetzt muss sich das Bier erst setzen", erklärt sie ruhig, bevor sie wieder am Zapfhahn zieht und das Glas komplett füllt.

Das altehrwürdige Guinness Storehouse, ein riesiges Backsteingebäude, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts in damals hochmoderner Stahlskelettbauweise erstellt wurde, stellte das Herz der Brauerei dar, die sich mittlerweile bis zum River Liffey ausgebreitet hat. Der Fluss wird beidseitig von großen Straßen gesäumt, über die Guinness heute versorgt wird. Einst wurden die großen Mengen Bier mit Barkassen transportiert, bevor die Iren 1899 erste LKW beschafften (siehe Kasten S. 49).

ALTE ZEITEN: 16 STUNDEN FAHRZEIT FÜR 14 MEILEN

Eibhlin Roche kommt ins Erzählen: "Zu der Zeit standen auch noch rund einhundert Pferde in den Guinness-Ställen. Von denen wurden je acht bis zehn vor einen Bierwagen gespannt. Um sechs Uhr morgens verließen sie die Brauerei und kehrten von der 14-Meilen-Tour nicht vor zehn Uhr abends zurück!"

Dagegen mutet Kennys Job im Volvo an wie ein Urlaubstrip. Nach sechs lasterlosen Jahren zwischen 1903 und 1909 begann auch bei Guinness das Diesel-Zeitalter, denn auch die Barkassen für die Verteilung großer Mengen auf den Flüssen wurden auf Dieselaggregate umgestellt. Dazu kam eine eigene Schmalspurbahn für interne Verkehre. Mittlerweile hat sich der einst multimodale Verkehr auf den LKW konzentriert und Bier liefert Guinness hauptsächlich in drei Gebindegrößen: im Tankzug, im Überseecontainer (meist 40 Fuß), der dann direkt von der St.-James's-Gate-Brauerei zum Hafen geht, oder im Keg genannten Metallfass, das wie seit Jahrzehnten auf dem Plattform-LKW- oder -trailer direkt zu den Gaststätten gefahren wird, wie man Tags darauf sehen kann.

Geladen wird das Bier mit einem speziellen Aufsatz auf dem Hyster-Stapler, der auf diese Art 30 Kegs auf einmal packen kann. Einzelne Blechfässer, die an besondere Lagerorte müssen, laden die kräftigen Bierkutscher per Hand ab und kicken einmal dagegen: Dann rollen die Kegs von allein an den vorbestimmten Platz. Noch immer setzt Guinness auf leichte Verteiler-LKW mit Pritsche, und wie vor dreißig Jahren stammen die fast ausschließlich von Volvo. Man könnte manchmal glauben, der bei uns seltene Volvo FL sei extra für Guinness entwickelt worden.

In aller Früh' verlassen die FL-Pritschen und -Zugmaschinen mit Einachssattel die Brauerei, um ab dem frühen Nachmittag mit dem dezent scheppernden Leergut wieder auf dem St. James's Gate einzulaufen. Wobei das Wort "Gate" hier wirklich mit "Gatter" oder "Tor" übersetzt werden kann: Bevor der allabendliche Berufsverkehr zum breiten, zähen Fluss heranschwillt, tröpfeln die mit den silbern schimmernden Kegs beladenen Lastwagen herein und stoßen durch das einzige Tor in der langen Backsteinmauer. Dazwischen fahren immer wieder Tank- und Containerzüge im Pendelverkehr vom und zum Hafen.

VATER UND SOHN MALONE FAHREN FÜR DIE BRAUEREI

Einer von ihnen ist James Malone. "Die Route zum Hafen schaffe ich in der Regel fünf Mal am Tag", erklärt der junge Fahrer. Mit seinem DAF CF fährt er die "Allzweckwaffe" im irischen Containerverkehr, hier teils noch in der Urversion mit senkrecht stehenden Blinkern unterwegs. Der nächste DAF-Fahrer fährt schon länger und heißt auch Malone: James' Vater ist ebenfalls auf dem Weg zu den Docks. Seinem CF sieht man die Schinderei im Hafen an den beiden unterschiedlichen Sätzen Rückleuchten an. Die Malones reden nicht viel, denn "wenn hier der Feierabend verkehr brandet, stehst du eine Ewigkeit", erklärt Malone Senior und gibt Gas.

Tatsächlich wird es im Laufe des Tages immer schwerer, sich in den dreispurig fließenden Einbahnstraßenverkehr einzuordnen, zumal die Malones wie alle ihre Kollegen von der linken Einfädel- sofort auf die ganz rechts liegende Abbiegespur wechseln müssen, um dann den River Liffey zu queren.

Als Nächstes rollt James Kennedy ans Tor. Er gehört zu den stolzen Owner-Operatoren, die mit schicken LKW irischen und britischen Fernverkehr fahren. Auch der Selbstfahrer pendelt gerade zwischen Docks und der Brauerei und "begnügt" sich mit einem schicken Renault Premium, während seine Kollegin Emma Taffee im Volvo FH vorfährt. Sie ist an dem Tag buchstäblich zu "Höherem" berufen: Mit ihrem Tankzug muss sie zur weiter oben gelegenen Anlieferungszone für Rohstoffe nahe dem alten Storehouse.

KING OF THE KEG: KENNY FÄHRT DIE FÄSSER AUS

Dann kommt wieder Kenny: Er nimmt mit seinem schwarzen 480er FH 12 und 13,60-Meter-Keg-Sattel längere Strecken unter die Räder. Wie flexibel die Transporteure sein müssen, zeigen die Banner an ihren Autos, die nicht zwangsweise den typischen Guinness-Schriftzug, sondern mit den wechselbaren Einsätzen auch andere Biermarken kommunizieren, die ebenfalls zur Diageo-Gruppe gehören. "Flexibilität ist alles, doch die Farbe meines Zuges ist trotzdem ein eindeutiges Statement, oder?", fragt Kenny.

Schon rollt der Hyster-Stapler wieder an und packt die Fässer in 30er-Gebinden auf seinen Zug. Anschließend wird sich Kenny durch den dichten Dubliner Feierabendverkehr gen Westen kämpfen, wo es dann ziemlich schnell ziemlich ruhig wird. Der keltische Tiger brüllt nicht mehr.

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