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Iveco Trakker 260T45: Mehr Ochse als Bulle

02.12.2016 08:00 Uhr
Iveco Trakker 260T45: Mehr Ochse als Bulle
Seltener Anblick: Iveco Trakker 260T45
© Foto: Gregor Soller

Der Vorgänger des Trakker, der Magirus, galt zu seiner Zeit als Baubulle. Was davon ist beim aktuellen Iveco Trakker 260T45 noch übrig?

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Dass Magirus in den Fünfzigerjahren auf deutschen Baustellen über 50 (!) Prozent Marktanteil hatte, weiß in Turin wohl niemand. Denn während vor allem die Schweden versuchen, mit immer neuen baustellenspezifischen Lkw und Zusatzausstattungen den konservativen deutschsprachigen Baustellenmarkt zu erobern, beschränkt sich Iveco als Nachfolgeunternehmen bei der Pflege des Trakker auf "lebenserhaltende" Maßnahmen.

Ob das genügt, um der Nordmänner-Invasion standzuhalten, soll eine längere Tour im Raum Ulm Richtung Alb zeigen. Zum Test tritt an: ein auf 40 Tonnen ausgeladener Iveco Trakker 260T45 mit kurzer Hi-Land-Kabine.

Der erste Eindruck ist positiv: Die Armaturentafel verfügt beim Vorführer über das optionale, zum Fahrer drehbare Multimediasystem, das mit einem kräftigen Zug oder Druck aus oder in die Waagerechte gedreht werden kann. Die Armaturen selbst behagen mit ihrer bewährten Übersichtlichkeit. Die Kabine bietet genug Platz, an der Rückwand gibt es eine ordentliche Kleiderstange. Den Übertritt zur Kippbrücke erleichtert ein seitlicher Tritt plus Galerie am Dach. Gegen Rempler schützt vorn der bewährte dreiteilige Stahlstoßfänger.

BEIM TRAKKER SCHALTET DIE AS-TRONIC ARG BETULICH

Nach dem Dreh am Zündschlüssel fällt der Cursor 13 in leisen Leerlauf und punktet auf der Testrunde mit dezenten Manieren und einer ebensolchen Geräuschentwicklung. Verschlafen fallen beim Testwagen die Schaltzeiten der hier verbauten 16-Gang-Eurotronic aus: Im Standardmodus versucht sie trotz voller Ausladung möglichst schnell die hohen Fahrstufen zu erreichen. Entsprechend groß fallen die Gangsprünge aus, was teils prinzipbedingt lange Schaltpausen nach sich zieht. Und trotz kleiner Spreizung sind die vor allem zwischen den Gruppen so lang, dass man auf anspruchsvollem Terrain besser manuell eingreift - was der Fahrer offroad ohnehin immer tun sollte.

Der Cursor 13 überzeugt wenigstens mit kräftigem Durchzug und hoher Drehfreude und gewann wie die meisten Wettbewerber durch Euro 6 noch mal an Standfestigkeit in niedrigen Drehzahlbereichen. Auch unter 900 Touren lässt sich mit dem im Schweizer Arbon entwickelten Triebwerk noch etwas anfangen - was der Chauffeur vor allem in der Grube oder auf engen Serpentinenstrecken schätzt. So kann er sich die ein oder andere Rückschaltung sparen - falls er manuell fährt. Denn die Eurotronic hat bei Weitem nicht so viel Vertrauen in die Standfestigkeit des Cursor 13 und stuft bei Last zur Sicherheit gern auch mal zwei Gänge zurück.

Bei der Verzögerung unterstützt die Motorbremse der Intarder. An den Rädern sorgen vorn Scheiben und hinten Trommeln für eine gut dosierbare Verzögerung - auch beim sanften Heranrollen an Ampeln. Generell verzögern die Bremsen sehr gleichmäßig, um im letzten Moment ordentlich zuzuschnappen.

STADTBUS FAHREN MITTEN IM SCHWEREN GELÄNDE

Etwas befremdlich wirken im Kipper die aus den Stadtbussen stammenden Drucktaster für die Getriebe-Grundeinstellungen vorwärts/ rückwärts/neutral. Dafür liegt die sonstige Steuerung der Schaltung gut bedienbar im Lenkstockhebel. Der Trakker verfügt über einen Offroadmodus, der aber in der Regel nur Hektik ins Schaltprogramm bringt. Wenn es brenzlig wird, hilft der Automat wenig. Nachdem auch Iveco von der AS-Tronic auf Traxon umsteigen wird bleibt zu hoffen, dass die neue Schaltbox zusammen mit einer geänderten Software für Verbesserung sorgt.

Die Lenkung gefällt mit ihrem feinen Kompromiss aus Exaktheit und Leichtgängigkeit und lässt sich auch von tiefen Löchern oder Querfugen kaum beeindrucken. Der Verstellbereich des Lenkrads dürfte größer ausfallen, selbst ganz geneigt steht es noch ziemlich flach. Immerhin fasst es sich gut an und dank Ivecos Qualitätsoffensive herrscht jetzt auch auf schlechten Wegen Ruhe im Bereich der Armaturentafel. Wenn man jetzt noch das nervige Blinkerpiepen abstellen oder wenigstens so leise wie im Stralis machen könnte ...

Erstaunlich komfortabel präsentiert sich die komplett mechanische Federung. Beladen bügelt sie sämtliche Unebenheiten gut aus und auch ohne Fracht "reitet" sich der Trakker noch manierlich. Und wie steht es um die Alltagsdetails?

Die stimmen. Hier ließ sich der mittlerweile ein Vierteljahrhundert alte Rohbau nie etwas zuschulden kommen. Heißt: An Spiegeln und schlanken A-Säulen kann man gut vorbeisehen und die weit nach unten gezogenen Seitenfenster verbessern die Sicht nach schräg unten.

BEWÄHRT: DIE KLASSISCHE TREPPE IN DIE KABINE

Die treppenförmigen Stufen erleichtern das Ein- und Aussteigen, die untersten Stufen klappen zumindest nach hinten weg. Beide Tanks liegen beifahrerseitig, Abgasbox und Batterien fahrerseitig. An Letztere kommt man gut heran.

Und der Aufbau? Typisch Meiller D321 mit Bordmatic links und mechanischer Bordwand rechts, dort durch kräftige Federn unterstützt. Die Standardplane, die seitlich abgerollt und geratscht wird, ist momentan das kleinste mechanische Übel am Markt: Hat man etwas Kraft und genug Erfahrung, ist man damit schnell zugange. Auch der Unterfahrschutz hinten will kräftig angepackt werden. Am fast dreieckigen Profil setzt sich nur klebriges Schüttgut fest. Die Gesamthöhe bleibt mit 3,3 Metern im Rahmen. Mit 12.530 Kilo Leergewicht gehört der 260T45 allerdings nicht zu den leichten Vetretern seines Segments.

Dass der Trakker in Summe gute Anlagen hat und sich bis auf die lahme Schaltung keine groben Patzer leistet, bestätigt auch unsere Facebook-Umfrage, in der Fahrer ihn als "solide kennen" und ihn sogar "klasse" finden. Bemängelt wurden "Sitz- und Lenkradverstellung" sowie "knarzendes Plastik".

Letzteres verschwand durch die kürzlich erfolgte Produktpflege. Investieren müsste Iveco aber in herausragende Stärken- warum können die Italiener nicht die leichtesten oder die am besten zu fahrenden Autos bauen, sondern meist nur die billigsten? So wundert es nicht, wenn aus den einst wilden Ulmer Bullen zahme Ochsen aus Madrid wurden: Brave Zugtiere, die einen guten Job machen, aber eigentlich Potenzial für mehr hätten!

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