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Jobreport Rangier-Unimog-Fahrer: Laster am Zug

03.12.2015 08:00 Uhr
Jobreport Rangier-Unimog-Fahrer: Laster am Zug
238 PS für 340 Tonnen: Der U 400 braucht seine geballte Kraft
© Foto: Jan Burgdorf

Johannes Glemser und Carmen Hermann fahren auf zwei Wegen.

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Lastwagenfahrerin oder Lokführerin? Über diese Frage muss Carmen Hermann nachdenken: "Zur Zeit sehe ich mich noch als Lkw-Fahrerin, ab nächstem Jahr wird sich das aber ändern." Bislang ist die 36-Jährige vorrangig mit ihrem MAN TGS-Kippsattelzug im Baustellenverkehr unterwegs.

Noch. Denn bald soll sie ihren Kollegen Johannes Glemser regelmäßig vertreten. Der ist schon seit einigen Jahren mehr auf der Schiene als auf der Straße unterwegs. "Ich war lange genug im Fernverkehr, für mich kommt der Lkw nicht mehr infrage!", versichert der gelernte Landmaschinenmechaniker. Ganz vom Laster verabschiedet hat sich Johannes trotzdem nicht. Schließlich handelt es sich bei seiner "Lok" um einen Unimog U 400, der mittels Schienenführungsrollen und Eisenbahnwagen-Bremsanlage der Firma Zwiehoff schienentauglich gemacht wurde. Womit das "Universal-Motor-Gerät" seinem Namen einmal mehr alle Ehre macht.

DIE BAHN-WAGGONS MÜSSEN AUFS WERKSGELÄNDE RANGIERT WERDEN

Carmen und Johannes sind im Auftrag eines großen Papierwerks im fränkischen Stockstadt unterwegs. Ihr täglicher Job: Waggons, die die Deutsche Bahn in der Nacht auf einem in der Nähe befindlichen Rangiergleis abgestellt hat, zum Entladen auf das Werksgelände rangieren. "Die Fabrik erhält einen Großteil ihrer Materialien per Bahn und versendet das fertige Papier teilweise auf diesem Weg", erklärt Johannes, während er einen Schaltkasten vor dem Werkstor öffnet. Mit diesem Handgriff nimmt jede Schienenfahrt des Mogs ihren Anfang. Hier werden die Bahnschranken bedient, welche die vielbefahrene Straße absichern, die vor dem Werk die Schienen kreuzt.

Fast jedes Mal muss Johannes dabei über das Verhalten mancher Autofahrer den Kopf schütteln. So auch heute, als ein BMW-Lenker den Bahnübergang passiert, obwohl sich die Schranken bereits senken. "Einfach ohne Worte!", lautet sein lapidarer Kommentar. Lieber startet er den 6,4 Liter großen Sechszylinder des Unimog. Und das, ohne dessen Kabine zu betreten: Gesteuert wird der 12-Tonner per Fernbedienung. "Die Kabine nutzen wir eigentlich nur als Ablagefläche, die ist daher fast jungfräulich", sagt Carmen lachend. Sie und Johannes fahren außen auf den seitlichen Trittrosten stehend mit.

Knapp einen Kilometer misst die Solofahrt, inklusive Richtungswechsel an einer Weiche, bis zu einem Abstellgleis, auf dem vier mit Natronlauge beladene Kesselwagen warten. Unterwegs meldet Johannes den bevorstehenden Transport per Handy im Stellwerk der Deutschen Bahn an. Das ist Pflicht, denn dort werden die Weichen und Signale gestellt.

Wenige Meter vor den Kesselwagen stoppt Johannes und stellt sich neben die Waggonpuffer. Auf diese Weise verschafft er sich Sicht auf den bevorstehenden Kupplungsvorgang. Der funktioniert automatisch, nur das Anschließen des Bremsschlauchs müssen die beiden Lokführer händisch erledigen. Bevor die Fahrt losgeht, muss der Luftpresser noch die Bremsanlage der Waggons füllen, die schließlich schon seit einigen Stunden auf dem Gleis stehen.

Knapp 340 Tonnen hat die Laster-Lok nun am Haken. Mehr als das Doppelte wäre theoretisch erlaubt. Trotzdem eine schwere Aufgabe für nicht gerade üppige 238 Unimog-PS. Die automatisierte Telligent-Schaltung muss ihre acht Vorwärtsgänge bis über 2500 Touren ausreizen, um den Zug in Schwung zu bringen.

"Manchmal hängen wir acht Waggons mit jeweils 85 Tonnen an, da kommt der Unimog dann an seine Grenzen, weil die Strecke zum Werk leicht bergauf führt", brüllt Johannes gegen den Lärm des Sechszylinders an. Mehr als 25 km/h wären mit Anlauf trotzdem drin, sind für den Mog auf der Schiene aber tabu.

Vor allem ist die Strecke dafür zu kurz, denn nach 500 Metern bringen die Bremsen den Güterzug kreischend wieder zum Stehen. Die Weiche zum Werksgleis ist erreicht, von hier aus geht's rückwärts weiter. Johannes und Carmen wechseln zum Zugende und klettern auf die Plattform des letzten Waggons. Es dauert ein wenig, bis das entsprechende Signal die Fahrt freigibt und Johannes den Fahrtknopf auf der Fernbedienung drücken kann.

Lautlos - die Anstrengungen des Unimog sind von hier nicht zu hören - setzt sich der Zug in Bewegung. Dafür schrillt das Quietschen der Stahlräder in den Gleiskurven ohrenbetäubend - Ohrschützer haben die erfahrenen Rangierer deshalb stets parat.

ZUM RANGIERLOK FAHREN BRAUCHT MAN DEN EISENBAHN-FÜHRERSCHEIN

Immer am Mann oder an der Frau müssen Johannes und Carmen auch ihre Lizenz für die Schiene tragen. Eine Woche dauert die Qualifikation zum Eisenbahnführerschein Klasse 1, die zu Fahrten von Güterzügen auf Rangiergleisen berechtigt. Die Ausbildung beinhaltet sowohl einen theoretischen als auch einen praktischen Teil. Den Lkw-Führerschein brauchen Carmen und Johannes für ihren Job streng genommen nicht. "Wir gleisen den Mog nur zum Tanken aus und verlassen das Firmengelände so gut wie nie," erklärt Carmen.

Letzteres hat der Zug mittlerweile erreicht. Die Kesselwaggons werden in der Entladezone abgekoppelt. Zusätzlich zu den Zugbremsen legt Carmen aus Sicherheitsgründen sogenannte Hemmschuhe vor die Räder. Dann machen sich die beiden Rangierer wieder auf den Weg oder besser gesagt aufs Gleis. Drei leere Eisenbahnwagen müssen aus dem Werk gezogen werden. Danach warten schon wieder vier mit Zellstoff beladene Schiebewand-Waggons auf dem Rangiergleis: Nachschub für die immerfort "hungrige" Papierfabrik.

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