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Krankmeldung: Bloß nicht "blaumachen"

22.12.2016 08:00 Uhr
Krankmeldung: Bloß nicht "blaumachen"
Häufen sich Krankheitsmeldungen für Einzeltage, kann ein Arbeitgeber misstrauisch werden
© Foto: Fotolia/Alexander Raths

Es schnieft und hustet auf Betriebshöfen, in Hallen und Büros. Wer sich Zuhause auskurieren muss, braucht eine AU-Bescheinigung. Was dabei zu beachten ist - und was der Chef darf, wenn er einer Krankmeldung misstraut.

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Mit der nass-kalten Jahreszeit steigen die Fehlzeiten. Im vergangenen Jahr erreichte der Krankenstand in Deutschland mit 4,1 Prozent einen neuen Spitzenwert. Mehr als die Hälfte der 2,7 Millionen bei der Deutschen Angestellten-Krankenkasse DAK Versicherten war mindestens einmal krankgeschrieben. Laut DAK-Gesundheitsreport blieben Berufstätige im Durchschnitt zwölf Tage der Arbeit fern. Die Branche "Verkehr, Lagerei und Kurierdienste" hat im Vergleich mit 4,7 Prozent den höchsten Krankenstand (siehe Kasten); Beschäftigte im Verkehrsgewerbe waren durchschnittlich an 13,5 Tagen arbeitsunfähig. Welche Rechte und Pflichten bestehen, wenn man als Arbeitnehmer krank wird? Einfach zu Hause zu bleiben, ist nicht drin. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

WELCHE PFLICHTEN HABEN ARBEITNEH-MER, DIE KRANK WERDEN?

Beschäftigte müssen unverzüglich ihren Arbeitgeber informieren, wenn sie sich krank fühlen und der Arbeit fernbleiben. Ruft der Mitarbeiter nicht gleich morgens bei Dienstbeginn im Betrieb an, um sich krankzumelden, verstößt er gegen arbeitsvertragliche Pflichten. Er muss seinem Chef auch mitteilen, wie lange er voraussichtlich ausfällt. Stellt der behandelnde Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) aus und schreibt den Mitarbeiter für einen bestimmten Zeitraum krank, muss der Arbeitgeber auch darüber unverzüglich informiert werden.

Mitarbeiter, die sich nicht unverzüglich krankmelden, darf der Chef abmahnen. Melden sich Beschäftigte wiederholt zu spät oder gar nicht krank und erscheinen nicht zur Arbeit, kann dies eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.

WANN IST DIE ARBEITSUNFÄHIGKEITS-BESCHEINIGUNG VORZULEGEN?

Sind Mitarbeiter länger als drei Tage krank, muss spätestens am Folgetag der ärztliche Krankenschein vorliegen. Diese gesetzliche Frist findet sich in vielen Arbeitsverträgen wieder. Demnach müssten Beschäftigte, die nur ein oder zwei Tage krank sind, noch nicht einmal zum Arzt gehen. Viele Arbeitgeber schreiben daher im Arbeitsvertrag fest, dass der gelbe Schein früher vorzulegen ist. Sehen Sie zur Sicherheit dort nach.

KANN DER ARBEITGEBER SOFORT AUF EINER ÄRZTLICHEN BESCHEINIGUNG BESTEHEN?

Ja, Arbeitgeber dürfen ohne Angabe von Gründen ab dem ersten Krankheitstag eine AU-Bescheinigung verlangen. Das entschied das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 14.11.2012, Az.: 5 AZR 886/11). Im Rahmen seines Direktionsrechts kann der Chef auch anordnen, dass bestimmte Mitarbeiter, die zum Beispiel häufig nur am Freitag oder Montag krank sind, die ärztliche Bescheinigung am ersten Tag vorlegen müssen.

WAS GILT BEI KRANKHEIT IM URLAUB?

Werden Beschäftigte während ihres Urlaubs krank, sollten sie dies ihrem Arbeitgeber anzeigen und eine AU-Bescheinigung des behandelnden Arztes einreichen. Chefs müssen die Urlaubstage gutschreiben. Laut der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (C-350/06 und C-520/06 vom 20.1.1009) dürfen Urlaubstage, die krankheitsbedingt nicht im Urlaubsjahr genommen werden konnten, nicht verfallen. Sie müssen ins folgende Jahr übertragen werden.

MÜSSEN KRANKE MITARBEITER AUSKUNFT ÜBER IHREN GESUNDHEITS-ZUSTAND GEBEN?

Grundsätzlich nein. Die ärztliche Diagnose geht den Arbeitgeber nichts an. Diesbezügliche Nachfragen müssen Mitarbeiter nicht beantworten.

MÜSSEN KRANKE MITARBEITER DAS BETT HÜTEN?

Nein - allerdings ist das ein weitverbreiteter Irrglaube vieler Arbeitgeber. "Krankgeschriebene Mitarbeiter dürfen nur nichts tun, was ihre Genesung behindert oder diese verzögert", klärt Ulrich Rehborn, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Dortmunder Kanzlei Rehborn Rechtsanwälte, auf. Wer fiebert, gehört natürlich ins Bett. Aber mit einem gebrochenen Arm können Mitarbeiter auch ins Kino gehen oder an die Nordsee fahren. "Leidet der Beschäftigte an einer psychischen Erkrankung, darf er sogar Marathon laufen", ergänzt Monika Birnbaum. "Manchmal empfehlen das Ärzte sogar."

DARF DER ARBEITGEBER VERLANGEN, DASS EIN BETRIEBSARZT DIE KRANK-SCHREIBUNG ÜBERPRÜFT?

Nein. Gerichte schenken der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Arztes grundsätzlich Glauben. Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet, sich vom Betriebsarzt untersuchen zu lassen.

WAS DARF DER ARBEITGEBER, WENN ER BEZWEIFELT, DASS MAN KRANK IST?

Dieses Thema ist heikel, denn Richter glauben dem ärztlichen Attest. Liegt der gelbe Schein vor, ist das Fehlen des Mitarbeiters entschuldigt. Häufige Kurzerkrankungen im Anschluss an Urlaubsphasen oder das Wochenende lassen aber Zweifel aufkommen, ob der Beschäftigte wirklich krank ist. Bei begründeten Zweifeln können Arbeitgeber den Medizinischen Dienst der Krankenkassen MDK einschalten. Gründe wären beispielsweise, wenn Mitarbeiter die Krankheit ankündigen, ein Streit mit dem Chef vorausging, der Urlaubsantrag abgelehnt wurde oder Beschäftigte ständig wechselnde AU-Bescheinigungen von verschiedenen Ärzten einreichen. Überzeugt der Arbeitgeber die zuständige Krankenkasse, erhält der Erkrankte eine Aufforderung, sich vom MDK untersuchen zu lassen. "Bei Kurzerkrankungen ist der MDK aber häufig ein zahnloser Tiger", weiß Ulrich Rehborn. Die Erfahrung zeige: "Je näher wir an die Sechs-Wochen-Lohnfortzahlungsgrenze kommen, desto größer ist das Interesse der Krankenkassen, die Arbeitsunfähigkeit zu überprüfen." Erscheint der Kranke nicht zur Untersuchung, kann der Arbeitgeber die Gehaltszahlung einstellen. Klagt der Krankgeschriebene auf Lohnfortzahlung, muss er vor Gericht den Beweis führen, dass er tatsächlich krank ist.

DARF DER CHEF EINEN DETEKTIV BEAUFTRAGEN, UM "BLAUMACHER" ZU ÜBERFÜHREN?

Arbeitgeber dürfen einen vermeintlich kranken Mitarbeiter nur dann von einem Detektiv überwachen lassen, wenn ein begründeter Verdacht auf eine schwere arbeitsvertragliche Pflichtverletzung vorliegt. Es reicht nicht, den Kranken beim Einkaufen im Supermarkt zu sehen oder festzustellen, dass die Folge-Krankschreibungen von anderen Ärzten stammen und immer andere Diagnosen enthalten. Ausreichend wäre aber ein konkreter Hinweis, dass der krankgemeldete Mitarbeiter etwas tut, das seine Genesung behindert, beispielsweise schwer körperlich arbeitet, obwohl er eine Bronchitis auskurieren sollte. Einer Überwachung setzt das Bundesarbeitsgericht enge Grenzen. Die Persönlichkeitsrechte dürfen nicht verletzt werden (BAG-Urteil vom 19.2.2015, Az.: 8 AZR 1007/13). Im Klartext heißt das: Eine Überwachung in der Wohnung ist tabu. Auch Fotos und Videos, die den Verdächtigen im privaten Rahmen zeigen, sind unzulässig.

IST EINE KÜNDIGUNG RECHTENS, WENN EIN MITARBEITER "KRANKFEIERT"?

Ja, denn es handelt sich um Betrug. Kann der Arbeitgeber eindeutig nachweisen, dass der Mitarbeiter trotz Krankschreibung beispielsweise in einem Nebenjob gearbeitet oder Freunden auf der Baustelle geholfen hat, ist eine fristlose Kündigung möglich. Besteht ein Verdacht, weil Kollegen ihn angeblich gesehen haben, wird der Arbeitgeber das Gespräch suchen und den Mitarbeiter abmahnen. Im Wiederholungsfall ist eine Kündigung möglich.

WANN DÜRFEN ARBEITGEBER BESCHÄF-TIGTEN KRANKHEITSBEDINGT KÜNDIGEN?

Die Hürden für eine krankheitsbedingte Kündigung liegen sehr hoch. Nur wenn der Beschäftigte über mehrere Jahre hinweg deutlich länger als sechs Wochen pro Jahr krankgeschrieben oder so schwer erkrankt ist, dass er wahrscheinlich in den nächsten zwei Jahren nicht wiederkommen wird, haben Chefs überhaupt eine rechtliche Handhabe. Es muss für sie unzumutbar sein, den Mitarbeiter weiter zu beschäftigen, weil ihnen zum Beispiel erhebliche Kosten entstehen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Arbeitnehmer wegen seiner Krankheit nicht mehr in den Job zurückkehren kann oder davon auszugehen ist, dass er seine volle Arbeitsfähigkeit nicht in absehbarer Zeit wiedererlangen wird.

WIE IST DAS NACHZUWEISEN?

Der Arbeitgeber muss eine sogenannte negative Zukunftsprognose erstellen. In der Praxis ist es schwierig, diesen Nachweis vor Gericht zu führen. Bei häufigen Kurzerkrankungen gelingt das selten. Wie will ein Arbeitgeber belegen, dass Beschäftigte so krankheitsanfällig sind, dass auch künftig hohe Fehlzeiten zu erwarten sind? "Wenn der Arzt vor Gericht bestätigt, dass alle Krankheiten auskuriert wurden, ist die Kündigung unwirksam", sagt Arbeitsrechtlerin Monika Birnbaum und rät: "Chefs tun gut daran, mit dem Mitarbeiter zu sprechen, bevor sie kündigen". Der Betrieb ist verpflichtet, allen Beschäftigten, die innerhalb eines Jahres mindestens sechs Wochen krank sind, Hilfen anzubieten, um ihnen die Rückkehr an den Arbeitsplatz zu erleichtern. Dieses Betriebliche Eingliederungsmanagement kann vorsehen, dass Betroffene erst einmal stundenweise arbeiten oder an einen anderen Arbeitsplatz versetzt werden. Während der Eingliederungsphase trägt die Krankenkasse den Lohn. Wer kündigt, ohne dem Mitarbeiter Einstiegshilfen zu bieten, verliert vor Gericht. Sigrun an der Heiden

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