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Mercedes: Hilfskonvoi für Syrienflüchtlinge

25.08.2015 08:00 Uhr
Mercedes: Hilfskonvoi für Syrienflüchtlinge
Mercedes-Hilfskonvoi auf dem Weg zum AFAD-Lager
© Foto: Richard Kienberger

Geschätzt zwei Millionen Flüchtlinge spülte der Bürgerkrieg aus Syrien in die Türkei. Eine große Belastung für Land und Leute. Im Sommer ging ein dritter, von Daimler unterstützter Hilfskonvoi in die Region Gaziantep an der türkisch-syrischen Grenze.

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Seit Wochen herrschen schwere Unruhen an der türkischsyrischen Küste. Kaum zwei Wochen, nachdem der "Wings-on-Wheels"-Hilfskonvoi die Region verlassen hatte, starben in der Stadt Suruç 32 Menschen bei einem Selbstmord-Attentat. Der Terror will kein Ende nehmen - schon gar nicht seit der Doppeloffensive des türkischen Präsidenten Erdogan gegen die IS-Schergen und die Kurden.

Das Kriegsgeschehen in Syrien hat für viele Menschen hier schwere ökonomische Folgen. Händlern ist ein Teil ihres Absatzmarktes abhanden gekommen, Taxifahrer stehen vor dem Bankrott, türkische Lkw-Fahrer wagen sich nur noch wenige Meter über die Grenze, um ihre Sattelauflieger an syrische Kollegen zu übergeben.

Wenn man sich der türkischen Stadt Suruç von Süden her nähert, wird die Dimension des Problems plötzlich sichtbar: Was aus der Ferne ein flirrender weißer Fleck war, der ein offener Steinbruch oder ein Industriegelände hätte sein können, entpuppt sich als eine gigantische Zeltstadt. Eine kilometerlange Staubstraße führt an einem Doppelzaun entlang zum Haupteingang dieser seltsamen Siedlung, deren lineares Erscheinungsbild ein wenig an ein Straflager erinnert.

EIN RIESIGES LAGER, IN DEM SICH KINDER VERLAUFEN

Aber es ist eine Bleibe für Menschen, die ihre Heimat aufgeben mussten - vielleicht für immer. 25.000 syrische Flüchtlinge leben in dem Lager, für einige Tausend mehr gibt es noch Plätze. Im Eingangsbereich heult sich ein kleines Mädchen zwischen Wachleuten und Gepäckscannern die Seele aus dem Leib. Ein syrisches Flüchtlingskind, das herzzerreißend weint: Man tippt auf schreckliche Erlebnisse, auf Bilder, die keine Kinderseele verkraftet - doch der Grund ist banaler: Das Mädchen findet in der riesigen Flüchtlingsstadt, in der eine Straße und jedes Zelt aussieht wie das andere, nicht zurück in das Zelt, in dem ihre Familie untergebracht ist. Eine Kennzeichnung, etwa mit Buchstaben oder Tiersymbolen, wären eine simple Lösung, doch es gibt zu viel zu tun, um an so etwas wie "Komfort" zu denken. Die staatliche türkische Hilfsorganisation AFAD, die das Lager betreibt, hat ja nicht nur das eine Camp bei Suruç zu betreuen. Offiziell sind bis heute rund zwei Millionen Syrer in der Türkei gestrandet, de facto sind es viel mehr. Denn Zehntausende, vielleicht sogar eine weitere Million, leben als Illegale im Land, sind bei Verwandten untergeschlüpft oder werden von Türken, bei denen sie als Taglöhner arbeiten, irgendwo versteckt. Weitere, halboffizielle Lager werden im Kurdengebiet von deren Organisationen betrieben. Und auch die offiziell registrierten Migranten stellen das Land am Bosporus vor immense Probleme. Doch die Türkei verwaltet das menschliche Strandgut so effizient wie möglich und zuerst einmal in akkurat ausgerichteten Lagern wie das in Suruç im Süden an der Grenze zu Syrien.

DER DRITTE KONVOI: ALTE FOLIEN, NEUE HILFSGÜTER

Es erfordert einen gigantischen finanziellen und logistischen Aufwand, um diese Camps aufzubauen und auszustatten, und dabei kann die Türkei Hilfe aus dem Ausland gut brauchen. Deshalb entschloss sich die Daimler AG im Sommer, einen dritten Hilfskonvoi in die Türkei zu finanzieren. Wie schon bei den beiden vorangegangenen Konvois im Herbst 2013, übernahm die türkische Spedition Ekol den praktischen Teil des Unternehmens. Die Zugmaschinen kamen von CharterWay, die Ekol-Auflieger waren noch mit den Folien von 2013 beklebt - kein Problem, denn es ging bei der Aktion nicht um eine auf Hochglanz polierte Hülle, sondern um die praktische Hilfe für das europäisch-asiatische Land. Zehn Sattelzüge machten sich diesmal auf den rund 4000 Kilometer langen Weg von Stuttgart nach Gaziantep. Die Ladung bestand aus Kindernahrung, Windeln, Kleidern und Schuhen sowie Decken und Zelten. Die Hilfsgüter waren von der Hilfsorganisation LOG (Luftfahrt ohne Grenzen) gesammelt und konfektioniert worden.

DIE TÜRKEI MUSS MILLIONEN FLÜCHTLINGE VERKRAFTEN

In mitteleuropäischen Ländern wie Deutschland, Italien oder der Schweiz sorgt das Flüchtlingsproblem für erhöhten Blutdruck in der Politik und teils bei der Bevölkerung. Von den Ekol-Fahrern berichten viele, dass auch in ihrem Land die Meinungen auseinander gehen: Ein Teil der türkischen Öffentlichkeit hält sich an das im Koran verankerte Gebot der Mildtätigkeit. Andere sind der Überzeugung, dass es besser wäre, wenn in Syrien selbst eine Pufferzone für Flüchtlinge geschaffen würde. Einige Fahrer ziehen sich auf die islamische Formel "Inshallah" zurück: Was kann man als einfacher Chauffeur schon tun? Es ist Gottes Wille, wir müssen das Beste daraus machen. "Am liebsten wäre es uns, wir könnten einfach in Frieden leben", sagt Adnan Siginc, der Werkstattleiter des Mercedes-Benz-Händlers in Gaziantep.

Was die Türken aber eint, ist ihr Stolz: Sie würden nie um Hilfe bei der Bewältigung des Flüchtlingsstroms betteln. Trotzdem sind die Spenden, die der Konvoi bringt, in den AFAD-Lagern willkommen - es geht um die Versorgung Hunderttausender, von denen viele auf der Flucht nicht viel mehr mitnehmen konnten als das, was sie auf dem Leib trugen. Einen Teil der Hilfsgüter bekommt das International Medical Corps, dessen Mitarbeiter in Syrien arbeiten und sich mit AFAD koordinieren.

DIE AUFLIEGER WERDEN IM NIEMANDSLAND GETAUSCHT

Für die Türkei bedeutet der Konflikt in Syrien nicht nur politische Unsicherheit, sondern auch und spürbare ökonomische Folgen. Ein Taxifahrer aus Kilis sagt uns, er stehe, wie viele Kollegen, nach drei Jahren Krieg kurz vor dem Bankrott. Noch vor zwei Jahren, beim ersten Daimler-Konvoi, stauten sich vor dem Grenzübergang bei Kilis die Lastwagen kilometerlang. Inzwischen wurden zahlreiche aufgeschotterte Parkplätze angelegt, doch nur noch am Straßenrand steht eine Handvoll verstaubter Trucks in der Sommerhitze. "Nach Syrien fährt schon lange kein Türke mehr," sagt Yussuf, der mit seinem TGA vor dem verschlossenen Grenztor parkt: "Das ist viel zu gefährlich geworden." Die Auflieger werden im Niemandsland hinter den türkischen Grenzposten getauscht, dann pendeln Yussuf oder seine Kollegen zurück ins sichere Heimatland.

Einige Lkw sind hoch beladen mit Zementsäcken. Man vermutet nicht, dass in Syrien derzeit gebaut wird - ein Blick über die Grenze reicht, um die Verwüstungen dort zu sehen: Die Grenzstadt Kobane ist nur noch eine Ansammlung von Ruinen. Kilis ist einer der wenigen Übergänge, die zumindest für den "Begegnungsverkehr" noch geöffnet sind. Einige Kilometer weiter östlich, in Karkamis, legen IS-Kämpfer in Sichtweite des türkischen Militärs neben der Straße ein Minenfeld an. Das Tor vor der Zollstation ist verschlossen. Auch die vielen kleinen Übergänge, die früher von lokalen Kaufleuten und Bauern oder für Verwandtschaftsbesuche genutzt wurden, sind unpassierbar. Vom Friedhof von Karkamis aus kann man IS-Leuten beim Ausheben eines Grabens zusehen, der türkische Panzer aufhalten soll.

Ein Bewohner der Stadt berichtet resigniert, dass vielen Händlern im Grenzgebiet der Absatzmarkt weggebrochen ist. Es ist Erntezeit, und von den kleinen Lastwagen, die mit Feldfrüchten beladen werden, oder von den Melonentrucks aus Mersin fährt keiner mehr in Richtung Süden. Es ist fast wie in einer Einbahnstraße - für die Türken wie auch für die Hilfe suchenden syrischen Flüchtlinge, die täglich über die Grenze kommen.

DAIMLER-VORSTAND DR. WOLFGANG BERNHARD

"Überlebenswichtige Fracht"

Für einen Nutzfahrzeughersteller sind Hilfskonvois ein Thema, das in der Regel schnelle, unbürokratische Entscheidungen erfordert: Geht es beispielsweise um Einsätze nach Naturkatastrophen, kann ein Unternehmen professionelle Helfer wie Technische Hilfswerke oder Zivilschutz und in Not geratene Menschen einfach und effektiv unterstützen. Der Bürgerkrieg in Syrien und die damit verbundene Flüchtlingskatastrophe ist ein anderes Beispiel, das aber aufgrund seiner Dimension und Dauer nachhaltigen Einsatz erfordert.

TRUCKER fragte Dr. Wolfgang Bernhard, im Daimler-Vorstand für das weltweite Truck-Geschäft verantwortlich, nach den Gründen, warum sich der Nutzfahrzeughersteller hier engagiert und einen dritten Hilfskonvoi finanziert hat.

"Unsere Lkw von Mercedes-Benz fahren ja unter dem Slogan 'Trucks you can trust'. Nun, auch auf Daimler kann man sich verlassen. Wenn's drauf ankommt, reden wir nicht lange - wir packen an und helfen. Unternehmerisches Handeln und gesellschaftliche Verantwortung gehören für uns zusammen. Das haben wir mit dem dritten Hilfskonvoi an die türkischsyrische Grenze einmal mehr unter Beweis gestellt.

Die Lage der Flüchtlinge in der syrischen Krisenregion ist nach wie vor dramatisch - deshalb engagieren wir uns dort dauerhaft und verlässlich. Im September 2013 hatten wir einen ersten Hilfskonvoi zusammengestellt. Im Dezember 2013 folgte der Konvoi Nummer zwei. Und um den Jahreswechsel 2014/2015 starteten zwei Hilfsflüge. Dabei freut mich ganz besonders, dass nicht nur wir als Unternehmen diese Aktionen unterstützt haben - unsere Mitarbeiter haben sich ebenfalls in hohem Maße engagiert, auch finanziell. Mit diesen Konvois helfen wir den syrischen Flüchtlingen, indem wir unsere Kernkompetenz Transport und Logistik einbringen und dafür sorgen, dass Zelte, Decken, Medikamente oder Windeln genau dorthin gelangen, wo sie dringend benötigt werden. Diese Hilfe kommt zu 100 Prozent an. Die Fracht unserer Trucks ist oft wichtig, bei solchen Hilfsaktionen aber ist sie lebenswichtig, ja, überlebenswichtig. Das Motto unserer Hilfskonvois lautet ja auch "Wings on Wheels - Convoy of Hope".

Ich hoffe sehr, dass wir damit die Not der Flüchtlinge ein wenig mildern können. Dass wir ihren Alltag ein wenig erträglicher machen. Und dass wir ihnen vor allem auch ein wenig Hoffnung spenden. Denn die Weltgemeinschaft hat sie nicht vergessen!"

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TRUCKER – Das Magazin für Lkw-Fahrer im Nah- und Fernverkehr: Der TRUCKER ist eine der führenden Zeitschriften für Lkw-Fahrer und Truck-Fans im deutschsprachigen Raum. Die umfangreichen TRUCKER Testberichte zu LKWs und Nutzfahrzeugen gehören zu den Schwerpunkten der Zeitschrift und gelten als Referenz in der Branche. Der TRUCKER berichtet monatlich über die Themen Test und Technik, Show-Truck, Arbeitsrecht, Service, Unterhaltung.