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Pille-Showtruck: Die Geschichte vom hässlichen Entlein

03.10.2016 08:00 Uhr
Pille-Showtruck: Die Geschichte vom hässlichen Entlein
Der schneeweiße, schwarz akzentierte Volvo zeiht auch wegen der Sprüche die Blicke auf sich
© Foto: Reiner Rosenfeld

Irgendeine Überraschung haben Günter und Ulla Pille immer parat, wenn sie einen Truck stylen. Ihr Neuester ist 17 Jahre alt und ein seltener Hauber.

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Warum bitte kauft ein erfahrener Transportunternehmer einen 17 Jahre alten, "abgefahrenen" Fahrschul-Lkw und integriert ihn in seine moderne Lastwagenflotte? Diese Frage haben sich so einige Menschen im Umfeld von Günter Pille gestellt, als dieser vor einem halben Jahr beim Gebrauchtwagenhändler 18.000 Euro auf den Tisch gelegt und einen beigefarbenen Volvo 420 NH auf den Firmenhof überführt hat.

"Zunächst habe ich tatsächlich nur Kopfschütteln geerntet und ein paar meiner Fahrer wollten sogar kündigen, sollten sie den alten Volvo irgendwann fahren müssen", berichtet Günter Pille lachend, als er dem TRUCKER seinen neuesten Lastwagen vorstellt.

NACH DEM BESUCH BEIM LACKIERER SIEHT DER VOLVO AUS WIE NEU

"Doch seit der Volvo-Hauber nach einem Besuch beim Lackierer in strahlendem Weiß schick wie ein Neufahrzeug auf dem Hof steht, hat sich das geändert!", beendet Günter Pille die Geschichte vom hässlichen Entlein, das sich in einen herrlichen Schwan verwandelt hat. "Jetzt würden die Fahrer den seltenen Langhauber am liebsten gleich vor die Mulde spannen und damit auf Tour gehen", berichtet Günter mit spitzbübischem Lächeln. Doch den Truck, da ist er sich sicher, wird er ausschließlich alleine nutzen. Besonders seit Lackkünstler Roland Just, der seit Jahren Pilles Lastwagen verschönert, in bewährter Manier Airbrushbilder afrikanischer Wildtiere auf dem Volvo verewigt hat. Warum er auch diesmal wieder mit der Lackierpistole Hand anlegen durfte, erklärt Chefin Ulla Pille mit den Worten: "Roland gelingen einfach die lebendigsten Gesichter!"

Besonders eindrucksvoll ist diesmal ein riesiger Gorilla auf der Motorhaube geworden. Schade, dass Bewunderer den mächtigen Menschenaffen nur sehen, wenn die Haube des Volvos für Wartungs- oder Reparaturarbeiten nach vorne geneigt wird. Dafür ist der zähnefletschende Leopard an der Rückwand des vollverkleideten Schweden-Trucks umso besser zu erkennen, wenn Günter Pille seine Mulden durchs Oldenburger Land zieht. "Unglaublich, wie positiv die Menschen auf den Truck reagieren!", berichtet er und erzählt von Fahrzeugen, die ihn auf der Autobahn in gemäßigter Geschwindigkeit überholen, um sich nichts von den Details des heute so seltenen Langhaubers entgehen zu lassen. Einmal habe ihn ein Pkw-Fahrer sogar bis auf das Pille-Firmengelände verfolgt und wollte ihm den neu gestylten Volvo am liebsten direkt vor Ort abkaufen.

Aber grauschwarze Tierbilder ohne zusätzliche Botschaft auf Lack verewigen zu lassen, das ist nicht Günter Pilles Sache. Meist hat er auch ein Anliegen, das er Menschen näherbringen will. Er verzierte den Neuzugang auch diesmal wieder mit sinnigen und provokanten Sprüchen. Der für ihn wichtigste, "Respekt ist und bleibt die wertvollste Währung", steht auch Pate für den Namen des "Respekt-Volvos". In die gleiche Richtung geht "Stärke hat es nicht notwendig, Schwäche auszunutzen!" am Heck. Er symbolisiert, auch wenn Günter das so nicht verstanden wissen will, den Wesenszug der beiden Pilles, die seit Jahrzehnten Menschen und Tieren in Not Hilfe selbstlos angedeihen lassen. Einzig der Spruch "Einen Stern wollte ich nicht!" fällt aus der Reihe der Denkanstöße. "Damit", meint Unternehmer Pille verschmitzt, "will ich einen meiner Fahrer ärgern."

So wurde der jüngste Flottenzugang mal wieder ein echtes Gesamtkunstwerk. Dazu tragen auch die Umbauten bei, die die Firma D&G aus dem benachbarten Vechta nach den Plänen von Günter und Ulla Pille umgesetzt hat. Die Lightbars, Nebelscheinwerfer, Positionsleuchten, die Heckstoßstange mit weißen LED-Lampen und das schwarz lackierte Steinschutzgitter vor der Frontscheibe verleihen dem Volvo ein rundum gelungenes Outfit.

SINGLE-KABINENKONZEPT MIT GROSSEM BETT UND MASSIGER KOMMODE

Dazu passt auch das Innere der Fahrerkabine. Bei deren Umbau musste Günter den Fahrschullastwagen zunächst einmal um vier Sitzplätze erleichtern. Danach durfte ein Schreiner den neu gewonnenen Platz mit großem Bett und Kommode aufwerten. So entstand eine attraktive Single-Kabine mit viel Platz für das Truckerleben. Vielleicht nehmen sich ja große Fahrzeughersteller wie Mercedes oder MAN ein Beispiel an Pilles Entwurf. Denn der sollte sich eigentlich auch in einem Lastfahrzeug ohne lange Motorhaube umsetzen lassen.

Dazu, dass Ruhezeiten in dem alten Fahrzeug zum Vergnügen werden, trägt allerdings auch der wohnliche Mix aus weißem, glänzendem Leder, schwarzen Akzenten und winzigen blauen LEDs am Kabinenhimmel bei. Den durfte wieder der dänische Truckdesigner In-Truck APS gestalten und hat das, wie schon bei anderen Pille-Lastwagen, perfekt bis ins kleinste Edeldetail erledigt. Die Idee, einen vernachlässigten Lastwagenklassiker aufzuhübschen, ist also auch beim Innenausbau voll aufgegangen.

Zu hundert Prozent abgeschlossen ist die Verjüngungskur allerdings noch nicht. Dazu verraten noch zu viele Stellen am Fahrzeug, dass der Schwarzweiße schon ordentlich Jahre auf dem Fahrgestell hat. Auf den zweiten, genauen Blick sind ihm doch Blessuren anzusehen. So verrät mattgraue Patina an Guss- und Metallteilen die 17 Lebensjahre des Holländers. An den rostbraunen Schrauben der Sattelplatte und am Kühlergrill zeigen sich viele winterliche Fahrstunden auf salzbestreuten Straßen. Und am Lenkrad verdeckt ein unförmiger Lederbezug die Spuren, die die schweißnassen Hände unzähliger prüfungsgestresster Fahrschüler hinterlassen haben.

Bis zur kompletten Fertigstellung muss der Volvo-Showtruck allerdings schon kräftig Trailer ziehen. Schließlich soll das Auto Geld verdienen und keinesfalls nur ein Leben als Museums-Schmuckstück fristen. Dass dabei der in die Jahre gekommene Motor auf der Strecke bleiben könnte, darüber macht sich Günter Pille keine Gedanken. "Mit 400.000 Kilometern Laufleistung ist das nicht zu erwarten, auch wenn die im harten Fahrschulbetrieb abgespult wurden!", meint Günter optimistisch.

TROTZ EURO-3-MOTOR IST DER VOLVO WIRTSCHAFTLICH UNTERWEGS

Einziger Nachteil, einen alten Lastwagen in eine moderne Fahrzeugflotte zu integrieren, scheint demnach die Schadstoffnorm zu sein. Weil der Sechszylinder vom Hersteller nur mit Euro 3 geadelt wurde, fällt die Maut deutlich höher aus als beim letzten neu angeschafften Pille-Fahrzeug, einem 530er New Actros. Der hat Euro 6 und kostet auf mautpflichtigen Autobahnen und Landstraßen sechs Cent weniger pro gefahrenem Kilometer. Doch Pille ist zu lange erfolgreich im Transportgeschäft, als sich ein Fahrzeug trotz aller Faszination für schöne Formen und Anwandlungen von Nostalgie unüberlegt anzuschaffen. Er ist sich sicher, den 420er trotz niedriger Schadstoffklasse wirtschaftlich einsetzen zu können. Schließlich sieht er im "Respekt"-Truck keinen jugendlichen Kilometerfresser, sondern eher eine Halbtagskraft, die die Stammfahrer bei der Arbeit unterstützt. So wird er den Schweden überwiegend zum Vorladen, für gelegentliche Begegnungsverkehre oder überraschende Einsätze nutzen.

Dass der Truck Lenk- und Ruhezeiten noch nach alter Väter Sitte via Tachoscheibe aufzeichnet, sieht Pille, der in seinem 15-köpfigen Fahrerteam auf die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten drängt, eher als Nach- denn als Vorteil. Schließlich steigen damit der Verwaltungsaufwand und die Fehleranfälligkeit beim Wechsel zwischen analogen und digitalen Tachoaufzeichnungen. Das gilt auch, wenn der Chef höchstpersönlich beim ehemals hässlichen Entlein in die Lenkradspeichen greift.

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