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Rettungsgasse: Kein Pardon für Blockierer

27.09.2017 08:00 Uhr
Peter Steffen
Hier ist die Rettungsgasse richtig. Allerdings sollte man nicht aussteigen.
© Foto: Peter Steffen/picture-alliance

Weil immer wieder Wege blockiert, Rettungskräfte behindert und Unfallopfer gefilmt werden, will der Gesetzgeber mittels härterer Strafen durchgreifen. Es gibt viele Fragen rund um die Rettungsgasse und das richtige Verhalten am Unfallort. Die wichtigsten Regeln und Neuerungen.

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In letzter Zeit scheint sich das Phänomen zu häufen: Es kracht, Notarzt und Feuerwehr kommen nicht durch, wertvolle Minuten vergehen, ehe bei den Unfallopfern Hilfe ankommt. Beispielhaft zeigen tausendfach geklickte Videos der Feuerwehren Birkenwerder, Oyten oder Pegnitz auf Facebook, womit sie täglich zu kämpfen haben: zu wenig Platz, Fahrzeuge kreuz und quer, Lkw vor oder hinter dem Einsatzfahrzeug, Gaffer.

Ein solches Verhalten ist nicht nur moralisch fragwürdig, sondern wird künftig sogar strafrechtlich verfolgt. "Blockierer" wie "Gaffer" sollen bald härter bestraft werden. Es ist davon auszugehen, dass sich der Bundesrat am 22. September in einer Plenarsitzung über zwei aktuelle Gesetzentwürfe mit verschärften bzw. neuen Strafsätzen beraten wird.

Wir haben die wichtigsten Fragen rund um die Rettungsgassen-Regelung, damit zusammenhängende Ge- und Verbote sowie zu den geplanten Strafverschärfungen für Sie zusammengefasst.

Wann muss eine Rettungsgasse gebildet werden?

Nicht erst, wenn das Martinshorn zu hören und/oder Blaulicht zu sehen ist. Es ist nach § 11 Absatz 2 der Straßenverkehrsordnung ("Besondere Verkehrslagen") bereits bei stockendem Verkehr vorgeschrieben, freie Bahn zu schaffen: "Sobald Fahrzeuge auf Autobahnen sowie auf Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen für eine Richtung mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder sich die Fahrzeuge im Stillstand befinden, müssen diese Fahrzeuge für die Durchfahrt von Polizei- und Hilfsfahrzeugen zwischen dem äußerst linken und dem unmittelbar rechts danebenliegenden Fahrstreifen für eine Richtung eine freie Gasse bilden." Bei Annäherung eines Rückstaus dürfen Sie nicht direkt aufschließen und müssen sich möglichst regelkonform seitlich halten.

Wie bildet man eine Rettungsgasse?

Einspurige Straße: Alle fahren möglichst weit nach rechts.
Zweispurig in eine Richtung: Die Fahrzeuge auf der linken Spur fahren nach links, alle anderen nach rechts.
Drei und mehr Spuren: Fahrzeuge auf der linken Spur nach links, alle anderen nach rechts.

Darf ich auf den Seitenstreifen fahren, um eine Rettungsgasse zu schaffen?

Grundsätzlich nein. Der Seitenstreifen ist nicht Bestandteil der Fahrbahn (§ 2 Abs. 1 StVO), er darf nur bei einer Panne zum Stehen benutzt werden. Er darf nur dann befahren werden, wenn er dafür freigegeben wurde (z. B. durch Zeichen 223.1 oder Digitalanzeige). In diesem Fall darf der Seitenstreifen auch für das Bilden der Rettungsgasse genutzt werden.

Gibt es keine Freischaltung, ist die Standspur tabu. Denn sie darf nach § 35 Absatz 1 StVO von Einsatzfahrzeugen als Fahrspur genutzt werden, wenn höchste Eile geboten ist- etwa wenn die Rettungsgasse nicht funktioniert. Ragen Fahrzeuge rechts in den Seitenstreifen hinein und geschieht ein Unfall mit einem von hinten herannahenden Einsatzfahrzeug wie z. B. der Polizei, so haftet der "Falschausweicher" allein für den Schaden, urteilte das Oberlandesgericht Frankfurt am 14. März 2016 (Aktenzeichen 1 U 248/13).

Im Notfall - zum Beispiel wenn die Rettungsfahrzeuge in der Gasse stecken bleiben - wird ein kurzzeitiges Ausweichen auf den Pannenstreifen, um Platz zu machen, allerdings eventuell nicht zu vermeiden sein.

In Österreich gilt Anderes: Die Asfinag fordert ausdrücklich dazu auf, dass die Fahrzeuge auf der rechten Spur für das Bilden einer Rettungsgasse auch den Pannenstreifen befahren!

Muss man jederzeit jedem Einsatzfahrzeug Vorfahrt gewähren?

Setzt das Fahrzeug blaues Blinklicht zusammen mit dem Martinshorn ein: Ja. Nach § 38 Abs. 1 StVO darf beides zusammen nur verwendet werden, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden, flüchtige Personen zu verfolgen oder bedeutende Sachwerte zu erhalten. In der Verordnung heißt es: "Alle übrigen Verkehrsteilnehmer haben sofort freie Bahn zu schaffen."

Blaues Blinklicht allein darf nur von den damit ausgerüsteten Fahrzeugen und nur zur Warnung an Unfall- oder sonstigen Einsatzstellen, bei Einsatzfahrten oder bei der Begleitung von Fahrzeugen oder von geschlossenen Verbänden verwendet werden. Es mahnt zu gesteigerter Aufmerksamkeit und Vorsicht, gibt dem Verwender aber nicht automatisch ein Vorfahrtsrecht (OLG Celle, Urteil vom 29.9.10, Az.: 14 U 27/10).

Wer darf in der Rettungsgasse fahren?

Alle Fahrzeuge, die blaues Blinklicht und Einsatzhorn einsetzen - wozu sie verpflichtet sind, wenn sie Wegerechte einfordern. In der Regel sind das Notarzt, Krankenwagen, Rettungsdienst, Feuerwehr sowie die Polizei.

Anderen Verkehrsteilnehmern ist das Befahren der Rettungsgasse untersagt, Zuwiderhandlungen stehen unter Strafe (siehe Kasten rechts). Den Rettungsfahrzeugen zu folgen, fällt unter unzulässiges "Rechtsüberholen", was mit 100 Euro Bußgeld sowie einem Punkt geahndet wird.

Müssen die Einsatzkräfte durch die Gasse fahren?

Nein, sie sind nicht dazu verpflichtet, die Rettungsgasse zu benutzen (bestätigt durch ein Urteil des OLG Frankfurt vom 14.3.2016, Az 1 U 248/13). Sie dürfen unabhängig davon ebenso den Seitenstreifen nutzen - häufig bleibt ihnen ohnehin nichts anderes übrig.

Was kostet das Nichtbefolgen der Rettungsgassenpflicht bisher?

Nach §1 Absatz 1 Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) - die bald verschärft werden soll - wird, wer bei stockendem Verkehr auf einer Autobahn oder Außerortsstraße für die Durchfahrt von Polizei- oder Hilfsfahrzeugen keine vorschriftsmäßige Gasse bildet, mit einem Bußgeld von 20 Euro belegt.

Was werden Verstöße in Zukunft kosten?

Derzeit liegt ein geänderter Verordnungsentwurf (Fassung vom 12.7.2017, Drucksache 556/17) vor, mit dem sich der Bundesrat frühestens am 22. September bei der Plenarsitzung befassen könnte. Danach werden für Blockierer mindestens 200 Euro fällig, auch ein Fahrverbot ist möglich (Staffelung siehe Tabelle oben).

Einsatzkräfte wie Feuerwehren sehen allerdings das Problem, dass man der Blockierer während eines Einsatzes kaum habhaft wird. Zeit, um sie zur Rede zu stellen, ist nicht. Manche Feuerwehren machen ein Video, wenn Rettungsgassen nicht ordnungsgemäß gebildet werden. Über den Halter könnten die Fahrer über die Kfz-Kennzeichen dingbar gemacht werden. In einem konkreten Fall Mitte März auf der Autobahn 5 bei Weiterstadt hat die Feuerwehr 30 Autofahrer angezeigt, die die Durchfahrt blockiert sowie die Helfer, die 800 Meter zu Fuß laufen mussten, angepöbelt und ausgelacht hatten. Andere waren den Rettungskräften hinterhergefahren. Mehr als eine Ordnungswidrigkeit (20 Euro Bußgeld) hat man diesen Fahrern laut Presseberichten bislang nicht vorgeworfen.

Darf ich während des Staus auf der Autobahn aussteigen?

Nein. Zu Fuß Gehende dürfen Autobahnen nicht betreten; Kraftfahrstraßen dürfen sie nur an Kreuzungen, Einmündungen oder sonstigen dafür vorgesehenen Stellen überschreiten; sonst ist jedes Betreten verboten (§ 18 Absatz 9 StVO).

Darf "zusammengerückt" werden, wenn die Rettungskräfte durch sind?

Nein. Es können noch weitere Einsatzfahrzeuge wie Polizei oder auch der Abschleppdienst folgen. Erst, wenn der Stau sich auflösen kann, kann die Lücke geschlossen werden.

Wie verhalte ich mich, wenn ich die Unfallstelle erreicht habe?

Sobald der Unfallort erreicht ist - und wenn Sie nicht als Ersthelfer gefordert sind - gilt: Zügig vorbeifahren, nicht abbremsen, damit Auffahrunfälle verhindert und die An- und Abfahrt von Rettungskräften nicht behindert wird.

Stimmt es, dass für Gaffer Gefängnisstrafen geplant sind?

Zunehmend stehen Schaulustige bei schweren Unfällen herum und erschweren oder verhindern in Einzelfällen die Rettung von Verunglückten. Darum soll ein neuer §115 in das Strafgesetzbuch (StGB) aufgenommen werden. Bislang machen sich nur Personen strafbar, die mit Gewalt oder durch die Androhung von Gewalt Rettungsarbeiten behindern. Künftig soll laut dem Gesetzentwurf des Bundesrats vom 17.6.16 (Drucksache 226/16) "mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft werden, wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder eines Rettungsdienstes behindert". Damit würden auch das bloße Sitzen- oder Stehenbleiben oder sonstiges Nichtentfernen von Zugangshindernissen erfasst.

Darf ich den Unfall beim Vorbeifahren fotografieren?

Nein. Ein Smartphone während der Fahrt dafür zu nutzen, ist ohnehin verboten. Wichtig: Wer durch eine Bildaufnahme die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt, verletzt dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person. Dies ist laut § 201 a Strafgesetzbuch eine Straftat, die mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet wird. Smartphone/Fotoapparat etc. können eingezogen werden. Auch die Persönlichkeitsrechte der Helfer vor Ort könnten verletzt werden.

Der Schutz des § 201 a gilt bislang nur für lebende Personen, bemängelt der Bundesrat angesichts der zunehmenden "Gaffer-Mentalität". Im Zuge des aktuellen Gesetzentwurfes soll der strafrechtliche Schutz erweitert werden. Auch das Abbilden von bei Unfällen verstorbenen Personen soll als Straftat gelten. Dabei soll keine Rolle spielen, ob die Aufnahmen zur Veröffentlichung gedacht sind oder nicht. Schon das Aufnehmen der Bilder soll unter Strafe gestellt, Handys/Fotoapparate konfisziert werden dürfen.

Sind Rettungsgassen auch im Ausland Pflicht?

Der ADAC e. V. veröffentlichte folgende Regelungen:

  • Österreich: Pflicht, auf Autobahnen und Schnellstraßen mit zwei und mehr Fahrspuren je Richtung, und zwar bereits bei stockendem Verkehr. Linke Fahrspur links, alle anderen rechts. Strafe bei "Nichtbildung": 726 Euro. Unerlaubtes Befahren der Gasse/ Behindern eines Rettungsfahrzeugs: bis zu 2180 Euro.
  • Frankreich, Spanien, Italien, Niederlande: keine speziellen Vorschriften. Einsatzfahrzeugen muss aber freie Fahrt ermöglicht werden.
  • Schweiz, Slowenien: Auf zweispurigen Straßen Gasse in der Mitte, ab dreispurig wie in Deutschland: linke Spur links, alle anderen rechts.
  • Slowenien: Bei Stau muss für Rettungsfahrzeuge eine Fahrspur frei bleiben. Dabei gelten die gleichen Vorschriften wie in Österreich.
  • Tschechien: Auf Straßen mit zwei Fahrspuren verläuft die Rettungsgasse in der Mitte. Anders als in anderen Ländern: Bei mehrspurigen Richtungsfahrbahnen ist eine Gasse zwischen der mittleren und der rechten Fahrspur zu bilden.

Könnte man das Bilden der Rettungsgasse auf der Autobahn mittels Verkehrszeichen steuern?

Seit Anfang August läuft ein Pilotversuch in Bayern: Zwischen dem Autobahnkreuz München-Süd und der Anschlussstelle Holzkirchen erinnern die digitalen Anzeigen (Foto unten) auf den Schilderbrücken bei stockendem Verkehr und Stau an das Freihalten einer Spur für Einsatzfahrzeuge. Zudem werden an Autobahnbrücken zusätzliche Banner montiert.

§ 11 Absatz 2 StVO

"Sobald Fahrzeuge auf Autobahnen sowie auf Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen für eine Richtung mit Schrittgeschwindigkeit fahren oder sich die Fahrzeuge im Stillstand befinden, müssen diese Fahrzeuge für die Durchfahrt von Polizei- und Hilfsfahrzeugen zwischen dem äußerst linken und dem unmittelbar rechts daneben liegenden Fahrstreifen für eine Richtung eine freie Gasse bilden."

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