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Schlafapnoe: Achtung, Schlafkiller!

14.02.2015 08:00 Uhr
Schlafapnoe: Achtung, Schlafkiller!
Wer Schlafapnoe nicht behandeln lässt, kann sich im Straßenverkehr strafbar machen
© Foto: picture-alliance/dpa/Frso Gentsch

Ab Ende 2015 soll bei Verdacht auf Obstruktive Schlafapnoe die Fahrerlaubnis verweigert werden. Wie man die gefährliche Schlafstörung erkennt.

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Wie haben Sie heute Nacht geschlafen? Fühlen Sie sich ausgeruht? Wenn Sie Lust haben, machen Sie doch einfach einmal den Selbsttest auf der übernächsten Seite. Denn ein gesunder Schlaf ist keine Selbstverständlichkeit. Das kann der Berufskraftfahrer Bernd M.* bestätigen.

Obwohl Bernd jede Nacht bis zu neun Stunden geschlafen hatte, wachte er seit Monaten morgens wie gerädert auf, fühlte sich schlapp und kaputt. Der Schwabe hatte zwar einen etwas zu hohen Blutdruck, aber das schon seit zwanzig Jahren. Er nahm regelmäßig seine Blutdruck senkenden Tabletten.

Eine Langzeitblutdruck-Untersuchung durch den Hausarzt ergab: Nachts steigen Bernds Werte auf bis zu 190/125 mm Hg an - ein gesunder Wert wäre 120/80. Der Körper arbeitete also auf Hochtouren, statt zu relaxen. Dass Bernd stark schnarchte und vor allem, dass es offenbar Atemaussetzer in der Nacht gab, passte ins Bild.

Ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt wurde hinzugezogen. Der führte ein Screening durch - Bernd wurde eine Nacht lang an ein Gerät angeschlossen. Es zeigte sich, dass seine Atmung bis zu 100 Mal pro Nacht aussetzte. Weitere zwei Nächte in einem Schlaflabor brachten die Diagnose: Obstruktive Schlafapnoe (gesprochen: Apno-e, kurz: OSA).

WAS IST OBSTRUKTIVE SCHLAFAPNOE (OSA)?

Bei OSA-Betroffenen erschlafft während des Schlafs die Muskulatur im Mund- und Rachenraum. Zunge und Gaumen "fallen" nach unten und verschließen den Luftweg teilweise oder komplett. Diese Blockierung hat bis zu 100 Atempausen pro Nacht zur Folge.

Wegen der fehlenden Atemluft verringert sich der Sauerstoffgehalt im Blut - und um das aus zugleichen und die Organe zu versorgen, erhöht sich der Pulsschlag. Das wiederum bewirkt einen Weckreiz und in der "halbwachen" Zeit tankt der Betroffene mit der normalen Atmung Sauerstoff nach.

Das nächtliche Pumpen und permanente Luft schnappen ist sehr anstrengend für den Körper und hat eine permanente Tagesmüdigkeit zur Folge. Die Gefahr des Sekundenschlafs steigt. Betroffene berichten von Vergesslichkeit, Nervosität und depressiven Verstimmungen. Zu den körperlichen Folgen zählen Gewichtszunahme, Kopfschmerzen, Schwindelanfälle. Der Blutdruck steigt und damit das Risiko einer Herzschwäche oder eines Schlaganfalls. Als Folgen werden auch Demenz sowie Impotenz genannt.

HÖHERES UNFALLRISIKO BEI OBSTRUKTIVER SCHLAFAPNOE

Die Organisation "HNO-Ärzte im Netz"( www.hno-aerzte-im-netz.de) beschreibt die Folgen in Bezug auf den Straßenverkehr so: "Zahlreiche Erhebungen belegen, dass Menschen mit Schlafapnoe ein doppelt so hohes Unfallrisiko haben wie andere Verkehrsteilnehmer. Die Zahl schwerer Unfälle mit Verletzten ist sogar fünfmal höher. Die extreme Tagesmüdigkeit fordert ihren Tribut. Gerade beim Auto fahren wirkt sich die permanent gestörte Nachtruhe unter anderem durch den gefürchteten Sekundenschlaf und Konzentrationsschwäche gefährlich deutlich aus."

Bei Lkw-Unfällen beruht die Ursache zu 90 % auf menschlichem Versagen, hieß es kürzlich in einer Studie von Volvo-Trucks. An den meisten Unfällen, bei denen ein Lkw-Fahrer verletzt wird, sei ausschließlich das eigene Fahrzeug beteiligt, jedes zweite kommt von der Fahrbahn ab. Laut einem Bericht der Bundesanstalt für Straßenwesen BASt steht etwa ein Drittel aller schweren Lkw-Unfälle mit Müdigkeit bzw. Unaufmerksamkeit am Steuer in Zusammenhang.

EU: DIE FAHRERLAUBNIS KANN ZUNÄCHST VERSAGT WERDEN

Das hohe Risiko für die Straßenverkehrssicherheit hat auch die EU-Kommission beschäftigt. Zum 1. Juli 2014 trat die Änderungs-Richtlinie 2014/85/EU in Kraft. Die alte Richtlinie 2006/125/EG wurde geändert, um sie an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt anzupassen: "Diese Krankheit", heißt es darin, "sollte im Rahmen der EU-Rechtsvorschriften für den Führerschein nicht länger ignoriert werden. Zahlreiche seit kurzem verfügbare Studien und Forschungsarbeiten bestätigen, dass die Obstruktive Schlafapnoe einen der größten Risikofaktoren für Kraftfahrzeugunfälle darstellt."

Anhang III der 125-er Richtlinie wurde dahingehend geändert: "Bewerber oder Fahrzeugführer, bei denen ein Verdacht auf ein mittelschweres oder schweres Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom besteht, werden zur Einholung eines medizinischen Gutachtens an eine anerkannte ärztliche Stelle weiterverwiesen, bevor eine Fahrerlaubnis erteilt oder erneuert wird. Ihnen kann bis zur Bestätigung der Diagnose vom Führen eines Fahrzeugs abgeraten werden." Nur wer seinen Zustand unter Kontrolle habe, eine geeignete Behandlung einhalte und dessen Müdigkeit sich verbessert habe (was durch das Gutachten einer anerkannten ärztlichen Stelle bestätigt wird), könne eine Fahrerlaubnis erteilt bekommen.

Die EU-Mitgliedstaaten müssen bis spätestens 31. Dezember 2015 entsprechende Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen.

Schneller war die Berufsgenossenschaft. Ende 2009 wurde der berufsgenossenschaftliche Grundsatz G 25 um eine Anlage "Schlafapnoe" ergänzt. Der "G 25" ist eine Leitlinie für die allgemeine Untersuchung des Gesundheitszustandes eines Arbeitnehmers, zum Beispiel bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge untersuchung für Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten. Sie beinhaltet schon die Prüfung, ob ein persönliches Risiko für Schlafstörungen gegeben scheint oder ob gar schon eine Tagesschläfrigkeit vorliegt. Nur: Es handelt sich hier, wie der Name schon sagt, um eine Vorsorgeuntersuchung. Sie ist freiwilliger Natur. Der G 25 ist keine Rechtsnorm, sondern eine Empfehlung - außer, das Unternehmen ist verpflichtet, für bestimmte Fahrtätigkeiten nur geeignetes Personal einzusetzen. "Leider", sagt Apnoe-Experte Dieter Wahl (Interview links) dazu, "ist der G 25 nur eine Empfehlung. Geht es aber hart auf hart nach einem Unfall vor Gericht, wird er vielfach wie geschriebenes Recht angewandt!".

KANN MAN MIT EINER OSA ÜBERHAUPT NOCH FAHREN?

Ob jemand zum Führen eines Kraftfahrzeugs geeignet ist oder nicht, regelt die Fahrerlaubnisverordnung (FeV), Anlage 4. Hier steht etwa, ob und unter welchen Auflagen ein Diabetiker, Nierenkranker oder Herzinfarkt-Patient ans Steuer darf. Punkt 4.5 verwehrt eine Eignung bei "Herzleistungsschwäche durch ... oder sonstige Ursachen, in Ruhe auftretend". Die Obstruktive Schlaf- apnoe könnte eine solche Ursache sein: Sie schwächt das Herz. Wer die Krankheit ignoriert und kein ärztliches Gutachten für seine Fahrtauglichkeit hat, macht sich möglicherweise schon jetzt strafbar. Von einer Schlafapnoe sind grob geschätzt rund 3 bis 6 % der Bevölkerung betroffen, viele, ohne das zu wissen. Mit höherem Lebensalter steigt das Risiko, weitere begünstigende Faktoren sind:

  • starkes Übergewicht
  • erbliche Vorbelastung
  • schlafen in Rückenlage
  • rauchen
  • regelmäßige Einnahme Schlaf- und Beruhigungsmittel (können die Atemtätigkeit hemmen)
  • abendlicher Alkoholgenuss
  • sehr üppige Mahlzeiten abends.

Das Heidelberger Schlaflabor schätzt die Häufigkeit der OSA bei Männern noch höher, und zwar auf einen Anteil zwischen 15 und 19 Prozent - also jeden fünften bis siebten Mann! Damit gehöre die Obstruktive Schlafapnoe "zu den häufigsten Volkskrankheiten wie etwa Asthma, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes". Bei Lkw-Fahrern, schätzt Dieter Wahl vom Bundesverband Schlafapnoe und Schlafstörungen BSD, "kann man von rund 15 bis 20 Prozent Betroffener ausgehen, hier ist die Häufigkeit etwa doppelt so hoch."

Gegen die Obstruktive Schlafapnoe gibt es viele erprobte wirksame Mittel - ob es eine Biss-Schiene oder die Überdruckbeatmung mit einer CPAP-Maske sind, die man nachts trägt. Die Lebensqualität steigt damit auf das fast normale Maß, der Schlaf ist so erholsam wie er sein sollte. Gefährlich wird es dann, wenn die Schlafapnoe unbemerkt bleibt oder bemerkt wurde und nicht behandelt wird.

DER TAGESSCHLÄFRIGKEIT AUF DIE SPUR KOMMEN

Für eine erste Einschätzung, ob bei jemandem Tagesschläfrigkeit ein Problem ist, befragt der Arzt den zu Untersuchenden zu seinem Schlafverhalten ("Anamnese") und lässt ihn einen Fragebogen ausfüllen, den so genannten ESS-Fragebogen (Epworth Sleepiness Scale, s. rechts). Eine Diagnose wird der Betriebs- oder Hausarzt nicht stellen, und das kann auch kein Laie, der im Fragebogen viele Punkte hat. Dazu bedarf es einer schlafmedizinischen Diagnostik, die zeitnah erfolgen muss. Schlaflabore, Selbsthilfegruppen und Verbände bieten viele Informationen zum Thema sowie weitere Online-Selbsttests (Adressen rechts). Allen Berufskraftfahrern sei ans Herz gelegt: Unterschätzen Sie Schlafprobleme nicht, sich selbst, aber auch anderen zuliebe. Gehen Sie kein vermeidbares Risiko ein.

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