-- Anzeige --

Stühlerücken in der Mittelklasse

08.04.2008 23:12 Uhr
Stühlerücken in der Mittelklasse

Der neue Fiat Scudo will den Klassenkameraden einige Kunden abjagen. Im 2,8-Tonner-Vergleich trifft er auf vor allem motorisch erneuerte, etablierte Konkurrenz im 100-120-PS-Revier. Nur der Platzhirsch VW T5 stellt sich fast unverändert – und muss tatsächlich ein paar Federn lassen.

-- Anzeige --

Tief gegen hoch könnte das neue Motto bei den 2,8-Tonnern lauten: Der neue Fiat Scudo stammt von einer Großraumlimousine ab. Auch der Mercedes Vito macht als Viano auf Van. Beide passen gerade noch in Tiefgaragen mit 1,90 Meter Innenhöhe. Hier müssen die klassisch als Nutzfahrzeug ausgelegten Transporter VW T5, Opel Vivaro und Toyota Hiace passen. Keine Vorteile haben die „Flachmänner“ dafür in der Länge oder beim Ladevolumen. Hier legt der VW satte 5,8 Kubikmeter Volumen vor, fast 2,6 Meter Länge und 1,69 Meter Breite. Dazu kommen breite Schiebetüren und große Flügelportale heckseits – leider wie beim Vito aufpreispflichtig. Da kann nur der Opel mithalten. Er bietet auf 4,78 Meter Außenlänge fünf Kubikmeter Volumen. Fiat reklamiert zwar auch fünf Kubikmeter, doch wo die stecken, fragt man sich in Anbetracht von schlappen 2,25 Meter Ladelänge und schmalen 1,56 Meter Breite. Sauberes Abrollen Toyota und Mercedes kommen dagegen erst als Streckversionen auf brauchbare Ladelängen und -volumen. In Fahrt zeigt der Scudo, wie PKW-artig sich ein 2,8-Tonner mittlerweile fahren lässt. Das auch bei Querfugen oder Kanaldeckeln saubere Abrollen und die satte Straßenlage setzen im Transporterbereich neue Maßstäbe. Die Karosseriesteifigkeit trägt ihren Teil zum kompakten Fahrgefühl bei, ebenso wie die exakte Lenkung. Dazu kommen bestens dosierbare und kräftig zupackende Bremsen. Knapp dahinter punktet der aufwändig konstruierte T5 mit tollem Komfort und exaktem Handling. Doch bei tieferen Löchern neigt er schon mal zum Poltern und die großflächige Karosserie gerät in leichte Unruhe. Der straffe Opel wirkt subjektiv fast fester und filtert Schlaglöcher gut weg. Bei ihm stört die künstliche Lenkung. Sehr direkt reagiert die Vito-Steuerung. Der Hecktriebler geht gut in die Kurven und entfaltet für einen Kastenwagen ungeahnte Dynamik. Lange Wellen federt er weich weg, kurze Stöße quittiert er aber weiter mit Poltern. Bei den Bremsen liegen VW, Opel und Mercedes auf ähnlich hohem Niveau – beim VW lassen sie sich am besten dosieren. Bei allen Dreien ist das ESP weit gehend arbeitslos. In Serie greift der Kurvenanker nur beim Vito, mittlerweile auch bei VW, jeweils adaptiv, ein. Der Toyota fährt sich wie aus einer anderen Welt: Ein riesiger Wendekreis und das große Lankrad machen ihn unhandlich. Zudem scharrt er, erst recht ohne die 700 Kilo Testballast, schnell mit den Hinterhufen und wischt mit dem Heck weg. ASR oder gar ESP gibt es nicht. Immerhin: Die Bremsen (ABS Serie) machen keinen üblen Eindruck – obwohl hinten Trommeln arbeiten. Punkten kann er eher beim Antrieb, wo sein kräftiger, lausig gedämmter und lauter 2,5-Liter- Common-Rail-Motor den temperamentvollsten Antritt bietet. Anfahrschwäche der Europäer Die Europäer quält alle eine spürbare Anfahrschwäche. Am tiefsten stürzt der Vito nach dem Schließen der schwergängigen Kupplung ins Leistungsloch. Wie überhaupt das um piezogeregelte CR-Einspritzung ergänzte Aggregat aus dem Drehzahlkeller müde wirkt, erst beim Ausdrehen Spritzigkeit enfaltet. Da ist Schalten angesagt, wobei das Sortieren der sechs Gänge mit dem knochig-hakelig geführten Knauf nicht immer leichtfällt. Auch dringt beim Gangwechsel manches metallische Knacken aus dem Triebstrang. Innen herrscht jetzt dafür Ruhe, den T5 hat der Vito damit abgehängt. Dessen grobschlächtig nagelnder TDI-Motor röhrt beim Hochdrehen laut und kann auch leistungsmäßig nicht recht überzeugen. Man muss die fünf Gänge eifrig schalten, um halbwegs mitzuhalten. Kein Vergleich zu den seidenweichen und brummfrei von unten anschiebenden Maschinen von Fiat (PSA) und Opel (Renault). Der Vivaro holt enorm viel Kraft aus zwei Liter Hubraum und liegt bei Beschleunigung und Elastizität mit dem Toyota in Front. Scudo und Vivaro verfügen über einen langen Sechsten, der sie zu exzellenten Langstrecken-Frachtern adelt. Heikel wird es beim Thema Nutzlast, zumal einige Test-Autos nur als Kombi verfügbar waren. Schwerere Modelle gleichen dies teils durch höhere Gesamtgewichte aus. In Realität tut sich der Scudo mit der klassenüblichen Tonne am leichtesten. Der verglaste und großzügig ausgestattete Kombi etwa brachte abzüglich der 700 Kilo Testfracht nur 1,9 Tonnen leer auf die Hauswaage, die Kastenversion wiegt 110 Kilo weniger. Der Opel kommt als Kombi auf 1960, als Kasten auf 1820 Kilo, der lange Hiace-Kasten wiegt 1940 kg und ist als 3,0-Tonner zugelassen. Der VW-Kasten-Testwagen wog üppige 1980 Kilo – in vergangenen Tests rangierte er allenfalls 60 Kilo über dem Opel. Der als Einziger offiziell nach Euro-NCAP hochcrashsichere Vito (4 Sterne) kommt auf 2060 Kilo, der Kastenwagen wiegt etwa 120 Kilo weniger. Eine Tonne bietet erst der aufgelastete 2,9-Tonner (465 Euro). Beim Verbrauch setzte sich der VW-TDI-Motor mit Pumpe-Düse knapp an die Spitze: 7,7 l/100 km sind ein klasse Wert, allerdings mit mäßigem Temperament erkauft. Schlusslicht war der Toyota, der aber mit 8,7 l/100 km auch noch im Rahmen blieb. Größer sind die Unterschiede bei den Listenpreisen. Die Spitze markiert der top ausgestattete Vito (L2 23.420 Euro). Ihm folgt der 1000 Euro günstigere, aber bis auf ESP karge VW. 2500 Euro billiger bietet Opel den Vivaro an. 19.663 Euro möchte Toyota für den schlichten, aber mit umfangreicher Garantie versehenen Hiace. Am günstigsten ist der Scudo (19.500 Euro). Dabei ist der Italiener bis auf ESP und Trennwand gut ausgestattet. Zusammen mit dem kompakten Fahrgefühl ein starkes Argument des Neueinsteigers, der sich seinen Platz im Segment erkämpfen wird. (jr) VerkehrsRundschau.de Online-Tipp: Zahlreiche Bilder vom 2,8-Tonner-Vergleich haben wir für Sie unten auf dieser Seite in einer Bildergalerie zusammengestellt. Weitere Informationen zum Thema sowie umfassende Übersichten finden Sie in der VerkehrsRundschau 25 vom 22. Juni 2007.

-- Anzeige --
-- Anzeige --
-- Anzeige --

WEITERLESEN




NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


TRUCKER – Das Magazin für Lkw-Fahrer im Nah- und Fernverkehr: Der TRUCKER ist eine der führenden Zeitschriften für Lkw-Fahrer und Truck-Fans im deutschsprachigen Raum. Die umfangreichen TRUCKER Testberichte zu LKWs und Nutzfahrzeugen gehören zu den Schwerpunkten der Zeitschrift und gelten als Referenz in der Branche. Der TRUCKER berichtet monatlich über die Themen Test und Technik, Show-Truck, Arbeitsrecht, Service, Unterhaltung.