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Supertest Volvo FM: Der Kleine fürs Große

16.11.2014 08:00 Uhr
Supertest Volvo FM: Der Kleine fürs Große
Im Verteilerverkehr macht der Volvo FM eine gute Figur
© Foto: Karel Sefrna

Im Verteilerverkehr macht der Volvo FM eine gute Figur. Ob er nach der Modellpflege auch für die Ferne taugt, zeigt der Test.

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Während Volvo den FH neu auf Kiel legte, musste sich der der FM mit einem Facelift begnügen. Außen wurde er optisch dem großen Bruder angepasst. Auch innen finden sich zahlreiche Details, die Anklang an der schweren Klasse nehmen. Die Ähnlichkeit verleitet Unternehmer, den leichteren und billigeren FM im Fernverkehr einzusetzen. Im Test muss der FM 450 Globetrotter zeigen, ob das passt.

Bereits der Einstieg ins tief auf dem Rahmen sitzende Fahrerhaus gestaltet sich fahrerfreundlich. Eine geeignete Sitzposition zu finden, ist dagegen für Fahrer über 1,80 nicht so einfach. Je nach Proportion fehlt es an Längsverstellbarkeit des Sitzes. Die Lenkradverstellung via Fußpedal darf dagegen weiterhin als vorbildlich gelten - einfach zu handhaben mit sehr großem Verstellbereich. Wegen des hohen Motortunnels mag im FM nicht das aus dem FH bekannte großzügige Raumgefühl aufkommen. Echte Stehhöhe gibt es nur vor dem Beifahrersitz - da hilft auch das inzwischen optional lieferbare Globetrotter XL-Fahrerhaus mit etwas mehr "Kopffreiheit" nicht wirklich weiter.

DER ELFLITER STARTET NACH EINEM DREH AM ZÜNDSCHLÜSSEL

Volvo verzichtet auf Gimmicks wie einen Starterknopf. Der Elfliter-Reihensechszylinder wird traditionell über Schlüssel gestartet. Grundsätzlich läuft er leise, erreicht aber auch in diesem Punkt nicht das Niveau des großen Bruders FH. Vom geringeren Hubraum merkt der Fahrer - speziell in der 450-PS-Version - indes wenig. Der D11K hängt gut am Gas, zeigt sich Volvotypisch kraftvoll schon ab gut 950 Touren und die automatisierte Schaltung hält ihn stets im grünen Bereich, wo er sparsam und dennoch schwungvoll läuft. Auch mit zwei Liter weniger Hubraum als im FH-Antrieb kommt kein Gefühl von Leistungsmangel auf und die Welle des Drehmoments (max. 2150 Newtonmeter) ist hoch genug, um schön darauf surfen zu können.

Tatsächlich fragt man sich, warum die Schweden den kleinen Kraftprotz nicht im FH anbieten. Dem würde das niedrigere Gewicht gut tun. Wogegen der FM im Vergleich trotz des Elfliter-Motors kein Leichtgewicht ist. Wie nicht anders zu erwarten, glänzt die automatisierte I-Shift-Schaltung mit schnellen, komfortablen Schaltwechseln und passabler Schaltstrategie (mehr dazu im Kasten auf S. 24).

Grundsätzlich hinterlässt der FM beim Fahren einen guten Eindruck. Er ist, man kann es am besten so bezeichnen, "erdverbundener" als der FH. Statt obenauf zu thronen, fühlt sich der Fahrer mehr mit seinem LKW verbunden. Ein wenig entrückt wirkt nur die extrem leichtgängige Lenkung. Dynamic-Steering nennt Volvo die Lenkkraftunterstützung im Stile eines amerikanischen Straßenkreuzers. Sie mag im Verteilerverkehr ihre Berechtigung haben. Auf der Autobahn mit hohem Tempo würden wir uns weniger Unterstützung und mehr Direktheit wünschen. Allerdings muss man dem System in jedem Fall zu Gute halten, dass es selbst den Einfluss schlechtester Straßen vom Lenkrad fernhält.

Von der Federung kann man das nicht behaupten. Vor allem auf der Teilbeladungsrunde teilt die Hinterhand kräftige Schläge aus. Nur dank der sehr guten Sitzfederung kommt davon wenig im Rücken des Fahrers an. Ausgeladen zeigt der mittelschwere Schwede dagegen einen ausgewogenen Fahrkomfort und eine Auslegung, die man im Fernverkehr erwartet.

Bei den Bremsen, seit jeher eine Domäne der Schweden, gibt sich der FM kein Blöße. Nach dem Umsatteln stellt sich das elektronische Bremssystem rasch auf die neue Situation ein. Die Ansprechzeit der Stopper ist extrem kurz, das Pedal lässt sich sehr gut dosieren. Zum wiederholten Mal müssen wir dagegen die Philosophie von Volvo kritisieren, auf eine starke Motorbremse statt Retarder zu setzen. Auf der mittelschweren TRUCKER-Testrunde reicht die starke Ventilbremse zwar aus und es bedarf nur weniger Beibremsungen. Allerdings bringen die häufigen Rückschaltungen auf den zehnten Gang - und die braucht das System, um ordentlich zu verzögern - jede Menge Lärm in die FM-Kabine. Und wenn die Strecke anspruchsvoller wird, ist der Retarder in punkto Fahrkomfort und Sicherheit eben nicht zu überbieten.

WENN KRAFTSTOFF SPAREN ILLEGAL WIRD, IST SCHLUSS MIT LUSTIG

Absolut fragwürdig ist die Fahrstrategie im höchsten Level "Eco" des vorkonfektionierten I-See-Tempomaten. Die gute Nachricht: Der von Volvo entwickelte GPS-Tempomat arbeitet inzwischen mit rund 95 Prozent Streckenabdeckung. Echt schlecht ist im Level 3, dass der Zug im Bestreben nach maximaler Kraftstoffersparnis bei gesetzten 85 km/h mit deutlich über 90 km/h ins Tal schießt. Trotz Vorwarnung im Display brachte das während der 350 km Testfahrt vier Geschwindigkeitsüberschreitungen ein. Das ist unverantwortlich, gefährlich und widerspricht jeglicher Gesetzgebung! MAN zeigt, dass man solche Systeme so auslegen kann, dass sie nach 50 Sekunden automatisch auf 90 km/h verzögern, um den Fahrer aus der Schusslinie zu nehmen ...

Das Bedienkonzept im Volvo FM entspricht weitgehend dem großen FH. Das auf den ersten Blick überfrachtet wirkende Multifunktionslenkrad erschließt sich nach kurzer Erklärung durch den Werksfahrer - oder alternativ einen intensiveren Blick in die Bedienungsanleitung. Damit hat der Fahrer sowohl wichtige Fahrfunktionen wie Tempomat, Eco-Level, Bremsomatfunktion etc., als auch Telefon und Radio im Griff, ohne die Hände vom Volant nehmen zu müssen. Gut gefällt das bereits vom Vorgänger bekannte, individuell einstellbare Zentraldisplay. Da kann sich der Fahrer drei Anzeigen vorkonfektionieren, die er für wichtig hält. Ein rechts angeordneter LCD-Bildschirm offeriert dann die Anzeigen der so genannten sekundären Funktionen, wie Navi, Dynafleet oder die Bilder eventuell installierter Kameras.

Die Bedienung der Motorbremse hat Volvo ebenfalls optimiert. An oberster Raste findet sich jetzt die Automatik-Funktion, die Eco-Roll aktiviert und die Zusatzbremse(n) zusteuert, sobald der Fahrer aufs Bremspedal tritt. Ein zusätzlicher Knopf am Hebelende setzt die maximale Motorbremsleistung frei, indem das System sofort in Stufe drei schaltet und den Gang mit der maximal möglichen Drehzahl einlegt. Das ist ein deutlicher Komfortgewinn gegenüber früher.

Im Hinblick auf Sitzkomfort oder Innenraumklimatisierung sind die Abstriche gegenüber dem FH minimal oder gar nicht vorhanden. Trotz seiner Kompaktheit ist der FM allerdings nicht wirklich übersichtlicher. Vor allem den eventuell mitfahrenden Beifahrer stört der Frontspiegel mitten im Sichtfeld. Mit den optional vom FH stammenden, filigraneren Spiegeln ist der Blick nach vorne besser. Speziell in Kreisverkehren bleiben PKW, vor allem aber Fahrrad-, Roller- oder Motorradfahrer, im Sichtfeld. Was die Fahrerassistenzsysteme betrifft, lässt sich der FM auf ein ähnlich hohes Niveau bringen wie der größere FH. Das heißt Notbremsassistent, Spurbindung und Abstandstempomat sind verfügbar. Zusätzlich gibt es den aus dem größeren Modell bekannten Spurwechselassistenten, der vor Fahrzeugen im toten Winkel warnt. Aktuell ist die so genannte Streckbremse aus dem FH nicht verfügbar, die speziell im Winter für mehr Sicherheit vor allem bei Anhängerkombinationen sorgen soll. Laut Volvo ist das System aber demnächst erhältlich.

Während der zweitägigen Testfahrten zeigten sich die elektronischen Assistenten von hoher Qualität. Der Abstandstempomat regelt akkurat. Was ihm fehlt, ist eine Geschwindigkeitsanzeige des vorausfahrenden Fahrzeugs à la Mercedes Actros. Dann könnte der FM-Fahrer noch vorausschauender fahren. ESP regelt spät und bremst sanft ein, wenn es eng wird - eine angenehme Charakteristik. Auch den Spurwechsel-Assistenten weiß sicher jeder Vielfahrer zu schätzen. Demnächst kommt noch ein Abbiegeassistent, der Radfahrer und Fußgänger in der Stadt realisiert. Volvo wird also auch in der kleineren Baureihe seinem Ruf als Sicherheits-Verfechter gerecht.

Bleibt am Ende die eingangs gestellte Frage zu klären, ob der FM mit der Modellpflege nun ein echtes Fernverkehrsauto geworden ist oder nicht. Der Elfliter mit 450 PS ist auf jeden Fall ausreichend! Ansonsten bekommt diese Antwort nur, wer den FM bestimmungsgemäß einsetzt. Wie die Facebook-Kommentare unserer Leser zeigen, ist er ein prima Auto für den nationalen Einsatz, mit ein, zwei Übernachtungen. Für alles andere muss der FH her!

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