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Vergleichstest: Iveco Stralis 480 gegen Renault T 460

10.09.2015 08:00 Uhr
Vergleichstest: Iveco Stralis 480 gegen Renault T 460
Im Test: Renault T versus Iveco Stralis
© Foto: Karel Sefrna

Italien gegen Frankreich, neues Modell trifft auf etablierte Größe. Stralis versus "T", wer hat wohl die Nase vorne beim Kampf der Südländer?

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Eigentlich sucht man bei Vergleichstests nach dem großen Unterschied. Der liegt im Falle von Renault und Iveco im Entwicklungsjahr. Der Franzose ist das jüngste Truck-Modell am Markt, der Italiener ein etablierter Langläufer.

Ein Blick auf die Motoren offenbart Gleichklang. Der Franzose kommt auf 10,8, der Italiener seit seiner Überarbeitung auf 11,1 Liter Hubraum. Bei der Abgasnachbehandlung propagiert Iveco "SCR only", Renault ist mit der ungekühlten Abgasrückführung zur Anhebung der Abgastemperatur davon nicht allzu weit weg.

20 PFERDESTÄRKEN UND 10 NM MACHEN DEN UNTERSCHIED

480 Pferdestärken stellt der stärkste Cursor 11 bereit. Er ist mit 2250 Nm kein Drehmoment-Spitzenreiter - ebenso wenig wie das 460 PS-Aggregat im Renault, mit 2240 Nm auch in dem Bereich noch ein wenig schwächer. Faktisch fahren sich beide Motoren geschmeidig und kommen auch mit 40 Tonnen gut zurecht.

Um die Stärken beider Antriebe herauszuarbeiten, fuhren wir den Test mit einem 32 Tonnen schweren Trailer sowie mit "nur" 16 Tonnen auf der Sattelplatte. Das auch vor dem Hintergrund, dass die "kleinen" Motoren eher im Teillastbereich zu Hause sind. Mit dem leichten Trailer zeigt sich der Dieselkonsum beider Kontrahenten auf absolut identischem Niveau. Mit Volllast genehmigt sich der Stralis einen guten Liter mehr, liegt dafür trotz SCR-only-System mit einem anteiligen AdBlue-Verbrauch von 7,4 Prozent sogar etwas niedriger als der T (8,0 Prozent).

Bei beiden Motoren vermisst man nur selten mehr Hubraum. Der Stralis fährt sich gut. Der VGT-Lader fördert ab etwa 950 Touren ordentlich Sauerstoff in die Brennräume. Und braucht, trotz kleinem Hubraum, keine hohen Drehzahlen. Der Renault-Antrieb tritt etwas weniger spontan an. Subjektiv steht vergleichbare Leistung 50 bis 100 Touren später an. Trotzdem muss der Fahrer für flottes Vorankommen den grünen Bereich nie verlassen.

Beim 480er setzt Iveco auf die bekannte Schaltstrategie. Beim Beschleunigen überspringt die AS-Tronic in der kleinen Gruppe die "überflüssigen" Schaltstufen und dreht auch mal über den grünen Bereich hinaus. In der großen Gruppe geht sie stets bis zum Ende des grünen Bereichs (1500 Touren) und schaltet Gang für Gang. Der starke 480er könnte aber auch hier Schaltstufen überspringen. Gelungen präsentiert sich "Speed-Shift", beschleunigte Gangwechsel in den Schaltstufen 10, 11 und 12. Rückschaltungen am Berg laufen schnell und fast ohne Zugkraftunterbrechungen ab. Generell schaltet das automatisierte Getriebe auch in diesen Fällen zu viel und sollte sich öfter auf die Drehmomentreserven des Cursor 11 verlassen.

Die Schaltbox des Renault kann sich keine echten Vorteile erarbeiten. Die Schaltstrategie des Franzosen ist ganz aufs Sparen ausgelegt. So "springt" Optidriver auch im T nur in den ersten sechs Gängen. Im Vergleich mit dem Volvo FH, aus dem sie stammt, zeigt sich, dass die Renault-Schaltbox die Gänge nicht ganz so perfekt sortiert. Ab und an legt sie den weniger passenden Gang ein, schaltet am Berg zu spät runter, an der Kuppe zu spät hoch, im Bremstempomatbetrieb dann wieder zu wenig weit herunter. Auch die Eco-Roll-Funktion ist noch nicht perfekt - was für beide Trucks gilt. Und warum die Franzosen den langen vierten Rückwärtsgang sperren, bleibt ihr Geheimnis. Zudem lässt sich die schnelle Reversierstufe nur im Stand einlegen, während man R1 und R2 beim Fahren wechseln kann.

Was beiden Fahrzeugen ebenfalls bislang noch fehlt, ist ein GPS-Tempomat, der wohl im Herbst kommen wird. Auch verfügen beide noch nicht über den ab November vorgeschriebenen Notbremsassistenten.

Fahrwerks- und Lenkungsabstimmung sind beim Stralis gelungen. Die Federung beider Achsen, wie auch die Kombination aus Achsund Fahrerhausfederung, zeigt sich geschmeidig. Mit einer direkten, aber ausreichend leichtgängigen und gut definierten Lenkung setzt der Stralis in dem Kapitel Maßstäbe. Da hat der Renault noch Nachholbedarf. Seine Lenkung gibt sich indifferent um die Mittellage. Die Kabine wankt in Kurven. Nicken beim Bremsen gibt's zwar nicht, aber die Hinterachse ist selbst voll beladen hart. Unsere Empfehlung tendiert deshalb klar zur aufpreispflichtigen Komfort-lagerung des Fahrerhauses.

DER "ALTE" KANN DURCHAUS VORTEILE IM INTERIEUR FÜR SICH VERBUCHEN

Das altbackene Design des Stralis hat durchaus Vorteile: Der Italiener präsentiert sich übersichtlich und offeriert im Gegensatz zum T eine elektrische Verstellung aller Außenspiegel. Leider sind die Spiegel klein und bieten kein besonders großes Sichtfeld. Dafür lässt sich zwischen Gehäuse und A-Säule durchpeilen, was die Durchsicht verbessert. Ganz anders im Franzosen, der nach hinten ein gutes Sichtfeld bietet, dessen Spiegelgehäuse aber so massig ausfallen, dass schon mal ein Pkw dahinter verschwindet.

Die Kabinen bieten beide rund 1000 Liter Stauraum. Doch für beide gilt, dass er - mit Ausnahme der riesigen Staukiste unter dem Bett des Renault - kaum vernünftig nutzbar ist. Die Idee, die Außenstaufächer in einen Bereich für Werkzeug und persönliche Habe zu trennen, ist gut. Allerdings fallen beim Iveco die Fächer klein aus und haben winzige Klappen.

Wegen des an der Rückwand anklappbaren Bettes und des generell luftigeren Kabinenlayouts bietet der Stralis das bessere Raumgefühl. Die pfiffigeren und moderneren Ideen zeigt naturgemäß der Franzose. Dazu gehört das zur Ablage umbaubare obere Bett, individuell positionierbare Schalter, etwas mehr Steckdosen, ein Luftanschluss oder auch die Lenkradverstellung mit Doppelgelenk.

Beim Bedienkonzept weisen beide ihre Eigenheiten auf: So etwa die Funktionalität der Schaltung, die beim T komplett anders ausfällt, als bei jedem anderen Lkw. Oder die ungünstig platzierten Taster des Stralis zur Gangwahl. Ein digitaler Tacho hüben (T) oder ein unübersichtliches Farbdisplay drüben (Stralis) dokumentieren ebenfalls Individualität. Zumindest punktet der Renault mit der Konzentration aller wichtigen Funktionen aufs Multifunktionslenkrad. Das allerdings sollte sich der T-Fahrer vorher mal erklären lassen. Am Fehlen eines entsprechend sinnvollen Bedienkonzeptes zeigt sich, dass der Iveco langsam in die Jahre kommt. Mithalten kann er aber durchaus noch. GG

TRUCKER-FAZIT

Es ist Zeit, Vorurteile zu revidieren

Der Iveco muss sich oft als Pizzablech verunglimpfen lassen, der Renault konnte seinen Exotenstatus nie richtig ablegen. Wer gängige Vorurteile über Bord wirft, lernt zwei Laster kennen, die im Falle des T mit einer etwas ungewöhnlichen Bedienphilosophie, im Falle des Stralis mit einem Sonderweg bei der Abgasnachbehandlung, aufwarten. Unterm Strich sind beides interessante Fahrzeuge, mit durchaus wegweisenden Vorteilen: So glänzt der Iveco mit einem wirklich exzellenten Fahrwerk, der Renault ist - hat man sich erstmal mit den vielen Details befasst - ein sehr fahrerorientiertes Auto. Hier wie dort bekommt man im Vergleich für kleines Geld viel mehr Lkw als bei manch selbst erklärtem Premium-Produkt.

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