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Winter-Spezial: Was Winterreifen wirklich bringen

11.11.2013 08:00 Uhr
Winter-Spezial: Was Winterreifen wirklich bringen
Glänzende Gefahr: Auf Eis sorgen echte Winterreifen für mehr Grip in Kurven
© Foto: Nokian

Auf dem Testgelände in Ivalo demonstrierte der Reifenhersteller Nokian den Unterschied zwischen LKW-Ganzjahres- und -Winterreifen. Klares Fazit: Wenn es eisig und weiß wird, muss mehr Grip an die Sohlen.

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Weiße Hölle" nennt Nokian sein Reifentestzentrum nördlich des Polarkreises. Dort, im "Hakaapelliittaland", wie Nokian die Gegend nach seinen Winterreifen benennt, gibt der Vizepräsident der Nokian-LKW-Reifensparte, Pontus Stenberg zwei Scania-Zügen mit Krone-Aufliegern den Marschbefehl.

In der "weißen Hölle" investiert Nokian mehr als die Hälfte des Entwicklungsbudgets in die Tests der Produkte, die Temperaturschwankungen von bis zu 40 Grad binnen 24 Stunden abkönnen müssen. Die 18 Grad Unterschied am Testtag - es erwärmte sich von minus 34 auf minus 16 Grad - empfindet der "normale Mitteleuropäer" immer nur als verdammt kalt.

DER ZUG MIT WINTERREIFEN STEHT 35 METER FRÜHER

Einer der Züge rollt auf M+S-Spritsparreifen zweier Premium-Marken, der andere steht auf Nokians "Hakaapelliitta"-Winterreifen. Die Züge beschleunigen auf 80 km/h und ziehen eine riesige Schneestaubwolke hinter sich her. Dann stoppen die Fahrer voll ab.

Erwartungsgemäß bremsen die nordischen Winterreifen die M+S-gelabelte mitteleuropäische Konkurrenz beim ersten Versuch aus: Aus 75 km/h steht der Nokianbereifte Zug auf vereistem Untergrund 35 Meter vor dem Referenzzug: Die Messgeräte zeigen 157 statt 192 Meter an. Bei der zweiten Bremsung auf verdichtetem Schnee nimmt der Nokian den M+S-Rundlingen 27 Meter ab: Der Zug steht nach 121 statt nach 148 Metern.

Zum Vergleich: Auf vereistem Boden steht ein ebenfalls auf 75 km/h beschleunigter, 1,5 Tonnen schwerer PKW nach rund 65 Metern. Ein dreiachsiger Bus, auf rund 20 Tonnen ausgeladen, stoppt nach etwa 125 Metern. Erschütternd war dabei der zweite Bremsversuch des Omnibusses aus 90 km/h, bei dem die Journalisten als "Reisegäste" an Bord sein durften: Anfangs schoss der Bus ungebremst auf das Ende der Eispiste zu. Erst kurz vor einer künstlich aufgeschütteten Barriere kam er zum Stehen - nach 175 Metern! 15 km/h mehr bedeuten 50 Meter mehr Bremsweg!

Pontus Stenberg wusste natürlich um das Ergebnis und lächelt: "Vertrauen sie den Einheimischen". Ein LKW-Zug würde in dem Fall die Zweihundert-Meter-Marke reißen! Interessant war auch der Vergleich zwischen Neureifen und Pneus, die zu 50 Prozent abgefahren waren: Die reduzierte Profiltiefe kostet bereits bei einem 18-Tonner sieben Meter Bremsweg. Entsprechend argumentieren auch die anderen Reifenhersteller. Die führen neben M&S-Reifen auch richtige Winterprofile im Programm und empfehlen "M&S" nur für gemäßigte Fahrbahnverhältnisse.

SPÜRBAR BESSERER GRIP MIT ECHTEN WINTERREIFEN

Anschließend wird über 50 Meter beschleunigt: Als der winterbereifte Zug diese Marke passiert, hat die Kombination mit M&S-Reifen nur 41 Meter zurückgelegt.

Am Ende der Testreihe steht ein sogenannter S-Schlag, ebenfalls auf eisglatter Piste. Während der M&S-bereifte Zug ab 47 km/h ins Schlingern gerät, zieht der Scania mit Winterreifen den Krone-Trailer auch mit 50 km/h noch sicher durch die Pylonengasse. Erst bei 52 km/h geht auch ihm der Grip aus.

Natürlich erhebt Nokian für diese Tests keinerlei Anspruch auf Absolutheit der Werte. Zumal laut Stenberg im Prüfalltag mindestens 100 Messungen gefahren werden, um belastbare Ergebnisse zu erhalten. Beim Thema Reifenlabel bleibt Nokian zurückhaltend, hat aber trotzdem Werte parat. Die liegen im Falle des Rollwiderstands prinzipbedingt zwischen C und E, beim Nassgrip zwischen B und D.

Für die Profilierung selbst setzen die Finnen generell auf die gleichen Zutaten wie die anderen Hersteller. Was man grob vereinfacht mit der Formel "solide Profilblöcke mit dreidimensionalen, waffelförmigen Lamellen stützen sich gegenseitig ab" umschreiben könnte. Zwei Indikatoren im Profil zeigen dem Fahrer den aktuellen Status des Reifens an: Der Wintergrip lässt nach, sobald die im Profil eingelassene Schneeflocke abgerieben ist. Vertiefte Zahlen dokumentieren in Vier-Millimeter-Schritten das Restprofil. Jüngste Neuzugänge im Nokian-Programm sind der "Hakkapeliitta D" und der Traktionslaufstreifen "Noktop 42".

FAST JEDER HERSTELLER HAT WINTERREIFEN IM PORTFOLIO

Bei Goodyear-Dunlop hören die "echten" Winterreifen auf den Zusatz "Ultra Grip", bei Fulda gibt es den Wintercontrol und -force.

Bei Michelin heißen die Winterspezialisten X-Grip, während Contis HSW2-, HDW2- und HTW2-Winterreifen auf den Zusatz "Scandinavia" hören. Contis künftige Dreier-Serie dürfte wie Goodyears neue FuelMax- und K-Max-Serie und die meisten neuen Michelin-X-Reifen statt M&S die wintertauglichere 3PMSF-Kennung tragen, der ein Test zu Grunde liegt (siehe Kasten Seite 66).

Der Unterschied liegt im Detail: Die Ganzjahresreifen sollten möglichst wenig Rollwiderstand oder viel Laufleistung bringen - beides keine Stärken der Winterreifen. Entsprechend muss man davon ausgehen, dass Erstere das 3PMSF-Label gerade so schaffen. Echten Grip bieten dagegen weiterhin nur "echte" Winterreifen.

GS

DAS NEUE 3 PMSF-SYMBOL | Drei Gipfel und eine Schneeflocke

Die neuen Produkte und die Winterreifen einiger Markenhersteller tragen zusätzlich zum M&S-Symbol das mittlerweile für LKW-Reifen standardisierte, sogenannte "Three-Peaked-Mountain-Snow-Flake"-Symbol (3PMSF) auf der Seitenwand. Es zeigt einen Berg mit drei Spitzen, in dessen Mitte eine Schneeflocke zu sehen ist.

Dieses Symbol steht seit November 2012 für eine freiwillige Kennzeichnung, die Wintertauglichkeit von LKW-Reifen nach standardisierten Testmethoden nachweist - ähnlich wie das Schneeflockensymbol bei PKW-Reifen. Diese Kennzeichnung ist bisher noch keine gesetzliche Pflicht, bestätigt aber offiziell, dass LKW-Reifen einen nach ISO-Norm durchgeführten Test auf einer Schneefahrbahn bestanden haben. In der UNECE-Regelung Nr. 117.02 wird das Testverfahren für LKW-Winterreifen definiert: Es sieht einen Traktionsvergleich mit einem Referenzreifen auf festgefahrener Schneefahrbahn vor. Dabei muss der zu testende Nutzfahrzeug reifen in sechs bis zehn Testläufen um mindestens 25 Prozent besser sein als der durch die Regelung festgeschriebene Referenzreifen. LKW-Pneus, die diesen Test bestanden haben und die sogenannte "3PMSF"-Kennzeichnung besitzen, sind laut der Regelung für "durchschnittliche Winterverhältnisse" bis "überwiegend winterliche Fahrbedingungen" geeignet. LKW-Reifen mit dem 3PMSF-Symbol sind M&S-Profilen in der Wintertauglichkeit überlegen, erreichen aber nicht den Grip "echter" Winterreifen.

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