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Jobreport: Michaels fahrende Reifenfiliale

13.05.2013 08:00 Uhr
In diesem Truck hat Michael alles dabei, was er braucht
© Foto: Gregor Soller

Michael Woeltje fährt keinen normalen Sattelzug, sondern bewegt eine komplett eingerichtete Reifenfiliale.

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Eigentlich wollte Premio-TyreXpert-Niederlassungsleiter Maik Böttger mit seinem Chef Andre Reinke und LKW-Vertriebsleiter Thomas Pichler einen neuen 7,5-Tonnen-Servicewagen konfigurieren - eigentlich. Als sie dann über die lausige Nutzlast und die Aufbaupreise stolperten, kauften die Motorradrennfahrer und Reifenprofis kurzerhand einen gebrauchten Formel-1-Trailer von Bridgestone, vor den man einen "richtigen" LKW spannen konnte. So entstand eine mobile Filiale, mit der man große Kunden vor Ort versorgen kann.

Und da Uhl Trucks in Hemmingstedt für den 460er-FH "White Edition" einen guten Preis machen konnte, gönnten die Reifenexperten aus Brinkum-Stuhr der neuen "Filiale" noch eine attraktive Optik. Die befreundete Grafikerin Heike Reinke sorgte für die passende Beschriftung, dazu spendierte man dem FH zusätzliche Leuchten und PS. Schaltet man die dreiflutige Sidepipe auf "böse", kann man den sonst eher dezenten D13-Motor brüllen, röcheln und schmatzen hören, dass es ein Genuss ist. Nur beim ersten winterlichen Fotoshooting erlaubte sich der Volvo einen kleinen Patzer: Ein Xenonscheinwerfer fiel aus und der FH erinnerte alle Beteiligten irgendwie an Karl Dall, womit der Volvo seinen Spitznamen "Karl" weghatte.

DER CHEF FÄHRT DEN LKW UND MOTORRADRENNEN

Maik, der den CE-Schein aus Lust am Lasterfahren gemacht hat, fährt die leer 32 Tonnen schwere "Filiale Karl" an Wochenenden auf Messen und Shows. Dank aerodynamischer Trailerverkleidung und Energiesparreifen braucht er auf der flachen fährt Etappe Stuhr - Essen nur 24,5 Liter Diesel auf 100 Kilometer.

Da Maik aber in erster Linie die Backstein-Niederlassung in der Bremer Straße leitet und an vielen Wochenenden mit seiner Triumph Street Triple im Cup Rennen fährt, brauchte er für die rollende Filiale einen Fahrerprofi. Den fand er im Kunden Michael Woeltje, der neue Reifen für seinen LKW benötigte. Woeltje sitzt seit einem Vierteljahrhundert auf dem Bock, fuhr zuletzt aber nicht mehr so gern: Die ununterbrochene GPS-Überwachung führte zu permanentem Zeitdruck.

Den hat er jetzt nicht mehr. "Jetzt fahre ich zum Kunden und jage nicht mehr hin", erklärt der gelernte Kfz-Mechaniker, der das Thema Reifen von seiner Ausbildung kennt. Und wenn seine Filiale nicht ganztags ausgelastet ist, arbeitet Michael in der Bremer Straße mit, was Abwechslung in den Alltag bringt.

Dafür sorgt auch sein quirliger Chef Maik. Als der TRUCKER TyreXpert in Stuhr besucht, muss Michael zuerst Trailerreifen bei der Spedition CCT wechseln und anschließend den Luftdruck bei einem Getränkesattel checken, der einige Monate stand. Auf dem Hof ist genug Platz für Michaels überlangen Zug, der mit Sondergenehmigung fährt.

Michael öffnet die Heckportale seiner 15,5 Meter langen "Filiale", die von Wulf Werkstattausrüstung in Hennstedt-Ulzburg ausgebaut wurde. Drinnen stehen LKW- und PKW-Pneus diverser Größen, die Reifenmontage- und -wuchtmaschinen sowie ein komplettes Pannenhilfsset mit Warnleuchten und -hüten. Vorn an der Stirnwand ist der Generator- und Kompressorraum, der die "Filiale" mit Strom und Pressluft versorgt. Letztere legt sich Michael per Schlauch zum "Kunden", einem Schmitz-Kühler, der an drei Rädern neu "besohlt" wird. Die Pressluft unterstützt Michael beim Anheben der Trailerachsen und beim Abschrauben der Radbolzen.

DER GENERATOR KÖNNTE EIN GANZES HAUS HEIZEN

Dann rollt er die Pneus in die "Filiale", wo er die Luft ablässt, bevor er den Rädern mit der Montagemaschine ihre schwarzen Gummis abnimmt. Dabei brauchen das Ablassen der Luft und das anschließende Wiederaufpumpen der montierten neuen Pneus viel Zeit: Obwohl der Kompressor laut Michael "ein ganzes Einfamilienhaus durchheizen kann", dauert es einige Minuten, bis die Trailerreifen wieder acht bis neun Bar Druck aufweisen.

Wie viel Power das bordeigene Kraftwerk hat, spürt man an heißen Sommertagen. Da Michael die Tür zum Kompressorraum ausnahmsweise geschlossen hat, um die einzelnen Arbeitsschritte zu erklären, wird es dem Kompressor im Trailer irgendwann zu heiß und das System schaltet zur Sicherheit ab.

EIN MANNSHOHER DREHMOMENTSCHRAUBER

Michael nutzt die folgende Abkühl-Zwangspause seines "Filialkraftwerks", um derweil die fertig umbereiften Räder zum Auflieger zu rollen. Fünf Minuten später dreht er den Zündschlüssel am Heck des Sattels und der Strom- und Lufterzeuger springt wieder an.

Kurz danach knattert er die Räder mit dem Schlagschrauber wieder an, bevor es nochmal anstrengend wird: Er stellt den mannshohen Drehmomentschrauber auf 600 Nm Anzugsdrehmoment und spreizt sich in den Riesenhebel, bis es knackt. Dann steckt er vom Wagenheber aufs Luftdruckprüfgerät um, mit dem er die übrigen drei Reifen durchcheckt. Als die alle exakt eingestellt sind, wechselt er zu dem 18 Jahre alten York-Getränke-Stufensattel, der mit der Bundesliga Saisonpause hatte. Jetzt muss er wieder ran, denn der Fahrer hat auf einigen Rädern zu wenig Luft gemessen. Michael prüft nach und findet tatsächlich einen Zwilling, der schon schwer außer Puste ist, ohne dass man ihm das angesehen hätte.

Außerdem ist ein Kunststoff- Aufsteckventil defekt, und seine Ventilkappen hat der Sattel über die Jahre abgeworfen. Dafür hat Michael immer Ersatz in der Hosentasche. Weitere Klein- und Reifenreparaturteile lagern im Sattel und sind bei Bedarf schnell zur Hand.

Nachdem Michael die Trailer versorgt hat, muss er noch einen Traktorreifen beim Landmaschinenhändler Johann Kattelmann in Groß Mackenstedt mitnehmen. Dazu zirkelt Michael seinen Zug gekonnt durch die engen Vororte um Stuhr, was ihm Umwege erspart. Kattelmann hat das Rad schon abgenommen: "Dort, wo Rot markiert ist, ist ein Schnitt drin. Brauche ich bis Spätnachmittag wieder", ruft der Landmaschinenhändler Michael knapp zu. Kattelmann ist Profi und weiß genau, was geht und was nicht.

Eigentlich müsste Michael jetzt bei einem Unternehmen einige Profile nachschneiden und in einer größeren Spedition noch vier Reifen wechseln. Aber der Landmaschinenreifen hat Priorität. Also bringt Michael ihn mit seiner mobilen zur immobilen Filiale. Dort verarztet sein Chef Maik Böttger den großen Stollenreifen sofort, während noch ein LKW zum Nachschneiden in der Bremer Filiale wartet.

"Es gibt für alles einen Plan B", lautet Böttgers Konzept für Gewerbekunden. Fast alle Mitarbeiter bekommen deshalb neue Aufgaben. Während er selbst den Traktorreifen fertig macht, muss Michael die LKW-Reifen nachschneiden. Den fertigen Traktorreifen wird Nina mit einem Mercedes Sprinter zu Kattelmann bringen. Nina ist eigentlich Pferdetherapeutin und jetzt bei TyreXpert als "gute Seele" neben Telefon, Kundenbetreuung und Buchhaltung für alles außer Reparaturen verantwortlich. Außerdem blättert sie am Monatsanfang meist den Pinup-Kalender um, was sie gern mit einem "Puh - die geht ja gar nicht" kommentiert.

Michaels Vertretung auf der rollenden Filiale sind sein Chef Maik oder der Brite Vincent Nally, der ein begnadeter Schrauber und heißblütiger Fahrer ist, weshalb Maik ihn lieber in der immobilen als in der mobilen Filiale einsetzt.

Michael wechselt mittlerweile PKW-Reifen auf BMW-Felgen: "Abwechslung habe ich hier jede Menge und bin heute Abend trotzdem wieder pünktlich zu Hause", freut er sich. Tags darauf wird er seine rollende Filiale direkt auf dem Hof des nächsten Kunden aufbauen. Dafür hätte er mit einem 7,5-Tonner mehrmals fahren müssen und sicher nicht so viel Spaß gehabt, wie mit "Karl", der mit herrlichem Auspuffgedonner in die Garage rangiert wird.


Jobreport Reifenfiliale

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