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MAN Youngtimer vs. Newcomer: Der ist sich treu geblieben

30.07.2018 08:00 Uhr
MAN Youngtimer vs. Newcomer: Der ist sich treu geblieben
Optisch haben sie bis auf den Löwen kaum etwas gemeinsam. Aber die Philosophie ist die gleiche
© Foto: Karel Sefrna

Während der "Stern" früher als Unternehmer-Lkw galt, fand MAN mehr Zuspruch bei den Fahrern. Mit dem "Lion Pro" setzen die Münchener diese Tradition fort.

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Dreieinhalb Dekaden trennen den F8 von seinem Ur-Ur-Enkel TGX. Während es 1983 genügte, dem Motor ein wenig mehr Hubraum und ein optimiertes Brennverfahren zu spendieren, damit 360 PS zu realisieren und den Anschluss zum Wettbewerb herzustellen, reicht das 2018 nicht mehr. Zwar hat MAN mit der letzten Modellpflege einige Kritikpunkte am TGX beseitigt und der Motor des aktuellen Testfahreugs mit 12,4 Litern Hubraum hat sich im Vergleich zum kleineren D20 als grundsolide erwiesen. Aber Fahrer und Unternehmer erwarten doch einiges mehr.

Lion Pro Edition heißt das Sondermodell, mit dem die Münchener den Appetit an ihrer Fernverkehrsbaureihe anregen wollen. Innerhalb der drei Ausstattungspakete gibt's Extras, deren Bezeichnung einem Fahrer vor 35 Jahren nur Unverständnis ins Gesicht gezaubert hätten, eine abnehmbare "Chill-Out-Hängematte" zum Beispiel. Die war eh nur was für Einzelfahrer. Und 1983 war man glücklich über ein abklappbares Fußteil am oberen Bett. Und der Bekleidungssack auf der Beifahrerseite war absoluter Luxus. Wobei - der Lion Pro hat zwar eine Schrankwand. Aber etwas an einem Bügel reinhängen kann man da nicht ...

"TUNING" GAB'S BEIM LKW SCHON FRÜHER. ABER NICHT IN DEM MASSE

Es gab schon immer Lkw-Fans, die ihre Laster ein wenig verdelt haben. Wer allerdings vor über dreißig Jahren mit einem Lkw im Ornat des aktuellen TGX-Sondermodells angerollt wäre, hätte schnell den Ruf eines Zirkusonkels weg gehabt. Heute gehören der Edelstahl-Dachbügel mit gleich vier Fernlicht-Halogenscheinwerfern ebenso zum guten Ton wie eine LED-Akzentbeleuchtung, polierte Alus, Edelstahl-Stufen oder der auf Hochglanz gebrachte "Bullenfänger". Aber den Leuten scheint's zu gefallen; nach Aussage von MAN verkauft sich der rote Bolide ganz gut.

Eigentlich ganz erstaunlich, ist die Leistung über fast vierzig Jahre gar nicht so stark gestiegen, wie zu erwarten gewesen wäre. Dem F8 mit damals sehr angemessenen 360 PS attestierte TRUCKER-Tester Hartmut Schumacher ein außerordentliches Leistungsvermögen: "Auf jeden Fall waren wir mit unserem neuen R6-MAN schneller als alle V8-Turbos zusammen."

Das wollte was heißen, denn zu der Zeit war der Achtender bei vielen Herstellern noch Standard und kein Exot wie heute. Wobei - aktuell gibt's im 500-PS-Bereich auch keinen V8 mehr. Scanias Exotenmaschine geht erst bei 520 Pferdestärken los. Doch zurück zum MAN. Der absolvierte damals eine Rekordrunde, war schnell, sparsam und, wie Schumacher weiter schreibt, auch noch besonders leise.

VIELE TUGENDEN HAT SICH MAN BIS ZUM HEUTIGEN TAG BEWAHREN KÖNNEN

Zumindest Letzteres gilt noch in gleichem Maße für den TGX. Auch er erfreut seine Passagiere mit niedriger Geräuschkulisse. Einen Rekord auf der TRUCKER-Testrunde hat MAN allerdings schon lange nicht mehr aufgestellt. Das machen heute eher die Konzernschwester aus Södertälje oder der Erzrivale aus Stuttgart unter sich aus.

Eine gute Gelegenheit, die Getriebetechnik einst und jetzt zu vergleichen, ergibt sich mit F8 und TGX. Der Oldie verfügt über ein unsynchronisiertes Fuller-Getriebe mit 13 Gängen. Wer das (noch) beherrscht, gehört ganz sicher zu den Fahrern, die sich mit automatisierten Schaltungen nur schwer anfreunden konnten. Kuppeln muss man nur zum Anfahren, der Rest geht mit einigermaßen Gefühl ohne das dritte Pedal.

Erst mal die vier Gänge der kleinen Gruppe durch - beim Zurücknehmen des Gases den Gang rausnehmen und nach passendem Drehzahlabfall sanft den nächsten reinschieben. Dann den Drehschalter am Schaltknauf in die große Gruppe und von vier zurück nach eins - was natürlich dann der Fünfte ist. In der großen Gruppe lässt sich splitten: Schalter betätigen, Gas kurz lupfen und der Overdrive ist drin. Für den Profi so einfach, wie es sich liest. Der Anfänger verzweifelt auf den ersten tausend Kilometern- vor allem bei den Rückschaltungen mit Zwischengas. Der Amateur hätte schon eher Spaß an der aktuellen Tipmatic - die beim 500er MAN faktisch von Scania kommt. Was man als "Opticruise" kennt, ist anerkannt schnell bei den Gangwechseln, hat eine hervorragende Schaltstrategie und, als Reminiszenz an die Neuzeit, einen bärenstarken Retarder.

Gut, den gab es damals schon. Er hieß meist "Telma", verputzte Batterien wie Wies'n-Besucher das Oktoberfestbier, war zudem bleischwer und radierte Hinterreifen schneller runter als Rennautos ihre Bremsbeläge.

FÜR EINE LENKRADVERSTELLUNG WAR 1983 DEFTIGER AUFPREIS FÄLLIG

Von Annehmlichkeiten wie einem drehbaren Beifahrersitz - Serie im "Premium Comfort Paket" der Lion Edition - konnte man beim F8 nur träumen. Da war selbst die Höhen- und Neigungsverstellung der Lenkung nur ein Sonderwunsch und außerdem recht umständlich über eine grobmotorische Klemmverschraubung zu bedienen. Was hätte ein Lkw-Fahrer 1983 wohl zu einem hochklappbaren Entertainment-TV gesagt? Wahrscheinlich: Gott, bin ich von einem Ufo entführt worden? So ein fettes Teil hatten wir damals nicht mal zu Hause. Zumindest flimmerte die "Röhre" im trauten Heim schon in Farbe - immerhin.

Vergleicht man heutzutage F8 und TGX, zeigen sich durchaus Parallelen. Spätestens seit Einführung der X-Lenker-Radführung an der Hinterachse gilt der MAN als Muster an Fahrkomfort. Ein Lob wie "die direkte Lenkung mit variabler Übersetzungsgeometrie" liest sich immer wieder in Tests von TGA, TGS und TGX. Das konnte aber der 19.361 damals schon. Entgegen vieler Forumseinträge, in denen der MAN als harter Bock bezeichnet wird - war das nicht eher der 140er/141er Scania? - beschrieb unser Senior-Tester den F8 damals als gut federnd. Die Vierbalg-Luftfederung würde geschmeidig ansprechen und der 361er sei ein durchaus komfortabler Laster. Da mögen natürlich die fetten Ballonreifen durchaus ihren Beitrag geleistet haben. Mit 80er-Querschnitt beim 12R kann naturgemäß mehr Gummi federn als bei den 55er-Niederquerschnittsschlappen des Lion Pro. Aber mal ehrlich, so ein 385er auf der Vorderhand sieht schon geil aus. Und entgegen früherer Mutmaßungen hat die Reifentechnik inzwischen dazu beigetragen, dass der schicke Schlappen nicht mehr verbraucht als ein schnöder 315er.

1983 freute sich der TRUCKER-Redakteur doch tatsächlich über eine 1600 Mark teure Zentralschmieranlage und betitelte den Fettspucker als "gute Investition". Heute würde man sich mit Grausen abwenden. Obwohl - es gibt nicht wenige ältere Kollegen, die steif und fest behaupten, dass ein liebevoll mit der Fettpresse und per Hand abgeschmierter Lkw immer viel länger gehalten hat als die modernen Trucks der Jetztzeit mit ihren Dauerschmierungen. Scheint, als war früher doch das eine oder andere besser.

Es ist - mit Verlaub - ein wenig amüsant, im alten Test des F8 von einem "klar und übersichtlich gegliederten Armaturenbrett" sowie dem "großen, farblich klar gegliederten Drehzahlmesser mit grünem Kernbereich" zu lesen. Zwar war es nicht aus Holz, aber im Hinblick auf den 19.361 von einem Armaturen"brett" zu sprechen, trifft des Pudels Kern. Aber auch in dem Sinn ist sich MAN treu geblieben. Heute wie vor 35 Jahren haben die Münchener Interieur-Designer die gerade Gestaltung im Hinblick auf die maximale Bewegungsfreiheit bevorzugt. Schon damals saß der Fahrer mehr über als mitten in den Dingen.

Irgendwie erscheint es in der Nachbetrachtung so, als hätten sich die Ingenieure anno 1983 mehr Gedanken ums Wohlbefinden der Chauffeure gemacht als heute. Klar, dass sich die "große, ganz hochstellbare Dachluke" im Vergleich zur zugluftfreien Klimatronic eines TGX bescheiden ausnimmt. Aber Dinge wie der "Brotzeitkasten" auf der Motorkiste, die damals beliebten Sonnenrollos oder der ungeteilte Rundumvorhang samt eigenem Staukasten zeugen dann doch von Wertschätzung fürs Fahrpersonal.

AUF DIE FAHRER GING MAN ERST ZUR LETZTEN MODELLPFLEGE WIEDER EIN

Zu dieser Fahrerwertschätzung hat MAN genau genommen erst wieder so richtig mit dem aktuellen TGX zurückgefunden. Zwar wurden nicht alle Kritikpunkte der Fahrerschaft bei der letzten Modellpflege beseitigt - das war angesichts des enormen Investitionsvolumens für das kommende Modell auch nicht zu erwarten. Aber immerhin, der Kühlschrank stört nicht mehr, das Infotainmentsystem ist wirklich gelungen und die Assistenzsysteme - Lane Guard, Notbremsassistent und Abstandsregeltempomat - funktionieren ganz hervorragend.

Damals wie heute sind F8 und TGX nicht die neuesten Trucks auf dem Markt. Aber MAN besinnt sich auf alte Tugenden: Fahrer und Kunden stehen im Fokus. Und mit hoher Leistung (beim F8) und/oder toller Ausstattung (beim TGX) hält man Kunden bei der Stange.

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