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Supertest Iveco Stralis 330 CNG

28.02.2013 08:00 Uhr
Supertest Iveco Stralis 330 CNG
Beit 26 Tonnen Teilbeladung reichen die 330 PS Gasantrieb
© Foto: Richard Kienberger

Man kombiniere Ivecos Stralis 330 CNG zum Trailer mit Gas-Modul - fertig ist das erste fernverkehrstaugliche CNG-Gespann. Das schlug sich wacker im Test.

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Ein wenig fühlt man sich im Erdgas-Stralis an längst vergangene LKW-Zeiten erinnert. Was nicht daran liegt, dass der Italiener noch im alten "Gewand" vor der Modellpflege zum TRUCKER-Test antrat - schließlich kommt die geliftete, schmalere "AT"-Kabine erst im Laufe des Frühjahrs auf den Markt.

Vielmehr handelt es sich beim CNG (Compressed Natural Gas) noch um einen "echten" Lastwagen der "alten Schule": automatisiertes Getriebe oder etwaige Assistenzsysteme? Für den erdgasbetriebenen Iveco nicht lieferbar. Stattdessen sorgt ein - im Fernverkehr fast schon vergessenes - 16-Gang-Doppel-H-Getriebe für nostalgische Gefühle und die passende Übersetzung. Und die will vor jeder Steigung gut gewählt sein, angesichts von ebenfalls längst anachronistischen 330 PS. Doch dazu später mehr ...

Zunächst darf der Sattelzug beim obligatorischen Volltanken vor der Testrunde seinen größten Trumpf ausspielen: 1,20 Euro forderte die Preistafel am Testtag fürs Kilo Erdgas. Zwar haben auch die Gas-Preise mittlerweile angezogen, die "Anschaffung" eines Liter Diesels wäre dennoch satte 24 Cent teurer gekommen.

Zumindest in Deutschland nutzen diesen Preisunterschied bislang nur wenige Transport-Unternehmen, und wenn, dann vorrangig im Nahverkehr. Was vor allem am eingeschränkten Gasvorrat liegt, den bisherige CNG-Laster mit auf die Reise nehmen können. Mehr als 400 Kilometer sind mit einer Flaschenfüllung nicht drin. Für Fernverkehrseinsätze deutlich zu wenig, auch weil sich durch das weiterhin einigermaßen lückenhafte Erdgas-Tankstellen-Netz unterwegs nur wenige Möglichkeiten bieten, den Kraftstoffvorrat wieder zu ergänzen.

So "basic" der Testzug auch wirken mag, in Sachen Reichweite setzt er einen neuen Bestwert unter den "Gasern". Wofür allerdings weniger die Zugmaschine als vielmehr das CNG-Modul am Kögel-Curtainsider verantwortlich ist. Beim zum Test angetretenen Prototypen noch in den Palettenkasten, bei den Serienmodellen dann platzsparender zwischen die Rahmenträger, montierten die Schwaben zwölf zusätzliche Gasflaschen mit einem Fassungsvermögen von insgesamt 180 Kilogramm. Zusammen mit den 84 Kilo der Zugmaschine gehen so 264 Kilogramm Erdgas auf Reisen. Theoretische Reichweite laut Hersteller: bis zu 1000 Kilometer.

Vor Antritt der Tour wollen die Flaschen allerdings zunächst befüllt werden. Und das erweist sich im Alltag schon mal problematisch, wie wir bei unserer Testfahrt feststellten: Auf ausgewachsene Sattelzüge sind die meisten Tankstellen nicht eingestellt. Oft fällt die Durchfahrtshöhe zu niedrig aus oder die Säulen liefern nicht die nötigen 180 Bar Druck, um alle Flaschen komplett und halbwegs zügig zu füllen. Ebenfalls hinderlich: Die für PKW ausgelegten Zapfsäulen befinden sich oft in der hintersten Ecke, was umfangreiches Rangieren erfordert.

SCHON MIT 26 TONNEN MÜSSEN DIE 330-GAS-PS KRÄFTIG SCHUFTEN

Falls der Chef nicht die Anschaffung einer eigenen Gastankstelle auf dem Firmenhof erwägt, sollte man sich daher im Vorfeld genau über die Tankgegebenheiten auf seinen Touren informieren. Erleichterung bringen beim Befüllen die beiden Tankanschlüsse am Trailer, über die sich, alternativ zum kleinen "Tankkästchen" hinter der "Active-Time"-Kabine, sämtliche Flaschen des Zuges sowohl von links als auch von rechts befüllen lassen.

Das gesamte CNG-Modul bringt übrigens lediglich 500 Kilogramm auf die Waage. In Kombination mit dem 6,9 Tonnen leichten Stralis schafft der komplette Sattelzug so verführerische 14 Tonnen Leergewicht. Die bis aufs letzte auszunutzen, davor warnt allerdings sogar Iveco - für 40-Tonnen-Einsätze sei der auf CNG umgerüstete Cursor-8 nicht ausgelegt, gibt man in der Ulmer Firmenzentrale ungeniert zu.

Den Sechszylinder-Selbstzünder trimmte Iveco mittels geändertem Zylinderkopf auf Fremdzünder und bediente sich dabei eines Tricks, um den Volllast-Verbrauch zu senken: Eine spezielle Nockenwelle stellt das eigentliche Otto-Prinzip auf die sogenannte Miller-Einspritzung um. Dabei schließt das Einlassventil "zu spät", wodurch der Kolben in der Aufwärtsbewegung wieder einen Teil der Luft in den Ansaugtrakt schiebt. So verbleibt weniger Luft im Brennraum als hineinpassen würde. Folge dieser Maßnahme ist eine geringere Verdichtung. Das führt allerdings zu weniger Leistung, was Iveco mittels größerem Turbolader ausgleicht. Der verdichteten Luft kann über einen groß dimensionierten Ladeluftkühler aber mehr Wärme entzogen werden. Lohn der Mühe: eine angebliche Verbesserung der Volllast-Effizienz um vier Prozent.

Für den Fahrer relevanter ist sicherlich das niedrige Geräuschniveau des Erdgas-Stralis außen wie innen. Bei Autobahntempo (85 km/h) dringen mit 64 dB(A) weniger Fahrgeräusche ans Fahrer ohr als bei den meisten Selbstzünder-LKW. Wobei der benzinermäßige, säuselnde Sound im ersten Moment zwar ungewohnt, aber keineswegs unangenehm klingt. Benzinertypisch höher fällt das Drehzahlniveau aus - bei 85 km/h meldet der Tourenzähler 1400/min. Bereits 200 Umdrehungen früher liegen die 1300 Nm Drehmoment an, weshalb sich kleinste Steigungen noch ohne Schaltung meistern lassen.

Trotzdem müssen sich die 330-Gas-PS mit den 26 Tonnen Gesamtgewicht auf unserer TRUCKER-Testrunde kräftig ins Zeug legen. Der Fahrer ist dabei ständig gefordert und muss die Nadel des Drehzahlmessers genau im Auge T behalten. Mehr Entlastung würde die "ZF-Eurotronic" bringen, mangels Stückzahlen lohnte es sich laut Iveco bislang allerdings nicht, die Schaltstrategie des automatisierten Getriebes an das höhere Drehzahlniveau des CNG anzupassen. Der alternativ lieferbare Sechsgang-Wandlerautomat von Allison taugt dagegen nur für urbane Einsätze. Im Fernverkehr muss der Fahrer daher selbst Hand anlegen und vor jedem Berg abwägen, ob es genügt zu splitten oder besser gleich einen ganzen Gang zurückzuschalten.

Um die Fuhre ausreichend in Schwung zu halten, sollte die Drehzahl an Steigungen auf die Gegend von 1800/min gebracht werden, damit der Sechszylinder alle Pferdestärken gegen den Berg stemmt. Greift man konsequent früh zum Schaltstock, mutiert der 26-Tonner nie zum Verkehrshindernis. Selbst am steilsten Steig der Testrunde, dem "Kindinger Berg", fiel die Geschwindigkeit in "sieben groß" nicht unter 61 km/h.

Bei Landstraßentempo passt dagegen sogar die höchste Fahrstufe, auch wenn die 7,8 Liter Hubraum unter 1000/min "orgeln". Dann muss man bergauf allerdings gleich mindestens um 1,5 Gänge zurück ...

Wirkungslos bliebe aufgrund der geringen Verdichtung des Gasers übrigens eine Auspuffklappenbremse, weshalb bergab serienmäßig ein ZF-Intarder für souveräne Verzögerung sorgt. Letzterer trägt auch zur ansehnlichen Durchschnittsgeschwindigkeit von 77,5 km/h auf der üblichen Supertest-Runde bei. Übrigens ein Wert, der ungefähr auf dem Niveau eines 40-Tonners mit 400-Diesel-PS liegt. Dabei verfeuerte der Cursor-Benziner 17,3 Kilogramm Erdgas auf 100 Kilometer. Das entspräche einem Dieselverbrauch von knapp 22,5 l/100 km, was am Testtag um 11,64 Euro teurer pro 100 Kilometer gekommen wäre.

SAUBERER: EURO-6-ABGASE, ABER TROTZDEM NUR EEV-EINSTUFUNG

Auf der "Soll-Seite" zu Buche schlägt allerdings der um 52.000 Euro höhere Anschaffungspreis gegenüber einem herkömmlichen Diesel-Sattelzug. 447.000 Kilometer dauert es, bis dieser Mehrpreis allein über die Tank-Ersparnis wieder D eingefahren wäre. Hinzu kommen höhere Wartungskosten: Der CNG muss spätestens alle 80.000 Kilometer und damit bis zu 40.000 Kilometer früher als die Diesel-Cursor 8 zum Service.

Zusätzlich fallen benzinertypische Arbeiten wie etwa der regelmäßige Zündkerzenwechsel an.

Auf der "Haben-Seite" stehen der um 70 Prozent niedrigere CO2-Ausstoß und - ohne aufwändige Abgasnachbehandlung - Emissionen auf Euro-6-Niveau. Auf die derzeit strengste Schadstoffnorm eingestuft ist der Motor allerdings noch nicht. Die nötige Homologation wollen die Italiener aber wohl im Laufe des Jahres nachholen. Dann könnte Ivecos Erdgaslösung bei angepassten Mautsätzen gegenüber Euro 5 noch kräftiger sparen und würde sich einem entsprechenden Euro-6-Diesel preislich zumindest weiter annähern.

Und dann gibt es ja immer noch Fahrer, die lieber mit einen "ehrlichen" Handschalt-Truck unterwegs sind, als sich von elektronischen Schaltsystemen bevormunden zu lassen.

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