Kanal eins neun, hört mich wer, hier spricht Rubber Duck, die Gummiente“, brüllt Gerd Albrecht in das Funkgerät seines 74er Mack, weil der drinnen etwas laut ist. Leider keine Rückmeldung. Wahrscheinlich gerade niemand in Reichweite, hier in der rauen Provinz rund um Schwäbisch Gmünd.
1978 läuft das anders, Hollywood macht’s möglich. Der Funkspruch des charismatischen Truckers mit dem amüsanten CB-Rufnamen Rubber Duck (deutsch: Gummiente) wird geradezu zum Evangelium der Fernfahrer, ruft eine gigantische Bewegung ins Leben, die ein Kino-Genre prägen soll. Hunderte Fernfahrer schließen sich Rubber Duck und dessen pechschwarzem Mack, Typ RL 700 L, an, ziehen im Konvoi durch den Südstaat Richtung New Mexico. Ein Protestzug gegen Behördenwillkür und Arbeitsbedingungen im Western-Stil.
„Wenn ich damals in der Nähe gewesen wäre, ich hätt’ garantiert mitgemacht“, sagt Gerd Albrecht mit bemerkenswertem Ernst, zieht sich seinen Lederhut noch etwas tiefer in die Stirn und schießt ordentlich was aus der Drucklufthupe. „Das kann man nur verstehen, wenn man mit Leib und Seele Trucker ist.“
Der schwäbische Händler hat Convoy unzählige Male gesehen
Die späten Sechziger. PS-Outlaws machen die Straßen unsicher, erfüllen sich im Genre der Roadmovies den Traum von Freiheit und Unabhängigkeit. „Easy Rider“ (1969), „Fluchtpunkt San Francisco“ (1971), „Badlands – Zerschossene Träume“ (1973), „Sugarland Express“ (1974) – alles Filme, die eine ähnliche Tiefenstruktur prägt: der sozialkritische Protest gegen die verbürgerlichte Gesellschaft. Auch „Convoy“ aus 1978 gehört dazu, durch und durch. Jener Action-Klassiker von Regisseur Sam Peckinpah mit Country-Legende Kris Kristofferson, der sich mit seinen Trucker-Kumpels auf dem Ritt durch Arizona gegen die Staatsmacht auflehnt, mit Leib und Seele, wie Gerd Albrecht betont.
Albrecht hat „Convoy“ gefühlte tausend Mal gesehen und Rubber Duck, die Gummiente, aus Bronze und in Originalgröße auf seinem Büroschreibtisch immer in Reichweite. Er sitzt am Telefon, spricht mit Kunden. Albrecht hat einen Mineralölhandel am Ortsrand von Schwäbisch Gmünd, schon seit 1983. Den Chef eines solchen Ladens stellt man sich irgendwie anders vor, nicht so rebellisch wie den Schwaben mit seinen grauen Haaren, die hinten wie ein Vorhang fallen, immer Cowboyhut auf und einen lockeren Spruch auf dem Shirt.
„Ich hab als Kind schon mit den Siku-Lastern gespielt“, erzählt er. „Wenn andere Kinder in die Schulferien verschwanden, bin ich als Bub mit dem Nachbarn Fernverkehr gefahren, wochenlang. War toll. Das prägt.“ Die Firma liefert Heizöl, Diesel, Benzin an Großkunden aus. Vor dem Lager lauert eine Dogge, zum Glück an der Kette. „Meine Alarmanlage“, schmunzelt Albrecht, „muss ja nicht jeder wissen, was da in der Halle steht.“
Das originale Filmfahrzeug wurde beim Dreh zerstört
Es ist ein pechschwarzer Mack, Baujahr 1974, acht Zylinder, 15 Liter Hubraum, 375 PS. Eines dieser amerikanischen Nutztiere, mit denen echte Trucker höchstens mal zum Tanken halten oder wenn ein Imbiss auf der Strecke liegt. In „Convoy“ rollt der Mack an der Spitze des Rebellenzugs, mit Kris Kristofferson am Lenker und Steve-McQueen-Gattin Ali MacGraw nebendran.
Um jeder Irritation vorzubeugen: Albrechts Mack ist nicht das originale Filmfahrzeug. Das wurde bei den Dreharbeiten zerstört, ein anderes gilt schon lange als verschollen, andere angebliche „Originale“ gelten als zweifelhaft. Albrechts aber ist eine Besonderheit: Es ist der weltweit einzig bekannte Mack, den der US-Hersteller selbst vor vielen Jahren zum Rubber Duck umgebaut hat, mithilfe altgedienter Mechaniker, die das Filmfahrzeug noch kannten. Er weicht nur in ein paar Details vom Original ab, der Sleeper etwa ist etwas größer, aber wen stört das schon.
Albrecht schaffte es, Mack das Fahrzeug abzuschwatzen
Albrecht hatte von der Laster-Ikone ein Leben lang geträumt, bis ihm vor fünf Jahren der Zufall in die Hände spielt. Er kommt in Kontakt mit Rudi Sevrin, einem Deutschen, der im US-Bundesstaat New Jersey lebt und sich dort als Restaurator von Truck-Oldies einen passablen Ruf erworben hat. „Sevrin erzählte mir, dass Mack diesen besonderen Nachbau habe, ich soll mich bei denen mal melden.“ Gerd Albrecht zögert nicht, und es wird wohl immer sein Geheimnis bleiben, wie es ihm mit seinem ausgeprägten schwäbischen Akzent gelingen konnte, dem Hersteller im fernen North Carolina das Fahrzeug abzuschwatzen, hartnäckig am Telefon. „Sevrin hat ihn dann restauriert und aufs Schiff gepackt, so kam er her.“
Bremerhaven, die große Stunde. Übernahme am Terminal nach großer Fahrt über den Teich. Und dann ein kleiner Dämpfer: Rubber Duck ist da, zwar leicht ramponiert, aber immerhin. Allerdings fehlt die Kühlerfigur, jene Chrom-Ente, das Symbol der Trucker-Rebellen. „Das hat mich total geärgert, denn mein Kumpel hatte die Befestigungsschraube extra rund geschliffen, damit da keiner was klaut.“