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Handy muss zu erkennen sein

28.11.2012 08:00 Uhr

Der Fall des Monats von Rechtsanwalt Andreas Sassenberg

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Chris ist irgendwie so eine Art Hippie. Haare hat er meterweise, und die mit einem bestickten Tuch nach hinten gebunden. Auf dem Che-Guevara-T-Shirt ein Sticker, die Jeans mit gelben Putztuchfetzen geflickt. Irgendwie hat der was, was mich sofort in meine Jugend zurückfallen lässt. Zugegeben, dieser Love- und Peacejünger kommt irgendwie cool rüber.

Chris legt gleich los: "Pass auf, Meister", erklärt er mir, "ich weiß schon, in welcher Schublade ich hier lande, aber ich habe nix, und zwar gar nix!, mit Drogen am Hut." "Das will ich hoffen", entgegne ich. "Wo brennt's denn?"

"Die Obrigkeit meint, sie kann mich verarschen. Telefoniert soll ich haben und zu schnell gefahren sein. Beides gleichzeitig." Die Geschwindigkeit mit den 11 km/h räumt er ein, aber telefoniert hat er niemals. Denn erstens hat er eine Freisprecheinrichtung und zweitens ein Scheißgefühl dabei, wenn er abgelenkt ist. Also Handy in der Hand und Quatschen? Das kommt für ihn nicht in die Tüte: "Niemals!"

Er hält mir das Tatfoto vor. Die linke Faust liegt an der linken Wange und tatsächlich sieht es so aus, als wäre da ein dunkler Gegenstand, der aus der Hand rausguckt. Aber Himmel: Das kann alles sein, so unscharf ist das. Ein Handy ja, ein Päckchen getrocknete Feigen genauso wie ein Rasierapparat, eine Fernbedienung für die hinter ihm installierte Stereoanlange, eine Dose mit Pfefferminzpastillen, Zigaretten oder einfach nur ein Schatten.

PECH MIT DEM RICHTER: ES HEISST STRAMMSTEHEN

Genau erkennen jedenfalls kann man nichts. Und es ist schon eine Frechheit, so etwas zur Anzeige zu bringen. Immerhin: Der Staat ist in der Pflicht und muss nachweisen, dass das, was Chris da in der Hand hält, ein Handy ist. Das ist wichtig. Es ist eben nicht so, dass der, der ein Verdachtsmoment setzt, weil er irgendwas in der Hand hält (also Chris), nachweisen muss, dass das, was er in der Hand hält, legal ist. Andersrum wird ein Schuh draus. Der Staat muss nachweisen, dass es illegal, also hier "ein Handy" ist.

Nachdem Chris gegangen ist, kommt Frau Dyck, meine Sekretärin, ins Besprechungszimmer. "Auf geht' s, was machmer in der Sache von dem Chris?" "Erstmal nix! Können Sie mir eine rechteckige Schachtel Pfefferminzpastillen und eine Schachtel Zigaretten holen? Und erinnern Sie mich dran, dass ich zu Chris' Termin eine Fernbedienung, ein Funksprechgerät und einen Rasierapparat mitnehme."

"Na freilich", meint Frau Dyck und ich bin mir nicht sicher, ob sie das ernst genommen hat.

Der Gerichtstermin lässt nicht lange auf sich warten. Mit dem Richter haben wir Pech. Das ist einer mit gesteiftem Hemd und goldenen Manschettenknöpfen. Der lässt am liebsten den ganzen Saal strammstehen, wenn er reinkommt. Und wehe, einer setzt sich, bevor er das Zeichen dazu gegeben hat. Die Verhandlung hat schon einen sportlichen Effekt, weil er dauernd unterbricht, in sein Zimmer geht und wieder in den Gerichtssaal kommt. Und jedes Mal aufstehen, hinsetzen, aufstehen, hinsetzen ...

Die Verhandlung beginnt mit dem obligaten Strammstehen. "Na, Herr Sassenberg, nehmen wir zurück, oder?" Ich glaub', ich hör' nicht richtig! "Wir!?" Ich wiederhole ganz langsam: "Wiiiiir!?"

"Ja, mein Gott. Sie meine ich natürlich. Hier ist doch alles klar."

"Nix ist klar", antworte ich genervt. Der Eichschein fehlt, das Messprotokoll spricht von einem anderen Messgerät, der Bußgeldbescheid spricht außerdem von einem Handy. "Wo denn, bitte?" Der Richter zeigt mir den Schatten. Er stützt sich auf seinem Ellenbogen ab, seine Manschetten werfen einen Schatten genauso wie es bei einem Handy aussehen könnte. "Schade, Herr Richter, wenn Sie das jetzt sehen könnten." Ich nehme mein iPhone und halte es ihm vor, sodass er sich selbst sehen kann. Etwas abfällig meint er: "Schattenspiele, so ein Quatsch. Der wird schon was in der Hand gehabt haben."

Ja, klar, irgendwas vielleicht. Ich greife in meine Tasche und präsentiere die Alternativen von der Zigarettenschachtel über die Pastillendose, den Rasierapparat bis zur Fernbedienung. Der Richter guckt mich sauer und hilflos zugleich an.

Als ich erneut in meine Tasche greifen will, kläfft er mich an: "Hören Sie schon auf. Es reicht! 35 Euro und Rechtsmittelverzicht."

Klar, ohne Punkte gern. Beim Rausgehen muss ich grinsen: There is no business like show business - ein bisschen Schau gehört dazu.

WAS VERBOTEN IST UND WAS NICHT

Verboten ist: Das Handy in die Hand zu nehmen, die Uhrzeit abzulesen, damit zu diktieren oder es als Navi zu nutzen, SMS zu lesen oder zu versenden, es in die Hand zu nehmen und auszuschalten, wenn es klingelt. Das Telefonieren mit dem Handy wird ebenfalls mit Bußgeld und in der Folge einem Punkt belegt.

Man darf: Sich während der Fahrt unterhalten, rauchen und essen. Man darf die Hand vom Lenkrad nehmen, zum Beispiel, um zu schalten. Der Gesetzgeber muss wohl noch etwas nachbessern. Denn wer meint, die Hand gehöre ans Lenkrad, muss auch für die Abschaffung des Schaltgetriebes plädieren ...

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