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Supertest Iveco Stralis NP 400: Spaß mit dem Gas?

10.01.2018 08:00 Uhr
Supertest Iveco Stralis NP
Wie alle Testwagen unter 500 PS musste der NP den 24 Tonnen schweren Krone-Auflieger ziehen
© Foto: Karel Sefrna

Dieser Testwagen fährt ausnahmsweise nicht mit Diesel, sondern mit verflüssigtem Erdgas. Ob es wirklich eine Alternative ist und wie sich der Iveco Stralis NP 400 fährt, zeigt der Test.

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Erdgas gehört in die Heizung. Lkw fährt man mit Diesel und - wenn überhaupt - eines mehr oder weniger fernen Tages rein elektrisch. Das zumindest scheint die vorherrschende Meinung der Politik zu sein.

Iveco sieht's anders und schickte im vergangenen Jahr mit dem Stralis NP 400 eine Alternative ins Rennen. NP steht für Natural Power und weist darauf hin, dass der blaue Testwagen Erdgas als Antriebsquelle nutzt.

Diese Tatsache genügt, um bei vielen eine Reihe von Vorurteilen auszulösen. Aber das sind die Italiener ja schließlich von ihren Dieselmodellen gewohnt - wenn auch zu Unrecht. So gelten Erdgas-Lkw, die nach dem Benzinerprinzip, also mit Zündkerzen, funktionieren, als schwach auf der Brust. Außerdem soll sie ein hohes Eigengewicht quälen, ihre Reichweite für längere Transporte unzureichend und der Tankvorgang langwierig und nicht ganz ungefährlich sein.

DER STRALIS NP PRODUZIERT DEUTLICH WENIGER SCHADSTOFFE

Ob etwas dran ist, klären wir später. Zunächst sehen wir uns die Habenseite des Erdgas-Iveco an: Und da stehen deutlich geringere Schadstoffmengen, die bei der Verbrennung von Erdgas in die gebeutelte Umwelt entlassen werden. Ganz ohne SCR-Kat, Partikelfilter oder Abgasrückführung, sondern lediglich mit einem Dreiwegekatalysator produziert der NP im Vergleich zu aktuellen Euro-6-Dieseln 95 Prozent weniger Partikel, 40 Prozent weniger Stickoxide (NOx) und bis zu 20 Prozent geringere CO2-Emissionen. Das garantiert freie Fahrt, auch in geplante Umweltzonen, die aktuell in vielen europäischen Metropolen drohen. Zusätzlich muss man sich um den Lebenssaft des NP keine Sorgen machen. Noch für mindestens 300 Jahre sollen Erdgas-Vorkommen in Mutter Erde schlummern.

Minuspunkt war bislang aber der Nachteil einer geringen Reichweite. Gasförmig weist Erdgas nämlich eine niedrige Energiedichte auf, was zur Folge hat, dass der Tankvorrat schnell aufgebraucht ist. Iveco umgeht dieses Problem mittels eines physikalischen Tricks: Heruntergekühlt auf minus 161 Grad Celsius wird Erdgas flüssig und weist dann nur noch knapp ein Sechshundertstel des Volumens im gasförmigen Zustand auf. Die

beiden Tanks am Rahmen des NP fassen je 540 Liter LNG (Liquefied Natural Gas). Die sollen dem NP für locker 1500 Kilometer genügen. Vor der Verbrennung muss der gasförmige Zustand wieder hergestellt werden, wofür das Erdgas einen Wärmetauscher durchläuft und per Druckminderer auf 8,5 Bar gebracht wird, bevor es per Injektion in die Zylinder des Cursor 9 gelangt. Der ist weitgehend baugleich mit seinem Dieselpendant, das Iveco nur für seine Baufahrzeuge anbietet. Lediglich ein neuer Zylinderkopf mit Zündkerzen sorgt dafür, dass der Reihensechszylinder Erdgas verwerten kann.

40 TONNEN SIND NICHT DAS REVIER DES ERDGASERS

Auch die Leistungsdaten sind grundsätzlich mit denen des Diesels vergleichbar. Bei 1575 Touren gelangen 400 PS auf die Straße. Ab 1200/min liegt das maximale Drehmoment von 1700 Newtonmetern an. Werte, die nicht unbedingt nach Fahrspaß klingen, und auch Iveco stellt klar, dass der NP 400 keinesfalls für internationale Ferntouren mit voller Ausladung konzipiert sei.

Deshalb erhält der Testwagen mit unserem 24 Tonnen schweren Krone-Auflieger eine adäquate Transportaufgabe. Was mit der 7580 Kilo schweren Testzugmaschine 31,6 Tonnen Gesamtgewicht ergibt, womit wir gleich mit dem nächsten Vorurteil aufräumen können: Der NP wiegt damit lediglich 200 Kilo mehr als der Stralis XP 420 (siehe TRUCKER 9/2017). Die fehlende Abgasreinigungstechnik hilft, den Nachteil der schweren Gastanks größtenteils zu kompensieren.

Auf der Straße verlangt der NP vom Fahrer kaum Umgewöhnung. Dass der Anlasser beim Motorstart länger orgelt, um den Gas-Cursor ins Leben zu holen - geschenkt und der Tatsache geschuldet, dass das Erdgas zunächst in Richtung Brennräume gedrückt werden muss.

Geschenkt auch deshalb, weil man nach dem Dreh am Zündschlüssel erfreut aufhorcht. Der NP arbeitet viel leiser als die Diesel-Stralis, die nicht unbedingt zu den Leisetretern ihrer Zunft gehören. Genau gemessen dringen in der Hi-Way-Kabine bei Reisetempo 85 km/h angenehme 65 dB(A) ans Fahrerohr - trotz des höheren Drehzahlniveaus, das NP-Neulinge zunächst stutzig macht. Im zwölften Gang liegen ungewohnte 1500 Touren an, weshalb man instinktiv das Gefühl hat, in der elften Fahrstufe unterwegs zu sein.

Gewählt hat Iveco diese Art der Übersetzung nicht ohne Grund, schließlich liegen in diesem Drehzahlbereich die ganzen 400 PS sowie das volle Drehmoment an. Trotzdem sorgen schon harmlose Steigungen für Tempoverlust.

Vor allem der geringe Hubraum von 8,7 Litern hat zur Folge, dass sich der Motor an Steigungen kaum festbeißt und die im NP noch verbaute AS-Tronic, deren Zahnräder mitunter etwas unsauber einrücken, spätestens bei 1300/min eine niedrigere der zwölf Fahrstufen bemühen muss. Danach dauert es zusätzlich immer einen kleinen Moment, bis der Motor wieder seine volle Leistung entwickelt.

DER GERINGE HUBRAUM ERFORDERT RECHTZEITIGES ZURÜCKSCHALTEN

Trotzdem: Zum Verkehrshindernis mutierte der Erdgas-Stralis auf der Testrunde zu keinem Zeitpunkt und verglichen mit dem 420er-Stralis, der mit dem gleichen Auflieger unterwegs war, beschränkt sich der Zeitverlust in den Bergwertungen auf wenige Sekunden.

Gleiches gilt bergab. Bauartbedingt bietet der NP zwar keine Motorbremse, weshalb nach dem Einlegen der ersten Stufe über den rechten Lenkstockhebel auch nichts passiert. Erst ab der zweiten Stufe nimmt der serienmäßige Retarder seine Arbeit auf und hatte mit der Verzögerung der Testfuhre keinerlei Probleme.

Problematisch gestaltet es sich dagegen (noch), die LNG-Tanks zu füllen, denn bislang existiert in Deutschland nur eine öffentliche Tankstelle für verflüssigtes Erdgas. Wir konnten nach der Testfahrt im Ulmer Iveco-Werk nachtanken. Letzteres ergab für den NP einen Durchschnittsverbrauch von 21,83 kg/100 km Erdgas. Diesen Wert mit einem Dieselfahrzeug in Relation zu setzen ist allerdings schwierig. Zu viele Parameter, wie Erdgas- oder Diesel-Qualität, spielen hierbei eine Rolle. Gefallen wird dem Chef aber, dass LNG mit knapp 77 Cent/kg deutlich günstiger ist als ein Liter Diesel.

Was dem Testwagen aber noch fehlte, ist ein GPS-Tempomat. Zudem steckt im zu zögerlich bemühten Eco-Roll-Modus noch Sparpotenzial. Tempomat, wie auch das ZF-Traxon-Getriebe, legt Iveco aber mit Einführung des stärkeren Gas-Motors mit 13 Litern Hubraum (siehe Seite 28/29), der ab sofort das NP-Programm ergänzt, mittlerweile nach. Mit dem eignet sich Erdgas auch für schwerere Aufgaben, was den NP zur nachgefragten Alternative machen könnte.

In europäischen Ländern, wo LNG-Tankstellen existieren, ist er das übrigens längst. 2200 NP hatte Iveco bei Redaktionsschluss verkauft, davon gerade mal ein Prozent in Deutschland. Höchste Zeit, LNG-Tankstellen zu bauen!

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