Wer rund 20 Kilometer südwestlich von Karlsruhe nach der Walter Schmitt GmbH sucht, muss schon mit besonders engen Scheuklappen unterwegs sein, um nicht fündig zu werden. Im beschaulichen Ort Bietigheim mit gut 6500 Einwohnern hat die Firma ihren Hauptsitz. Schon vorher kommen einem auf den Straßen die rot-schwarzen Lkw des Unternehmens entgegen. Unser Treffen mit Chef Rainer Schmitt findet an einem der fünf weiteren Standorte, im benachbarten Ötigheim, statt.
Einer ersten Empfindung nach erwarte ich einen Geschäftsführer zwischen 60 und70 Jahren, alteingesessen, abgeklärt und ja kein Wort zu viel. Falsch gedacht: Als ich das große Besprechungszimmer in dem Logistikzentrum betrete, sitzt vor mir ein Mann, etwa Mitte 40, den ich nach Feierabend auf den Straßen Badens mit seinem Rennrad wiedertreffen würde. Rainer Schmitt, ein sympathischer Familienvater, ist seit 2002 dabei und leitet die Firma in dritter Generation.
Den Wiederaufbau als Chance genutzt
Die Anfänge des Unternehmens sind noch auf Schwarzweißbildern dokumentiert. 1948 gründet Walter Schmitt während des Wiederaufbaus eine Spedition. Er wird Subunternehmer der Rheinunion Karlsruhe und fährt für die badische Papierindustrie im Murgtal. In den 70ern nimmt der Radius zu, so werden auch immer wieder Fahrten ins Ruhrgebiet absolviert. Noch heute gehört die Linie zum Portfolio der Firma. 1981 übernimmt Sohn Max Schmitt nach dem Tod seines Vaters die Geschicke des Unternehmens und wird es Mitte der 2010er-Jahre wiederum an seinen Sohn Rainer übergeben.
2003 verändert ein Zufall die Geschichte der Spedition. Ein Nachbarunternehmen in Ötigheim, das für Daimler in Gaggenau ein Lagergeschäft betrieb, geht insolvent. Rainer Schmitt, damals noch Student, erinnert sich: „Daimler rief bei uns an, weil wir ein Nachbarbetrieb waren. Es hieß, wenn heute nicht mehr die Waren aus dem Lager abtransportiert werden würden, dann stünde die Fabrik in Wörth still. Also haben wir einen Fahrer organisiert, einen Stapler gemietet und den Auftrag erfüllt. Das war der Beginn einer großen Kooperation. Heute ist Daimler einer unserer größten Auftraggeber.“ Die Walter Schmitt GmbH darf auch noch andere Unternehmen aus dem Automobilsektor, wie etwa Porsche, zu seinen Geschäftspartnern zählen. Für die OEMs werden beispielsweise Achs- und Getriebeteile, Motoren und Batterien transportiert.
Aufgaben, für die es gutes Personal braucht. Dafür ist Didier Dischkewitz zuständig, der Fahrerbetreuer bei Logistik Schmitt. Ein Mann, der nicht nur aussieht wie ein alter Seebär, sondern wirklich aus dem Norden stammt. Deshalb rutscht ihm auch gerne mal ein Satz in Platt raus. Dischkewitz ist sein halbes Leben lang Lkw gefahren. „Es ist wichtig, dass da jemand steht, der die Sprache der Fahrer spricht“, sagt er. „Du musst die Jungs verstehen und wissen, was es heißt, diesen Job zu machen.“
Deshalb ist Dischkewitz auch bei den Bewerbungsprozessen mit dabei. „Wer hier arbeiten will, der muss sich schriftlich bewerben. Der Interessent muss gut Deutsch sprechen und als Mensch gut ins Team passen.“ Wer das erfüllt, darf sich auf Bezahlung nach hauseigenem Tarifvertrag und einen guten Fuhrpark freuen.
Ein großer Fuhrpark mit vielen Sternen
Bei Schmitt findet man keine alten Lkw auf dem Hof. Die Autos stammen im Wesentlichen aus dem Hause Daimler, ergänzt von ein paar MAN-Zugmaschinen. „Nach drei Jahren werden die Autos getauscht“, verrät Dischkewitz. Komfort erleben vor allem die Fahrer, die im Fernverkehr unterwegs sind. Hier haben die Lkw neben einem gemütlichen Bett eine Standklimaanlage, Standheizung und einen Kühlschrank. Wer Langstrecke macht, bleibt für gewöhnlich immer auf demselben Auto.
Ein Lkw, mit dem vermutlich jeder Fahrer einmal eine Runde drehen will, ist der Prototyp des E-Actros, den Logistik Schmitt für Daimler testet. Ein Lkw mit einem ordentlichen Drehmoment, der nur von Fahrern gelenkt werden darf, die eine spezielle Schulung gemacht haben.
Die Frage der Zukunft
Bei einem Familienunternehmen stellt sich irgendwann auch die Frage, wie es mal weitergehen soll. Rainer Schmitt hat zwei Kinder im Teenageralter, eine Tochter und einen Sohn. Gibt es schon Ambitionen für einen möglichen Einstieg? Es antwortet nicht der Geschäftsmann, sondern der Familienvater: „Darüber haben wir uns noch keine Gedanken gemacht, es ist auch noch etwas zu früh. Aber beide sollen ihr Leben selbst gestalten. Deshalb werde ich da keinen Einfluss nehmen.“
Als ich das Logistikgelände in Ötigheim verlasse und die großen Lagerhallen im Rückspiegel verschwinden, frage ich mich, was wohl „Opa“ Walter Schmitt sagen würde, wenn er seine Firma heute sehen könnte. Aus seiner Idee mit einem Lkw ist ein stattliches Großunternehmen gewachsen. Noch heute hat jeder Lkw als Andenken an den Gründer der Firma ein „WS“ auf dem Kennzeichen stehen. Wahrscheinlich wäre er ziemlich stolz, denke ich mir. Jedenfalls scheint er seinen Nachfolgern eine Gabe vererbt zu haben: zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Gedanken am richtigen Ort zu sein.