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Eine neue Perspektive

05.06.2018 16:11 Uhr
Eine neue Perspektive
Heiko Stöver (l.) und Hans Popp haben die Schulung zur "Fachkraft für Verkehrslogistik" entwickelt
© Foto: Julia Thomsen

Wenn Berufskraftfahrer ihren Job nicht mehr ausüben können, gibt es wenige Alternativen. Ein Rehazentrum in Schleswig-Holstein eröffnet ihnen neue Chancen.

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Der 30. August 2016 wurde der Tag, an dem das Leben von Racknar Lehmann sich für immer ändern sollte. Der heute 52-Jährige ist im Lkw unterwegs, als ihm plötzlich schwindelig wird. "Ich konnte nichts mehr sehen", erzählt er. Mit Mühe schafft er es, den Lkw noch zum Stehen zu bringen. Ein anderer Fahrer ruft den Notarzt: Lehmann hatte einen Schlaganfall.

Seine Laufbahn als Lkw-Fahrer nimmt an diesem Tag ein jähes Ende. Seit 1992 hatte Lehmann als Berufskraftfahrer gearbeitet. Doch der Schlaganfall hat gesundheitliche Folgen, die den Job unmöglich machen. "Das ist, als ob ein Loch im Boden aufgeht und dich verschlingt", erinnert er sich. Heute hat Lehmann eine neue Perspektive gefunden. Zurzeit absolviert er ein Praktikum in der Disposition und Fuhrparkleitung bei einem Entsorgungslogistiker, der ihn anschließend übernehmen will.

Das sechsmonatige Praktikum ist Teil der Qualifizierung zur "Fachkraft für Verkehrslogistik" bei der Beruf Förderung Rehabilitation Schleswig-Holstein (BFR SH) in Osterrönfeld. Die Rehamaßnahme ist einzigartig in Deutschland. "Wir haben die Tätigkeitsbezeichnung 2005 ins Leben gerufen", sagt Heiko Stöver, Geschäftsführer der BFR SH. "Lkw-Fahrer, die berufsunfähig werden, wollen häufig weiter in der Branche arbeiten", erklärt Arbeitspädagoge Hans Popp, der die Maßnahme gemeinsam mit Stöver entwickelt hat. Für die Fahrer sei das nicht einfach, wenn sie gar nicht mehr oder nicht mehr so lange fahren können. Popp und Stöver hörten sich daher bei Spediteuren um und fragten, welche Unterstützung diese im Arbeitsalltag wirklich brauchen. So entstand das Konzept für die "Fachkraft für Verkehrslogistik".

Vor dem Praktikum stehen sechs Monate schulische Ausbildung. "Das ist eine große Umstellung für die Teilnehmer", berichtet Popp. "Sie müssen das Lernen erst wieder lernen." Die Teilnehmer werden in allem geschult, was sie für ihre spätere Tätigkeit in einem Transportunternehmen benötigen: Rechts- und BWL-Grundlagen, technisches Know-how, EDV-Kenntnisse sowie Kommunikations- und Präsentationsfähigkeit. Am Ende stehen die Verkehrsleiter- sowie die Ausbildereignungsprüfung vor der IHK. Auf Wunsch erhalten die Teilnehmer auch psychologische Betreuung, sei es bei Prüfungsangst oder um Unfälle und Krankheiten zu verarbeiten.

DER EINSTIGE UMSCHÜLER BILDET HEUTE SELBER AUS

Einer der Dozenten der BFR SH ist Matthias Rösch. Der 43-Jährige hat selbst 15 Jahre als Berufskraftfahrer gearbeitet - bis die Gesundheit nicht mehr mitspielte. "Ich litt unter Bluthochdruck und Schlafapnoe", erzählt er. "Auch die Augen wurden immer schlechter." Bis der Arzt ihm schließlich bescheinigte, dass es als Fahrer nicht mehr geht. Ein Bekannter empfahl Rösch die Umschulung zur "Fachkraft für Verkehrslogistik". "In der Regel wird die Qualifizierung von der Rentenversicherung oder der Berufsgenossenschaft übernommen", erläutert Heiko Stöver. "In anderen Bundesländern kennt man diese Weiterbildung zwar nicht, Interessierte können sie aber dennoch in Anspruch nehmen." Berufsunfähige müssten Eigeninitiative zeigen und ihrem Rehaberater die Maßnahme vorschlagen. In den meisten Fällen werde sie bewilligt - so auch bei Rösch.

Für Umschüler, die aus dem ganzen Bundesgebiet nach Osterrönfeld kommen, um sich zur "Fachkraft für Verkehrslogistik" zu qualifizieren, steht direkt neben dem Schulungsgebäude eine Gästewohnung bereit. Dort kam auch der Niedersachse Matthias Rösch für die Zeit seiner Schulung unter. Heute ist er nicht nur als Dozent für die BFR SH tätig, mit "Rösch Verkehrsschulungen" betreibt er auch seine eigene Ausbildungsstätte in seiner Heimat Verden. "Beruflich hat sich nach meiner Qualifizierung bei der BFR SH alles sehr gut entwickelt", sagt er. Für Heiko Stöver und Hans Popp ist Rösch ein Vorzeigebeispiel dafür, welche Möglichkeiten die Qualifizierungsmaßnahme eröffnet. Inzwischen nutzen halbjährlich sechs bis acht Teilnehmer diese Chance, beruflich neu anzufangen.

"Gut 200 Personen haben wir mittlerweile zur Fachkraft für Verkehrslogistik ausgebildet", sagt Popp. Sie arbeiten in Disposition, im Fuhrpark- oder Lagermanagement oder sie sind wie Rösch selbst als Ausbilder tätig.

Die Fachkraft für Verkehrslogistik auf einen Blick

Ziel: Die "Fachkraft für Verkehrslogistik" vermittelt im Auftrag des Spediteurs zwischen Disponent und Fahrer. Sie initiiert und kontrolliert den wirtschaftlichen und vorschriftsmäßigen Betrieb der Fahrzeuge und unterstützt in allen logistischen und technischen Betriebsabläufen

Zielgruppe: Menschen mit "Diesel im Blut", die ihren ursprünglichen Beruf nicht mehr ausüben können wie ehemalige Kraftfahrer, Kfz-Mechaniker/ -Meister, Fahrlehrer oder Personen, die bereits für Speditionen oder Verkehrsbetriebe tätig waren

Dauer der Qualifizierung: Zwölf Monate, davon sechs Monate Praktikum im Transportgewerbe

Voraussetzung: Führerschein Klasse C/CE (Erwerb auch während der Maßnahme möglich)

Abschluss: Einzelprüfungen vor der IHK (Verkehrsleiter und Ausbildereignung nach AEVO) sowie Zertifizierung durch den TÜV

Inhalte der Qualifizierung:

  • Rechtsvorschriften laut StVO und StVZO
  • Güterkraft- und Personenverkehrsrecht
  • Arbeitsrecht in Verkehrsbetrieben
  • Lkw-Technik
  • EDV-Training, insbesondere Microsoft Office Word und Excel
  • Kommunikationstraining
  • Betriebswirtschaftliche Grundlagen des Speditionswesens
  • Ladungssicherung
  • Spritsparende Fahrweise
  • Schadensmanagement
  • Module des Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetzes (BKrFQG)
  • Ausbildereignungsprüfung (AEVO) vor der IHK
  • ADR-Prüfung vor der IHK
  • Verkehrsleiterprüfung vor der IHK
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