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EU-Straßenverkehrsrichtlinie: Zwischen „toller Erfolg“ und „nicht geglückt“

10.05.2023 12:27 Uhr | Lesezeit: 5 min
Berufskraftfahrer am Lenkrad
Branchenverbände sahen bei der Anhörung die Umsetzung der EU-Entsenderichtlinie durchaus positiv
© Foto: Urupong/iStock

Die Frage, ob die Umsetzung der EU-Straßenverkehrsrichtlinie in Deutschland die Ziele erreichen wird, die damit verfolgt werden, ist umstritten, wie eine jüngst eine Anhörung im Bundestag zeigte.

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Bei einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 8. Mai äußerten die geladenen experten Zweifel daran, ob die von der Bundesregierung geplante Umsetzung der EU-Straßenverkehrsrichtlinie zu einem faireren Wettbewerb und besseren Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten führt.

Der Gesetzentwurf „zur Regelung der Entsendung von Kraftfahrern und Kraftfahrerinnen im Straßenverkehrssektor und zur grenzüberschreitenden Durchsetzung des Entsenderechts“ sieht vor, dass das Entsenderecht künftig auch im Straßenverkehrssektor angewendet werden soll. Damit soll eine entsprechende EU-Richtlinie in nationales Recht überführt werden. Das Entsenderecht regelt unter anderem Aspekte wie Höchstarbeitszeiten, Mindestruhezeiten und nun auch die Ruhepausenzeiten. Von den Regelungen nicht betroffen sind Fahrer, die EU-Länder nur durchfahren sowie bilaterale Transporte durchführen.

Aus Sicht des Gesamtverbandes Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN) ist die Regelung „ein toller Erfolg“, wie Hauptgeschäftsführer Benjamin Sokolovic sagte. Die Umsetzung sei sachgerecht und ausgewogen und werde hoffentlich zu mehr fairem Wettbewerb führen. Es sei nun klar geregelt, dass bei Kabotagefahren die deutschen Arbeitsbedingungen gelten.

Arbeitgeber fürchten mehr Bürokratie

Fairere Wettbewerbsbedingungen erhofft sich auch der Bundesverband Spedition und Logistik (DSVL). Wenn als Folge des Mobilitätspaketes einheitlich bis 2026 auf allen Fahrzeuggewichtsklassen intelligente Fahrtenschreiber der zweiten Generation eingeführt sind, sei es auch möglich, Grenzübergänge remote auszulesen, sagte Verbandsvertreter Raul Wintjes. Dadurch werde das Entdeckungsrisiko gesteigert und könnten Verstöße gegen das Entsenderecht schneller erkannt werden.

Aus Sicht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) führen die zahlreichen Nachweis- und Dokumentationspflichten allerdings zu einem erhöhten bürokratischen Aufwand für die Unternehmen im Straßenverkehrssektor. Zudem werde die Verschärfung der Kabotageregelungen aus Sicht der BDA keinen Beitrag zur Linderung des Problems des Fahrermangels in Deutschland leisten, sagte BDA-Vertreter Roland Wolf in der Anhörung.

Jürgen Fein von der beim Zoll angesiedelten Finanzkontrolle Schwarzarbeit sieht nun Rechtsklarheit für Fahrer, Unternehmung und Kontrollbehörden, da diese jetzt wüssten, welche Unterlagen mitgeführt und auf Verlangen vorgelegt werden müssen. So müsse der Fahrer nun einen Entsendemeldung mitführen, wenn er eine Kabotagefahrt durchführt. Aus der Meldung gingen der Arbeitgeber und die Dauer der Entsendung hervor. „Das erleichtert die Prüfung“, sagte Fein.

Komplexe Richtlinienvorgabe wird noch verkompliziert

Kritik kam von Michael Wahl vom Beratungsnetzwerk Faire Mobilität. Der Regierungsentwurf verkompliziere eine ohnehin schon komplexe Richtlinienvorgabe. Jede Umsetzung müsse sich aber daran messen lassen, dass Lkw-Fahrer in der Lage sein sollen, ihre Rechtssituation auch selbst beurteilen und verstehen zu können, sagte Wahl. Wende man diesen Maßstab an, so müsse der Regierungsentwurf als nicht geglückt bezeichnet werden.

Über die Situation der rumänischen Lkw-Fahrer in Deutschland sprach die rumänische Gewerkschaftlerin Elena Frandes. Die Arbeits- und Lebensbedingungen für die Fahrer seien „unmenschlich“, befand sie. Sie müssten an ihren Autos kochen und in der Fahrerkabine schlafen. Solange das so sei, werde es auch viele Unfälle geben, an denen rumänische Fahrer beteiligt sind, sagte Frandes.

Edwin Atema, Gewerkschaftsvertreter aus den Niederlanden und Verhandlungsführer rund um den Streik georgischer und usbekischer Lkw-Fahrer auf dem Rastplatz Gräfenhausen wegen ausgebliebener Lohnzahlungen, sagte, der Fall Gräfenhausen sei nichts Neues. Besonders sei lediglich gewesen, dass das Unternehmen ganz offen seine Schlägertrupps nach Deutschland zu den streikenden Fahrern geschickt habe. „Wir sehen aber an jedem Tag, dass Fahrer aus dem Lkw gezogen werden und auf Rastplätzen ihrem Schicksal überlassen werden“, sagte Atema.

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