Mit einem dramatischen Appell wandte sich der Bundesverband Güterkraftverkehr BGL an das Bundesverkehrsministerium und das Auswärtige Amt. "Illegale Flüchtlingsströme in Calais: Fahrer fürchten um Leib und Leben", überschrieb der Verband eine Pressemitteilung.
Tatsächlich berichten immer mehr Fahrer und Unternehmer von Problemen mit Migranten nicht nur in Calais, auch in Patras, Tanger und anderen Häfen. Das bestätigen Dutzende Berichte von Kollegen auf der Facebook-Seite des TRUCKER. Von gewaltsamen Übergriffen ist bisher glücklicherweise zwar kaum die Rede, aber die Angst geht um. Es drohen drastische Strafen von mehreren tausend Euro, wenn nach der Ankunft in Großbritannien Flüchtlinge an Bord gefunden werden. Das kann die wirtschaftliche Existenz bedrohen. Anklagen wegen Menschenschmuggels sind möglich, obwohl die Fahrer alles Erdenkliche unternehmen, um sich vor blinden Passagieren zu schützen.
KAPUTTE SCHEINWERFER UND PLANENSCHÄDEN
Die Massen an Flüchtlingen haben stark zugenommen. In Calais sind es Tausende. Für den Einzelnen wird es schwieriger, eine Mitfahrgelegenheit auf die Insel zu bekommen. Die Zahl der Migranten lässt offenbar die Hemmschwelle sinken. Früher habe man in aller Heimlichkeit versucht, in den Lkw zu gelangen, berichtet Horst Kottmeyer, Geschäftsführer der gleichnamigen Spedition, die täglich 15 bis 20 Fahrer im Englandverkehr im Einsatz hat. Heute klettern die Migranten am helllichten Tag auf die Auflieger.
Die Fahrer trauen sich nicht mehr, den Vordermann zu warnen, sagt Kottmeyer, weil sie damit rechnen müssten, dass der eigene Lkw mit Steinen beworfen wird. "Kaputte Scheinwerfer, Planenschäden ohne Ende, kaputte Dächer, beschädigte Ware" - für Kottmeyer an der Tagesordnung. Man werde zwar selbstverständlich das Geschäft mit Großbritannien weiterführen, sei aber nicht darauf erpicht, zusätzliches Geschäft auf der Insel aufzubauen. Der erste Fahrer wolle nicht mehr im Englandverkehr eingesetzt werden, obwohl er immer gerne gefahren war. Die Stimmung sei schlecht. "Für die Fahrer ist das eine echte Strapaze."
Kottmeyers Fahrer halten hinter Antwerpen nicht mehr an. Die Fahrzeuge werden mit Zollschnüren verplombt. Man mache einen CO2-Check und eine Herzschlagkontrolle. Sicherheit gebe das alles nicht. Habe man einen Flüchtling drauf, werde man behandelt wie ein Schwerverbrecher.
"Man hört oft, dass die französische Polizei wegschaut", sagt Daniel Torres, Referent für internationale Verkehre beim BGL. Man würde das Problem wohl gerne nach England verlagern. Kottmeyer zeigt Verständnis für die Flüchtlinge, die schon ihr Leben riskiert hätten, um bis nach Calais zu kommen. "Es kann nicht sein, dass die Probleme auf dem Rücken von Fahrern und Unternehmern ausgetragen werden", betont Torres.Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, die deutschen Botschaften hätten ihren Austausch mit den französischen und britischen Behörden über mögliche Hilfestellungen für Lkw-Fahrer intensiviert. Das Bundesverkehrsministerium hat offenbar bei den Franzosen abgeschaut, vertröstet immer wieder und verweist schließlich auf das Auswärtige Amt.