Die International Road Transport Union (IRU) warnt davor, dass die Situation beim Mangel an Lkw- und Busfahrern in Europa aufgrund der steigenden Verkehrsnachfrage und der Überalterung der Fahrer außer Kontrolle geraten könne. In einem neuen Bericht weist die IRU drauf hin, dass es eine wachsende Kluft zwischen Fahrern, die in den Ruhestand gehen, und neuen Fahrern gibt. Die Zahl der unbesetzten Lkw-Fahrerstellen werde sich bis 2026 auf über 60 Prozent verdreifachen und die Zahl der Busfahrer bis 2026 sich laut der IRU sogar auf fast 50 Prozent mehr als verfünffachen.
IRU-Generalsekretär Umberto de Pretto warnte angesichts der aktuellen Lage: „Die Krise des Fahrermangels in Europa beschleunigt sich rasch und stellt eine große Gefahr für den Kontinent dar, wenn nichts unternommen wird.“ Wenn keine Maßnahmen ergriffen würden, um den Beruf des Kraftfahrers zugänglicher und attraktiver zu machen, könnten laut der IRU in Europa bis 2026 über zwei Millionen Fahrer fehlen, was sich auf die Hälfte aller Gütertransporte und Millionen von Personenfahrten auswirken würde.
In dem neuen IRU-Bericht werden sechs Länder untersucht, die zwei Drittel des gesamten europäischen Straßengüterverkehrs ausmachen, und vier Länder für den Personenverkehr, der 28 Prozent des gesamten Sektors ausmacht.
Obwohl die Löhne von Kraftfahrern bis zu fünfmal höher sind als die durchschnittlichen Mindestlöhne, enthält der Bericht alarmierende Daten über die Schwierigkeiten beim Zugang zum Beruf des Kraftfahrers, insbesondere für junge Menschen, und seine Attraktivität, insbesondere für Frauen. „Ohne Fahrer werden Europas Wirtschaft, soziale Mobilität und Klimaplan ins Stocken geraten. Aber es gibt bewährte Lösungen, insbesondere wenn Industrie und Regierung zusammenarbeiten“, sagte Umberto de Pretto.
Der Anteil junger Fahrer ist gering (sechs Prozent im Güterverkehr und fünf Prozent im Personenverkehr), dies trotz einer anhaltend hohen Jugendarbeitslosigkeit in vielen Ländern, so die IRU. Auch der Anteil der Frauen an den Lkw-Fahrern ist gering, obwohl die Frauenarbeitslosigkeit in einigen Ländern sehr hoch ist. Spanien beispielsweise hat eine der höchsten Frauenarbeitslosenquoten in Europa (14 Prozent), aber einen der niedrigsten Anteile an Lkw-Fahrerinnen (gerade einmal zwei Prozent), im Gegensatz zu den Busfahrerinnen (12 Prozent).
Die IRU bezeichnet mit Blick auf die Rekrutierung von neuen Fahrern und Fahrerinnen den Zugang und die Attraktivität des Berufes als entscheidend. In diesem Zusammenhang betont die IRU, dass das Mindestqualifikationsalter für Lkw-Fahrer in fünf EU-Ländern immer noch bei 21 Jahren liegt und für die meisten Berufe im Kraftomnibusgewerbe EU-weit zwischen 21 und 24 Jahren, was ein großes Hindernis für Schulabgänger darstellt.
Auch die hohen Kosten für Führerschein und Ausbildung sind ein Hindernis. In Frankreich kostet ein Lkw-Führerschein 5300 Euro, mehr als das Dreifache des durchschnittlichen monatlichen Mindestlohns, während in Deutschland ein Führerschein für Kraftomnibusse im Durchschnitt 9000 Euro kostet, mehr als das Vierfache des monatlichen Mindestlohns.
Zudem sei Sicherheit, insbesondere für weibliche Fahrer, von entscheidender Bedeutung, um den Beruf attraktiver zu machen. 95 Prozent des Lkw-Fahrpersonals und 94 Prozent der Transportunternehmen räumen ihr höchste Priorität ein. Doch nur drei Prozent der bestehenden Lkw-Parkplätze in der EU sind laut IRU-Angaben als sicher zertifiziert.
Der öffentliche und der private Sektor „müssen zusammenarbeiten, um den Fahrermangel zu bekämpfen“, fordert die IRU. In dem Bericht werden 20 Lösungen vorgestellt, die derzeit von Straßenverkehrsverbänden, Unternehmen und Verladern umgesetzt werden. Auch die Behörden müssen Maßnahmen ergreifen, um eine Verschärfung des Mangels zu verhindern, darunter sind die Festsetzung des Mindestalters für das Führen von Kraftfahrzeugen auf 18 Jahre, mit Ausbildung ab 17 Jahren, die Subventionierung der Führerschein- und Ausbildungskosten für neue Fahrer sowie der Bau von mehr sicheren und geschützten Parkplätzen. (tb)