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Sonntags Gas geben

26.07.2012 08:00 Uhr
Sonntags Gas geben
Hitzige Diskussion um die Sonn- und Feiertagsfahrverbote entbrannt.
© Foto: Fotolia/Beatuerk

LKW-Fahrverbote an Sonn- und Feiertagen sollten flexibler gehandhabt werden, fordern mehrere Transportverbände. Ein dickes Brett.

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Von Jarplund-Weding sind es keine zehn Kilometer bis zur Grenze nach Dänemark. Hier hat das mittelständische Transportunternehmen Chr. Carstensen seinen Sitz. Das Sonntagsfahrverbot für LKW ist Christian Carstensen, Junior-Chef des 150 Mitarbeiter zählenden Betriebs, ein Dorn im Auge.

Dass seine Laster am Sonntag erst um 22 Uhr losfahren dürfen, empfindet Carstensen als klaren Wettbewerbsnachteil: "Liefertermine sind so teilweise nicht einzuhalten", klagt er. In der Konsequenz muss er bestimmte Aufträge ablehnen. Eine zeitliche Lockerung des Sonntagsfahrverbots würde Carstensen einiges bringen. "Bestünde die Möglichkeit, dass der Fahrer schon sonntags nachmittags losfahren könnte, wäre die Belieferung von Südrelationen am Montag viel einfacher."

Er ist nicht der Einzige, der sich an den geltenden Regelungen stört. Zum Tag der Nordlogistik Mitte April haben mehrere Verkehrsverbände aus Hamburg und Schleswig-Holstein in einem Positionspapier auf verkehrspolitische Themen aufmerksam gemacht, die dem Transportgewerbe im Norden auf den Nägeln brennen. Darin fordern die Verbände auch die Verkürzung des Sonntagsfahrverbots von 22 auf 18 Uhr. Überreicht wurde das Positionspapier an mehrere Landespolitiker und an den Parlamentarischen Staatssekretär Enak Ferlemann (CDU). In der länderübergreifenden Initiative "Nordlogistik" haben sich der Verband Straßengüterverkehr und Logistik Hamburg (VSH), der Verein Hamburger Spediteure (VHSp), der Unternehmensverband Logistik Schleswig-Holstein (UVL), die Straßenverkehrsgenossenschaft Hamburg (SVG) sowie die Straßenverkehrsgenossenschaft Schleswig-Holstein (SVG) zusammengeschlossen.

"Schleswig-Holstein ist weit weg von den Zentren der Republik", argumentiert Frank Wylezol, Geschäftsführer des VSH. Die randständige Lage der Bundesländer im Norden macht den Transportunternehmen Probleme: "Wenn unsere LKW erst sonntags um 22 Uhr losfahren, erreichen sie nicht rechtzeitig die wichtigen Wirtschaftszentren." Das grundsätzliche Sonntagsfahrverbot wolle man gar nicht in Frage stellen. "Es geht uns um eine Flexibilisierung, nicht um die Abschaffung des Sonntagsfahrverbots", betont Wylezol.

Peter Boyens, Präsident des Unternehmensverbandes Logistik in Schleswig-Holstein (UVL) geht noch weiter und will die Nacht von Samstag auf Sonntag aus dem Verbot nehmen. "Wir fordern, dass wir sonntags von 0-6 Uhr und ab 18 Uhr fahren dürfen", sagt der Geschäftsführer der Boyens Spedition. Der UVL ist der Dachverband von fünf Logistik-Landesverbänden in Schleswig-Holstein.

ENTZERRT: GEGEN KOLONNEN UND PARKPLATZNOT

"Wir versprechen uns von den veränderten Zeiten eine bessere Verteilung der Fahrzeuge auf der vorhandenen Infrastruktur", argumentiert Boyens. Viele Probleme könnten durch eine - wie er es nennt - "intelligentere Steuerung des Verkehrsflusses" gelöst werden: das Kolonnenfahren der LKW ab 22 Uhr oder der massive Parkplatzmangel. Ein weiteres Argument für eine Flexibilisierung ist der Biorhythmus seiner Fahrer. "Sie könnten nach einer Fahrschichtzeit von 4,5 Stunden die Pause einlegen und dann acht Stunden in den normalen Nachtstunden schlafen. Heute starten sie um 22 Uhr und fahren neun bis zehn Stunden, um dann, wenn die Sonne aufgeht, für zwölf Stunden den LKW abzustellen", bemängelt der Firmenchef.

Gewerkschaftern klingeln bei solchen Forderungen die Ohren. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi fürchtet, dass eine Verkürzung des Sonntagsfahrverbots nur der Türöffner für die weitere Aushöhlung des Schutzraumes "Sonntag" sein könnte. Detlef Dreyer, Logistikexperte im Fachbereich Postdienste, Speditionen und Logistik bei Verdi, ist für den unbedingten Schutz der Arbeitsruhe: "Die Unterordnung des gesellschaftlichen Lebens unter ausschließlich wirtschaftliche Interessen dürfen wir im Interesse der Arbeitnehmer nicht akzeptieren, denn sie würde zu einer totalen Entgrenzung der Arbeitszeiten auf 7 Tage in der Woche, 365 Tage im Jahr und rund um die Uhr führen", fürchtet Dreyer.

Genau davon träumt Willem-Jan van Vorstenbos, Managing Director der mittelständischen Emons Cargo im niederländischen Milsbeek, nahe der deutsch-niederländischen Grenze. "Die bestehende Einschränkung gehört für mich nicht mehr in unsere Zeit", wundert sich van Vorstenbos. Die internationalen Wirtschaftsabläufe seien mehr und mehr von der Formel "24/7/365" geprägt. Der stark in der Kontraktlogistik engagierte Betrieb leidet unter dem Sonntagsfahrverbot: "Wir können sowohl unsere Fahrzeuge als auch unsere Fahrer nur suboptimal einsetzen", betont Vorstenbos. Ausnahmegenehmigungen nutzt Emons BV regelmäßig, doch stünden sie nur für eine begrenzte Anzahl von Produkten zur Verfügung - etwa bei leicht verderblichen Lebensmitteln.

Auch seitens der verladenden Industrie sähe man gerne eine flexiblere Handhabung. Der Bundesverband Groß- und Außenhandel (BGA) unterstützt seit jeher die Flexibilisierung des Sonntagsfahrverbotes. "Die Kostenbelastung für die transportierende, und damit auch für die verladende Wirtschaft durch den Stillstand der LKW an jährlich über 65 Sonn- und Feiertagen ist groß", konstatiert Kim Cheng, Abteilungsleiterin Verkehr und Logistik.

Konkret komme es beispielsweise bei Fahrten von Hamburg nach Rotterdam zu Problemen, weil Zeitfenster oftmals nicht eingehalten werden könnten. Ähnlich sei es bei vielen Ost-West Verkehren. Der Aufwand für die Beantragung von Ausnahmegenehmigungen sei sehr hoch und in den einzelnen Bundesländern und Kommunen werde deren Erteilung sehr unterschiedlich gehandhabt. Der BGA wünscht sich daher einen Pilotversuch, mit einem auf 20 Uhr verkürzten Sonntagsfahrverbot.

POLITIK ZEIGT SICH SEHR ZURÜCKHALTEND

Nun wäre die Politik am Zug. Doch die zeigt sich - freundlich ausgedrückt - sehr zurückhaltend. "Ich bin der Meinung, dass sich die bisherigen Regelungen zum Sonntagsund Feiertagsfahrverbot für LKW bewährt haben", sagt der verkehrspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Sören Bartol. Zwar zeigt sich der Sozialdemokrat grundsätzlich gesprächsbereit: "Sicherlich muss im Dialog mit dem Gewerbe geschaut werden, an welcher Stelle es Änderungsbedarf gibt." Mit Blick auf die Verkehrssicherheit sieht er eine Aufweichung der geltenden Regelung aber skeptisch. Fast deckungsgleich äußert sich sein Parlamentskollege Dirk Fischer von der CDU. Der verkehrspolitische Sprecher lässt verlauten: "Die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion plant keine Initiative zur Lockerung der bestehenden Regelungen im Sonn- und Feiertagsverkehr für LKW." Gute Chancen auf Umsetzung dürften allerdings Forderungen nach einer Freigabe des LKW-Verkehrs an bundesweit nicht einheitlichen Feiertagen haben. Dazu gehören Fronleichnam, Allerheiligen und der Reformationstag. Fronleichnam beispielsweise gilt nur in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, NRW, Rheinland-Pfalz und im Saarland als Feiertag. Für LKW gilt in den betreffenden Bundesländern aber ein Fahrverbot.

Der Thüringer Verkehrsminister Christian Carius (CDU) schlug schon vor einigen Wochen vor, über eine Lockerung der Regelungen nachzudenken. Eine Mehrheit der Länder habe sich für den Vorschlag bereits ausgesprochen (s. Interview). Doch gibt es auch kritische Stimmen, beispielsweise aus dem Süden der Republik: "Grundsätzlich muss am LKW-Fahrverbot für alle Sonn- und Feiertage festgehalten werden, auch für solche, die nur in Bayern gelten", fordert etwa der bayerische Innenminister Herrmann (CSU).

ENDE DER KLEINSTAATEREI BEI DEN FEIERTAGEN

Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) sieht in der "Kleinstaaterei regionaler Feiertage" einen Schaden für den modernen Wirtschaftsstandort, der keinen erkennbaren Nutzen stiftet. "Wir müssen mit diesem Unfug aufhören", fordert BGL-Hauptgeschäftsführer Karlheinz Schmidt. Der BGL hatte bereits im Oktober 2011 einen dringenden Appell an die Landesverkehrsminister gerichtet, auf Transitautobahnen das Durchfahren zu gestatten, wenn am Reformationstag (31. Oktober) und an Allerheiligen (1. November) zwei regionale Feiertage zuerst im Osten und anschließend im Westen den LKW-Verkehr lahmlegen.

Von den Forderungen der Landesverbände im Norden, das Sonntagsfahrverbot zu flexibilisieren, distanziert sich der BGL als Dachverband hingegen deutlich. "In dieser Regelung sehen wir keine bundesweiten Vorteile." Schmidt bezeichnet den Vorstoß der Landesverbände Schleswig-Holstein und Hamburg als "stark kontraproduktiv". Die unbeabsichtigte Duplizität der beiden unabhängigen Forderungen könnte laut Schmidt dazu führen, dass der Ansatz der Lockerung des Feiertagsverbots versickert. "Wir handeln uns damit ein 'Rambo-Image' ein und erwecken den Eindruck in der Öffentlichkeit, dass wir nicht satt werden."

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