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Oldtimer-Report: Heinz sein Spielzeug

01.07.2013 08:00 Uhr
Oldtimer-Report: Heinz sein Spielzeug
Vater und Sohn: Der 333er (l.) mit seinem Nachfolger 334. Neuer Grill, andere Scheinwerfer, mehr PS
© Foto: Gerhard Grünig

Heinz Kempf reitet ein Steckenpferd: Oldtimer. Uns lud er zur exklusiven Jungfernfahrt in der 333er-Sattelzugmaschine!

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Es ist infernalisch laut in der Pullman-Kabine des "Tausendfüßlers". Der Name des Mercedes-Benz LP 333 leitet sich aus der ungewöhnlichen Zahl von vier Vorderrädern ab. Und die Bezeichnung Pullman sollte verdeutlichen, dass er ein besonders geräumiges Fahrerhaus hat ...

Mit heutigen Maßstäben gemessen, wirkt die Kabine winzig. Ein gigantischer Motortunnel trennt Chauffeur und Beifahrer. Wenn der 333er so richtig in Fahrt ist, verhindert die Geräuschkulisse des Vorkammer-Motors jede Unterhaltung. Im Sommer strahlt er so viel Hitze ab, dass sich die Insassen den Saunagang sparen konnten. Im Winter pfeift der eiskalte Wind durch jede Ritze. Trotz "Motorheizung" war Frieren hier Programm!

Heute stört das niemanden mehr. Besitzer Heinz Kempf, Trailer-Hersteller aus dem Westerwald, hat den Benz in liebevoller Detailarbeit originalgetreu restauriert und holt ihn nur bei schönem Wetter aus der Garage. Wobei, originalgetreu?! So ganz nicht mehr. Die alten 10,8-Liter-Sechszylinder waren keine Dauerläufer. Mercedes quetschte damals 200 Sauger-PS aus den kleinvolumigen Triebwerken, um die nötigen sechs PS/Tonne zu erreichen.

Viele der hochdrehenden Motoren starben einen schnellen Tod. Erst bei 2200 Touren stand die Höchstleistung an. Geschaltet wurde nach Gehör - einen Tourenzähler gab's nicht mal gegen Aufpreis. Deshalb verrichtet bei Kempfs Exemplar - übrigens die einzige verbliebene, fahrbereite Sattelzugmaschine - ein etwas modernerer Direkteinspritzer Dienst. Insgesamt verließen zwischen 1958 und 1961 nur 1833 der exotisch anmutenden Laster das Benz-Werk.

Noch heute steckt die "Kraft" in der Berufsbezeichnung Kraftfahrer. Und angesichts des LP 333 wird klar: dieser Titel passt perfekt! Trotz 55 Zentimeter Lenkraddurchmesser, ein ordentlicher Bizeps hilft ungemein, um die vier gelenkten Räder auf Kurs zu halten. Leer ist's besser, aber da hat der Tausendfüßler - früher wie heute - seine lieben Traktionsprobleme. Das Konzept ließ ohne Ladung nur wenig Gewicht an den Antriebsrädern zu.

DA WAR MAN KRAFTFAHRER IM SINNE DES WORTES

Auch die Schaltarbeit verlangt den ganzen Mann. Dank jahrzehntelanger Übung arbeitet sich Heinz Kempf virtuos durch die unsynchronisierten sechs Gänge. Vorausschauendes Fahren bekommt plötzlich einen noch höheren Stellenwert: Der Tritt auf den Knopf für die pneumatisch betätigte Auspuffklappenbremse hat kaum Wirkung, die Betriebsbremse verzögert schon leer nur spürbar, wenn der Fahrer sein ganzes Gewicht aufs Pedal wuchtet. Die gelegentlichen Versuche, Konversation zu betreiben, ersticken im Motorenlärm - und ich wollte schon fragen, warum der Mercedes kein Radio hat ...

Und warum er eine zweiteilige Frontscheibe hat? 1958 war es noch eine Kunst, Glas zu biegen. Der Käfer hatte anno ´57 auch noch ein gerades Ovalfenster! Und dass ein Gummipuffer nicht wirklich federt, zeigt sich an der rappeligen Kabine. Und da heißt es immer, früher war alles besser.

HINTERGRUND

Zwei Vorderachsen für mehr Nutzlast

Zum 1. Januar 1958 galten die "Seebohmschen Gesetze", benannt nach dem damaligen Verkehrsminister Hans-Christoph Seebohm. Sie sollten die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn verbessern und beschränkten Länge und Gewicht von LKW-Kombinationen. Der LP 333 realisierte durch die beiden eng zusammenstehenden Vorderachsen die maximal möglichen 24 Tonnen Gesamtgewicht bei 14 Meter erlaubter Gesamtlänge und 6 PS/t.

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