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Schiffs-Schwertransport: Kombi-Verkehr

03.04.2017 08:00 Uhr
Schiffs-Schwertransport: Kombi-Verkehr
Auf zwei Teifladern reiste die MS Utting in die Landeshauptstadt
© Foto: Picture-Alliance/Alexander Heinl

Ein Schwerlaster brachte ein ausgemustertes Ausflugsschiff vom Ammersee auf die Schiene. Die Zuschauer staunten, wie gut Schiffs-, Straßen- und Bahnverkehr harmonieren können.

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Die 1941 gegründete, inhabergeführte Spedition Robert Kukla ist international tätig, hat Niederlassungen in sechs verschiedenen Ländern und arbeitet mit Kooperationspartnern weltweit zusammen. Diesmal aber hatte das Transportunternehmen ein Heimspiel zu organisieren: Ende Februar holte man eine alte Dame, das in Rente gegangene Motorschiff "Utting", vom bayerischen Ammersee an ihren neuen Liegeort nach München-Sendling, wo auch Kuklas Stammsitz ist. Die 67 Jahre alte MS Utting wird in der Landeshauptstadt ein zweites Leben führen. Bis zum Sommer 2016 war das Schiff im Dienst der Bayerischen Seenschifffahrt mit bis zu 400 Ausflüglern an Bord zwischen den verschiedenen Ammersee-Häfen unterwegs gewesen. Mit einer Motorleistung von 248 kW und der eingeschränkten Bewirtungsmöglichkeit konnte es nicht mehr mithalten. Flaggschiff der Flotte ist der Raddampfer Diessen mit einer Leistung von 760 kW. Künftig wird die MS Utting zur Begegnungsstätte für Künstler und Stadtteilbewohner. Initiator des Transports und neuer Besitzer ist der junge Zirkus-Betreiber Daniel Hahn (s. Kasten rechts).

67 JAHRE KAMPF GEGEN WIND UND WELLEN

Auch der Spedition Kukla war es ein Anliegen, die Rettung der Utting zu unterstützen. Kukla-Geschäftsführer Knut Sander: "Hier wurde wirklich out of the Box gedacht, um mit viel Mut mehrere Verkehrsträger auf originelle, sinnvolle und nachhaltige Weise miteinander zu kombinieren." Denn der Clou der Sache: Das Motorschiff hat seinen neuen Liegeplatz auf einem ausrangierten Bahngleis, erhöht auf einer alten Eisenbahnbrücke, und ist deshalb von Weitem, auch von der Straße aus gut zu sehen.

Kombiverkehr mal anders: Los ging es am 21. Februar mit dem Auseinandersägen der Utting. Die musste Federn lassen, weil sie zu hoch war, um sie im Ganzen durch zwei Tunnel in München zu befördern. Nachdem man sie ausgeschlachtet hatte, wurden das Oberund das Unterdeck mit einem horizontalen Schnitt getrennt und mit tonnenschweren Stahlträgern versehen, um die beiden Teile auf zwei Tieflader packen zu können. Die weiteren Maße des Schiffs waren für einen Schwertransport nicht unüblich - satte 144 Tonnen Gewicht, eine Länge von 36,42 Meter und eine Breite von 7,46 Meter. Eine Herausforderung stellte da eher das Alter des Dampfers dar: Immerhin 67 Jahre lang hat er gegen Wind und Wellen gekämpft, rostige Spuren zeugen davon. Mit der Flex, die beim Verzurren mehrfach eingesetzt werden musste, ging man daher eher vorsichtig um.

Während sich am Ufer des Ammersees zwei Autokrane positionierten, befestigen die Transportexperten von Schmidbauer Ketten und Traversen am Oberdeck. Wenige Stunden später schwebte das frühere Kabinenteil an Schlingen auf den ersten Tieflader. Währenddessen befestigten Rettungstaucher der Wasserwacht Buch die Hebegurte am Rumpf des Schiffs. Kein leichtes Unterfangen für die beiden jungen Männer, da starker Wellengang und böiger Wind herrschte. Um 14 Uhr schließlich hievten die Krane auch den Rumpf aus dem Wasser und auf den zweiten 24-Achser von Kübler.

Die Gefahr dabei: Die Tragegurte könnten bei dem Geschaukel an den teilweise scharfen Kanten des Schiffs Schaden nehmen - doch zum Glück ging alles gut. Am späten Abend waren beide Schiffsteile sicher verladen, die Helfer mussten jetzt nur noch einige Verkehrsschilder abschrauben, um den Weg zur Autobahn zu ebnen. Die Kübler-Spedition konnte hier auf jahrelange Expertise zurückgreifen, sie hat reiche Erfahrung mit "Kombi-Verkehren": Wer ein Flugzeug wie die Concorde per Schiff transportieren kann, kann auch ein Schiff auf eine Eisenbahnbrücke lotsen. Um 22 Uhr schließlich begegneten Verkehrsteilnehmer dem Schwertransport auf der A 96 Lindau, gegen Mitternacht war die Stadtgrenze erreicht. Jetzt sperrte die Polizei den Candidtunnel sowie die Brudermühlbrücke für den Verkehr, um den Konvoi passieren zu lassen.

WAS ZUSAMMENGEHÖRT, SOLL ZUSAMMENBLEIBEN

Nur an einer einzigen Stelle wurde es - erwartungsgemäß - zu eng für die 40-Meter-Tieflader. Um von der Brücke auf die Schäftlarnstraße abbiegen zu können, mussten deshalb die Zugmaschinen nach hinten gehängt werden. Nach insgesamt sechs Stunden Fahrt war die sogenannte Lagerhausbrücke neben der Großmarkthalle erreicht und die neue Nachbarin wurde dort mit einem Blaulichtgewitter von den Fahrzeugen der Hilfsorganisation der Johanniter begrüßt.Am frühen Morgen, nach einigen Stunden Pause, hievten die Experten von Schmidbauer den Schiffsrumpf mit größter Vorsicht auf die Eisenbahnbrücke. Sie war zuvor mit einem schweren Holzgestell präpariert worden, und auch ein Container, den die Betreiber für das geplante Café brauchen, war schon positioniert. Trotz der Windböen gelang auch das knifflige Aufsetzen des fragileren Oberdecks ohne Komplikationen oder Schäden - hier konnten die Kranexperten zeigen, was Millimeterarbeit ist. Neben den vielen Zuschauern freute sich besonders der neue Schiffseigner Daniel Hahn: "Ich bin beeindruckt von dem Anblick. Wir begreifen noch gar nicht, dass das, was wir monatelang geplant haben, jetzt real ist", sagte er zu den Reportern der Münchener Tageszeitung "tz".

BINNEN ZWEI TAGEN ZUM MEDIENSTAR AVANCIERT

Inzwischen liegt die MS Utting wieder zusammengeschweißt und sicher vor Anker und avanciert immer mehr zum Medienstar. Sogar Besuch vom Oberbürgermeister Münchens gab es. Die Sendlinger Stadtteilbewohner freuen sich schon jetzt auf die neue Kaffeebar auf dem Oberdeck. Zum Medienstar ist die MS Utting sowieso schon geworden, durch die Live-Berichterstattung im Bayerischen Fernsehen, auf mehreren Nachrichtenkanälen und auf der Facebookseite der Münchener Polizei - und auch als begehrtes "Selfie"-Objekt.

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