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Selbstständig lohnt nicht: Toni Maurer gibt auf

05.08.2013 08:00 Uhr
Selbstständig lohnt nicht: Toni Maurer gibt auf
Lack ab: Toni Maurer entfernt den Firmenschriftzug
© Foto: Reiner Rosenfeld

Toni Maurer gibt auf. Nach sechs Jahren als Kleinunternehmer wirft er das Handtuch. Es lohnt sich für ihn einfach nicht.

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Es ist ein trister Tag, kalt und regnerisch, als Toni "Mörtel" Maurer in Wangen beginnt, seine Kabine leerzuräumen. Sorgsam wie immer, wenn er etwas macht, nimmt er die Gardinen ab und trägt sie rüber zum privaten PKW. Dann greift er zum Schraubenzieher und fängt an, das mobile Büro, bestehend aus Laptop, Drucker und Fax auszubauen. Es hat ihm stets gute Dienste geleistet, wenn er als Selbstständiger unterwegs Transportaufträge übernommen hat.

Aber er wird es nicht mehr brauchen. Denn Toni Maurer will nicht mehr weitermachen als selbstständiger Unternehmer - er hat die Schnauze voll und verkauft den Lastwagen!

Warum aber gibt einer auf, der sich sechs Jahre lang mit dem eigenen LKW im internationalen Transportgeschäft behauptet hat? Warum wirft einer das Handtuch, der einen abgezahlten, gepflegten Truck sein Eigen nennt? Warum verkauft Toni Maurer ausgerechnet jetzt den Lastwagen und setzt sich wieder als angestellter Fahrer hinters Steuer?

"Ganz einfach, weil ich jetzt noch aus der Unternehmernummer rauskomme, ohne Geld verloren zu haben. Wie sich das Transportgewerbe in den nächsten Monaten entwickelt, das kann heute doch keiner mehr sagen. Und jetzt kann ich den LKW noch so gut verkaufen, dass ich sogar mein investiertes Geld wieder auf dem Konto habe!", erklärt der 44-jährige Allgäuer, der als Selbstständiger im Transportgewerbe einfach keine Zukunft mehr sieht. "Dafür habe ich in den letzten Jahren zu viele Firmen gesehen, die den Bach runter gegangen sind, darunter Große und Kleine", erklärt der drahtige Unternehmer, der selbst vor ein paar Monaten beinahe hätte Konkurs anmelden müssen. Damals hatte sein Hauptauftraggeber, ein Schweizer Spediteur, auf einmal keine Arbeit mehr für ihn. Gleichzeitig wurden fällige Zahlungen drei Monate lang nicht beglichen. Das hält finanziell keiner durch, der zuvor schon Zahlungsziele von sechzig Tagen akzeptieren musste, um im sonst gut bezahlten Schweizgeschäft am Ball zu bleiben.

GLÜCK GEHABT: VOR DER PLEITE KAM DAS GELD

Toni Maurer konnte sich damals nur mit einem Privatkredit über Wasser halten und hatte dabei noch Glück im Unglück. Denn kurz bevor sein Schweizer Geschäftspartner Insolvenz anmelden musste, war der so fair, ihm noch schnell die ausstehenden Gelder zu überweisen. Andere Transporteure, die für den Schweizer unterwegs waren, kamen nicht so glimpflich davon.

"So was prägt, wenn dir bewusst wird, wie knapp du davongekommen bist!", stellt Toni Maurer nüchtern fest, der so ein ähnliches Spiel schon einmal erleben musste - damals allerdings mit einem deutschen Getränkelogistiker. Dort hatte er sich aber früh genug anderen Auftraggebern zugewandt, bevor der ihn in die Pleite manövrieren konnte.

Dabei hatte für Toni beim Einstieg ins Transportgeschäft vor sechs Jahren eigentlich alles gepasst. Schließlich hatte er sich damals mit seiner Lebensgefährtin Sonja Heidegger verantwortungsvoll auf die Selbstständigkeit vorbereitet und im ersten Jahr ein Fahrzeug gemietet, statt gleich zu leasen oder zu finanzieren. Trotzdem hatte der Gewinn gestimmt, denn Toni saß auf extralangen Touren nach Süditalien abwechselnd mit Sonja hinterm Steuer.

Doch Monat für Monat, Tag und Nacht gemeinsam auf vier Quadratmetern, so was kann eine Partnerschaft extrem belasten. Deswegen ging Toni irgendwann alleine auf Tour, während Sonja zu Hause blieb und die Buchhaltung erledigte. Irgendwie stimmte das Einkommen trotzdem am Ende, denn kleine Reparaturen bis hin zum Nachschneiden von Reifen konnte der gelernte Maschinenschlosser selbst erledigen.

ER WOLLTE KEINE HARTEN BANDAGEN ANLEGEN

So etwas senkt die Kosten, wenn Toni später auch unter der Reparaturanfälligkeit seines DAF XF105 leiden musste. Besonders die dauernden Getriebeprobleme fraßen Zeit und schmälerten den Umsatz. Zusammen mit ständig fallenden Frachtraten und gleichzeitig steigenden Kosten blieb da irgendwann, trotz optimaler Buchhaltung, kein Geld mehr übrig, in eine private Rentenversicherung einzuzahlen. So was nervt und kann ziemlich beunruhigend sein beim Blick aufs Alter.

Deswegen ist heute bei Toni auch nichts mehr zu spüren von der Begeisterung, mit der er vor Jahren in die Selbstständigkeit aufgebrochen ist. "Vielmehr sind, so beschreibt er es, "nur noch Wut und Enttäuschung für eine Politik übrig, die den deutschen Transportmarkt durch die Osterweiterung und überzogene Forderungen an Unternehmer ruiniert."

Dabei nennt Toni Maurer zwei Erlebnisse, die ihm vor Augen geführt haben, dass er kaum Chancen hat, als ehrlicher Einzelkämpfer im Transportgewerbe zu überleben. In einem Fall musste er zusehen, wie der Chauffeur eines großen Spediteurs vor den Augen der italienischen Polizei mit einem Magneten bewaffnet unter den LKW kletterte, ohne behelligt zu werden. In einem anderen Fall wurde ein innerdeutscher Transportauftrag an einen rumänischen Frächter übergeben, während er selbst leer ausging. In diesem Konkurrenzkampf könnte er, so stellt es sich für Toni Maurer heute dar, nur noch mit extrem harten Bandagen bestehen. Weil er sich die aber nicht anlegen will, hat er sich entschieden, den Euro-6-Actros, den er eigentlich schon als Nachfolger des DAF ausersehen hatte, von der To-do-Liste zu streichen.

Stattdessen sieht er sich jetzt lieber nach einem Job als angestellter Fahrer um. Denn eines weiß der clevere Allgäuer sicher: Für die Chance, als Selbstständiger am Jahresende ein paar Euro mehr im Geldbeutel zu haben, wird er sich nicht mehr dem Risiko aussetzen, irgendwann mit Schulden dazustehen.

Zunächst aber sind für Toni Maurer ein paar Wochen Nichtstun und Erholung angesagt. Denn die stressigen Jahre mit viel zu wenig Freizeit und kaum Urlaub haben Spuren in seinem Privatleben und bei der Gesundheit hinterlassen. So ist seine Beziehung zu Sonja, mit der er den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt hatte, letztendlich daran gescheitert, dass er sich nach langen Touren nicht mal an den Wochenenden um die Freundin kümmern konnte. Denn da musste er Arbeiten am Fahrzeug oder am Trailer erledigen. Und gesundheitlich fühlt er sich ausgelaugt. Er leidet unter Schmerzen in der Schulter, die er schon viel zu lange ignoriert.

Doch jetzt muss er den DAF noch an den griechischen Händler übergeben, der Truck und Trailer angekauft hat; ein Moment, den er fürchtet. Denn mit seinem LKW geht auch der Traum, sich im Leben etwas Eigenes aufbauen zu können; etwas, das weit darüber hinausgeht, was er jemals als angestellter Fahrer erreichen kann.

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