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Trucking in Malaysia

26.08.2013 08:00 Uhr
Trucking in Malaysia
In Kuala Lumpur, Hauptstadt von Malaysia, boomt die Wirtschaft
© Foto: Stefan Pertz

Fahrer in Südostasien: mieses Image, aber mehr Lohn als ein Akademiker. TRUCKER-Autor Stefan Pertz war mit malaysischen Kollegen auf Tour.

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Leider genießen Fernfahrer in Südostasien kein gutes Ansehen. Die Meinung ist, dass LKW-Fahrer ja prinzipiell schon mal keine vernünftige Ausbildung haben, meist unter Drogeneinfluss fahren und sich im Verkehr als Rowdys geben. Wie in Deutschland haben viele Spediteure das Problem: Es sind nicht genug Fahrer verfügbar. Als Lösung, wie uns ein Spediteur sagt, nimmt man oft, was man kriegt.

Doch das Image vom Fernfahrer als ungehobeltem Raser stimmt nicht, bei den Truckern von TNT ist das Gegenteil der Fall. Wir steigen zu in einen modernen Scania R 380 und fahren von Kuala Lumpur (Malaysia) über Bangkok (Thailand) nach Savannaketh (Laos) - mehr als 3000 Kilometer, zu bewältigen in fünf Tagen.

Es gibt viel zu tun in Südostasien, und LKW spielen eine große Rolle. Die Knappheit an Fahrern treibt hier die Löhne: Ein Fahrer verdient leicht das Doppelte dessen, was ein Hochschulabsolvent nach erfolgreichem Abschluss verdient. Das Durchschnittseinkommen in Malaysia liegt bei 3000 malaysischen Ringgit (ca. 760 Euro). Als Fahrer verdient man hier um 4000 Ringgit, Gefahrguttransporteure kommen auf 8000 bis 10.000. Das malaysische Gesetz schreibt Lizenzen vor, die sehr teuer sind. Das können sich nur größere Firmen leisten, Einzelunternehmer gibt es so gut wie nicht. Fahrer sind Angestellte mit wenig Einfluss.

PIRATEN: TRUCKS WERDEN SCHON MAL KOMPLETT GEKAPERT

Laut Aussage einiger Verbände hat sich die gesetzlich festgeschriebene Frachtrate in den letzten vierzig Jahren nicht geändert. Um Geld zu verdienen, versuchen viele Unternehmer ihr Glück mit illegalen Methoden: LKW werden schon mal mit bis zu 60 Tonnen beladen, um aus jedem Trip mehr zu holen. Das Risiko von der Polizei gestoppt zu werden ist hoch, wird aber in Kauf genommen. Reifenfirmen kämpfen gegen die Ausrede, dass geplatzte Reifen "natürlich billige Runderneuerte aus China sind". Nein, die Probleme entstehen aus der Überladung und mangelnder Wartung.

Als Fahrer geht man hier einiges an Risiko ein. Sidhu Brothers etwa transportiert Palmöl. Das wird momentan bei etwa 1000 Euro pro Tonne gehandelt. In filmreifen Aktionen werden ganze LKW gekapert, der Fahrer an eine Palme gefesselt und gebeten, erst in ein paar Stunden um Hilfe zu rufen. Laut Jimmy Sidhu kommt es zu einem LKW-Diebstahl pro Monat. Firmen wie TNT statten daher die LKW und Container mit Kameras innen und außen aus, Trackingsysteme melden, wenn eine Tür geöffnet wird oder der Fahrer außerplanmäßig stoppt.

TNT überwacht von Singapur aus die gesamte Strecke des eigens geschaffenen Asian Road Network (siehe Kasten). Die Strecke ist straff geplant: Welche Route hat die beste Kombination aus Mautstellen im Verhältnis zur Wartezeit? Die Fahrer von TNT steuern ihre LKW mit Hilfe von GPS. Mautgebühren werden genau notiert, sonst muss der Fahrer zahlen. Ich treffe meine Crew früh um 6:30 Uhr am Internationalen Flughafen von Kuala Lumpur. Man entlädt gerade die Fracht aus Singapur, die zu Kunden in Malaysia geht. Neue Ware wird geladen. Der Container ist täglich mit 24 Paletten komplett ausgelastet. Nach der Verladung wird ein Bild gemacht, das per E-Mail an die nächste Station geschickt wird. So kann TNT nachvollziehen, was mit der Ware während des Transports passiert. Die Verladung nehmen die Fahrer vor, jeder Handgriff sitzt. Einer der Fahrer kümmert sich um die Ladung, der andere inspiziert den LKW und Anhänger. Bei jeder Verladung wird der gesamte LKW gecheckt - man kann es sich nicht leisten, liegenzubleiben. Die Länder sind groß, ein Monteurteam braucht Stunden. Der Zustand der Ware und des Fahrzeugs wird detailliert festgehalten. Jeder Fahrer unterschreibt Protokolle und Checklisten.

Es wird sofort klar, hier sind Profis am Werk. Die Akribie ist schnell erklärt: Jeder Mitarbeiter des ARN ist am Erfolg beteiligt. Es ist also im Interesse der gesamten Mannschaft, profitabel, professionell und präzise zu arbeiten. Es gibt 14 Tage Jahresurlaub für die Fahrer und TNT übernimmt Krankenversicherung und andere Vorteile. Pro Monat macht jeder Fahrer acht bis neun Touren und arbeitet somit 20 bis 21 Tage pro Monat. Dies ist nicht üblich. Die meisten Fahrer in Malaysia bekommen ihren Lohn und nicht mehr. "Wir haben Hunderte von Bewerbungen. Ja, wir arbeiten unter Zeitdruck und Stress, aber dieses Package macht den Job sehr attraktiv", erzählt mir mein Fahrer, einer der wenigen, die Englisch sprechen.

DAS BESTE MITTEL GEGEN DIEBSTAHL: IMMER IN BEWEGUNG BLEIBEN

Zum "Asian Road Network" zählen nicht zuletzt 14 Scania R 380 mit Euro-3-Motoren. Die LKW sind in tadellosem Zustand, kein Müll in der Kabine, die Fahreruniformen gestärkt und sauber. Die Fahrzeuge verteilen sich je zur Hälfte auf Thailand und Malaysia. Es handelt sich um Kabinen mit zwei Schlafplätzen. Warum, wird klar, sobald die Reise losgeht. Es sind je zwei Fahrer an Bord. Einer fährt für vier bis fünf Stunden, der andere schläft. Es geht von Singapur nach Alor Star im Norden Malaysias und zurück. Am Ende dieser Tour ruht die Besatzung für neun Stunden. Als ich an Bord will, erfolgt die Probe aufs Exempel: Das Öffnen der Tür löst einen Alarm aus, binnen 30 Sekunden wird der Fahrer angerufen, was da los ist. Normalerweise sind LKW Fahrer in Malaysia ja allein unterwegs. Es wird gefahren, bis man zu müde ist. Nicht so bei TNT. Hier wechseln die Fahrer ab, um Übermüdung vorzubeugen. Weiterer Vorteil: Der LKW ist ständig in Bewegung, um Diebstahl vorzubeugen. Mir wird gesagt, dass ich mich strikt an die Pausen halten soll, da die Fahrer sonst nicht anhalten können. Keine Chance auf touristische Bilder fürs Familienalbum. Ein Schild am Anhänger signalisiert, dass die Ware unter ständiger Überwachung ist. Aus dem Container sendet eine Kamera live in den Kontrollraum in Singapore.

Getankt wird nur an vorgeschriebenen Shell-Stationen, dort gibt's laut Scania den besten Sprit. Malaysia läuft immer noch in Euro 1 und es tummeln sich viele Anbieter von Chemikalien und Zusatzgeräten, die den Diesel verbessern. Der hohe Schwefelgehalt ist ein Problem. Da Euro 1 und 2 noch reguläre Norm sind, findet man auch noch den legendären Mercedes 911, legal und ohne Gurte oder Türen. "Schau! Überladen, die Karre", ruft mein Pilot ab und zu und deutet auf einen Laster, der sich mit 20 km/h einen Hügel hochquält. Die Fahrzeuge sind alt und ausgemergelt. Mit Überladung ist die Blockade perfekt, überholen oft unmöglich.

ALLTÄGLICH: DAS EINZIGE LAND, IN DEM DIE ZAHL DER VERKEHRSTOTEN STEIGT

Innerhalb der Ballungsgebiete ist der Verkehr dicht und unberechenbar, bei Regen kommt er schlicht ganz zum Erliegen. Überflutungen sind an der Tagesordnung. Aber wo die Formel 1 ein Rennen abbricht, sind LKW Fahrer hier noch lange nicht bereit, das Fahrzeug abzustellen. Auch an Mautstellen geht es teils wild zu: Es wird gedrängelt und wild die Fahrspur gewechselt.

Auf den Autobahnen fahren auch sehr viele Mofas. Diese sind teilweise mit über 60 km/h unterwegs und fahren im Pulk. Volvo Malaysia hat anlässlich der vielen Verkehrstoten eine Studie veröffentlicht, die Unfälle zwischen Motorradfahrern und LKW analysiert. Die Rechtsprechung in Malaysia ist simpel: Wenn ein Zweirad in einen Unfall verwickelt ist, dann trägt der andere schuld. Das hilft natürlich nicht, wenn man bei einem Unfall stirbt. Und in Malaysia sterben jeden Tag 19 Menschen im Straßenverkehr. Es ist das einzige Land weltweit, in dem die Anzahl der Toten pro 100.000 gefahrenen Kilometern steigt. Ich habe in den letzen fünf Jahren zehn Tote auf den Straßen gesehen, meist lagen sie unter Lastwagen. Während meiner Reise sehen wir vier Unfälle, einer davon ist sicher tödlich ausgegangen. Ein LKW liegt in der Böschung, von der Kabine blieb nichts übrig.

Fernfahrer mit ihrem relativ schlechten Ansehen stehen natürlich im Rampenlicht, und passive Fahrweise ist für die Kollegen bei TNT oberstes Gebot. Ich beobachte, dass geblinkt wird, auch wenn der LKW auf freier Strecke ohne Verkehr von hinten einen halben Meter rauszieht, um einen Moped-Fahrer zu überholen. An der Grenze zwischen Malaysia und Thailand werden die Zugmaschinen getauscht und der Anhänger reist weiter nach Bangkok. Das ist nötig, weil es nicht erlaubt ist, die Zugmaschinen ins Ausland zu fahren. Mein neues Team ist gerade aus Thailands Hauptstadt angekommen und stärkt sich mit einer Portion Reis. Von hier bis nach Bangkok sind es 1100 Kilometer, die wir in 18 Stunden nonstop absolvieren werden. Vor der Abfahrt wird der Truck inspiziert, ein Briefing findet statt und die Protokolle werden wie zuvor in Kuala Lumpur unterschrieben. Einer der Fahrer reinigt die Windschutzscheibe, während der zweite Reifendruck und Zustand des Anhängers prüft. Alle Reifen der ARN-Flotte kommen von Michelin. Diese Pneus sind angeblich am besten für die Aufgabe geeignet. Am Grenzübergang bin ich ein VIP. Die TNT-Teams aus den zwei Ländern haben sich noch nie persönlich gesehen und mein Besuch bringt die Büroangestellten zusammen. Ich bin nun seit 16 Stunden wach und unterwegs.

DIE FRITTIERTEN ECHSEN SOLLEN GUT SCHMECKEN - ICH BEVORZUGE SNICKERS

Die Mitglieder der beiden Teams wechseln jedoch kaum ein Wort miteinander - sie sprechen jeweils nur ihre eigene Sprache und sehr wenig Englisch. Trotzdem funktioniert alles wie geplant, jeder weiß, warum der "Weiße" mit dabei ist. TNT ist eben ein Logistikunternehmen.

Ich stamme aus Hameln, und der Autohof in Lauenau an der A2 ist mir gut bekannt. Der Rasthof dort wirkt im Vergleich zu dem, was ich hier vorfinde, wie eine kleine Version von Disneyworld. Es gibt zwar genug Raststätten in Thailand, sie sind aber alle eher spartanisch. Die Imbissbuden bieten lokale billige Kost an und es entsteht ein wenig Rummel-Atmosphäre. Ich verzichte auf die frittierten Echsen. Die sollen sehr gut schmecken und viel Protein enthalten, aber ich bleibe dann lieber bei Snickers und Cola. Gewaschen wird sich in der Toilette, Duschen sehe ich keine, und das Toilettengebäude hat nach hinten raus keine Wand. In Malaysia sind die Anlagen besser. Dort gibt es Blumenarrangements in den Innenhöfen der Toiletten.

Wir halten in der Morgenfrühe an und ein Wummern geht durch die Kabine. Sieben aufgemotzte Scania-Busse stehen auf dem Parkplatz und etwa 100 junge Leute tanzen zum Beat der massiven Stereoanlage auf dem Parkplatz. Die Lichtshow der Busse ist gewaltig. In Thailand kann man überall feiern. Nur wir nicht: Die Ware muss pünktlich ankommen.

DIESELDIEBSTAHL IST VOLL IM "TREND": GPS-SICHERUNG AN DER TANKKAPPE

Wir machen kurz Rast und der LKW wird mal wieder geprüft. Maximal stehen wir für 15 Minuten, dann geht es weiter. Stehen wir länger, geht in Singapur der Alarm los. Das neueste Angebot auf dem Markt ist die Verbindung des Tankstutzens mit GPS. Wird die Tankkappe geöffnet, schlägt der Alarm an. Dieseldiebstahl ist gang und gäbe. Er passiert normalerweise auf Raststätten und es sind meist die eigenen Fahrer, die mal eben einen Liter Diesel (für umgerechnet 50 Cent) abzweigen. Das reicht für einen Kaffee.

Es ist finstere Nacht und wir müssen aufpassen. Liegengebliebene Fahrzeuge sind nicht abgesichert oder beleuchtet. Straßenbeleuchtung gibt's auf weiten Teilen der Strecke nicht. Der "Highway" verläuft einspurig in beide Richtungen. Es ist nichts Ungewöhnliches, wenn mitten in der Nacht eine vierköpfige Familie auf einem Moped in der falschen Richtung entgegenkommt - ohne Licht, versteht sich.

Während wir die 1100 Kilometer von Malaysia nach Bangkok mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 58 km/h bewältigt haben, geht es von Bangkok nach Laos weniger schnell. Die Straßen sind schlecht und erlauben keine höhere Reisegeschwindigkeit. Für 700 Kilometer werden wir zwölf Stunden brauchen.

Am Grenzübergang nach Laos kennt man sich. Der ranghöchste Zollbeamte kommt aus dem Büro, um meinen Pass zu bearbeiten (eine ganze Seite weg fürs Visum!) und mich zu befragen, ob ich schon mal in seinem Land war, woher ich komme. Seine Kollegin sei Single. Vielleicht könne man beim nächsten Besuch zusammen essen gehen. Klar, aber bitte keine Echsen!

Eine Brücke überspannt die Grenze, am Fuß der Brücke sorgt ein Kreisel dafür, dass man auf die andere Fahrbahn wechselt. Da in Südostasien sowohl die Briten als auch die Franzosen Kolonialherren waren, fährt man hier auf verschiedenen Seiten der Fahrbahn. Hinter der Grenze wird der Container mittels eines Krans umgeladen. In Laos dominieren amerikanische LKW, die für etwa 60.000 US-Dollar gebraucht importiert werden. Der Container geht weiter nach Vietnam und wir kehren um. Es geht dieselbe Strecke nach Bangkok zurück. Wir passieren den havarierten LKW, der gerade geborgen wird. Meine Fahrer nehmen kaum Notiz. Unfälle wie dieser sind für sie Routine. Wir kommen um 4:30 Uhr morgens an und ich bin erschöpft. Die Fahrer checken den Container ein und machen sich auf den Weg nach Hause. Morgen ist ein neuer Tag auf der Straße und weitere Kunden warten auf ihre Sendung.

Stefan Pertz

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