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King of Construction?

01.06.2018 09:20 Uhr
King of Construction?
Mit dem G 450 XT 8x4 zeigt Scania, dass die Schweden auch Arbeiterklasse können
© Foto: Serge Voigt

Mit dem G 450 XT 8x4 tritt der erste Kipper aus Scanias neuer Baufahrzeugreihe zum Test an. Ein neues System soll den Verbrauch senken.

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Noch mal die Kurvenlage ausprobieren, ja, fantastisch, er bleibt einfach in der Spur und ist trotzdem noch komfortabel", so beschrieb der siebenfache Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher 1994 in einem Werbespot das Fahrverhalten des damaligen Ford Mondeo. Sätze, die auf unseren Testkipper, einen Scania G 450 XT 8x4, ebenfalls zutreffen. Das Fahrwerk zählt zu den Stärken des Schweden. Ob beladen, unbeladen oder in zügig gefahrenen Kurven - souverän zieht der Greif seine Kreise über Asphalt und Kies.

Mit Kies in der Kippbrücke liegt das Fahrzeug auf unserer Testrunde im Münchener Osten satt und ruhig auf der Straße. Das luftgefederte Fahrerhaus wankt nur wenig.

NICHT ALLES IM FAHRZEUG IST DER FAHRDYNAMIK DES XT GEWACHSEN

Dank seiner angenehm straffen Abstimmung lässt sich der XT, als sei er tiefergelegt, auch durch (zu) schnell gefahrene Autobahnauffahrten steuern. Einzig die Kunststoffablage auf der Motorkiste kann die Fahrdynamik des Autos nicht bändigen. Sie ist zu glatt, und alles, was auf ihr liegt, rutscht in Richtung Kurvenaußenseite und mit etwas Pech gleich ganz runter. Hier wäre einen andere Oberflächenstruktur oder "klebrigeres" Material hilfreich. Das hielte dann allerdings auch den Baustellenstaub fest.

Wer der Fahrdynamik Einhalt gebieten möchte, dem steht neben der Betriebs- auch eine Dauerbremse aus Motorbremse und Retarder zur Verfügung. Erstere lässt sich gut dosieren und hat den Kipper auch dann souverän im Griff, als wir mit 32 Tonnen unterwegs sind. Die Dauerbremse indes hat uns von der Dosierbarkeit her nicht ganz so gut gefallen. Dient die erste Stufe im Grunde nur dazu, die Geschwindigkeit in leichtem Gefälle zu halten, verzögert Stufe zwei dagegen unerwartet kräftig. Hier wäre eine harmonischere Abstufung wünschenswert.

Unbeladen gibt sich der Greif naturgemäß anfälliger gegen Seitenwind und liegt etwas unruhiger auf der Straße, ohne aber über den Asphalt zu hoppeln, als sei er ein Hase. Erst, als unschöne Querrillen das Geläuf in unserer Test-Kiesgrube - im Kieswerk Ebenhöh in Plieningen - verunstalten, fängt er ganz leicht an zu stuckern. Das mag auch daran liegen, dass unser XT leer federleichte 14.020 Kilo auf die Waage vor Ort bringt.

Unterstützt wird das aktive Fahrverhalten von der angenehm direkten Lenkung. Sie läuft gut geradeaus und quittiert nicht jede (ungewollte) Mini-Bewegung am Volant mit einem Richtungswechsel. So gleitet der 8x4 entspannt über Landstraßen und lässt sich auch punktgenau durch unebenes Gelände dirigieren, ohne bei jedem Hubbel die Lenkung zu verreißen.

Unser Test-Kipper ist ein echter Jungvogel. Scania hatte die XT-Modelle erst im September 2017 vorgestellt. Dabei handelt es sich um die robustere Ausführung der bestehenden Modellpalette. Die XT-Merkmale sind mit allen Motor- und Fahrerhausvarianten kombinierbar. In unserem Falle ein G 450 mit mittellangem Fahrerhaus, normalem Dach und der 13-Liter-Maschine mit 450 PS Leistung und maximal 2350 Newtonmeter Drehmoment.

Unserem Testwagen verleihen die XT-Accessoires ein kerniges Aussehen mit schmollender Unterlippe. Für die ist die um 15 Zentimeter nach vorne überstehende Stahlstoßstange verantwortlich. Zusammen mit einer soliden Unterbodenschutzplatte und Gittern vor den Scheinwerfern schützt sie die Karosserie bei Remplern vor Schäden. Hinzu kommen eine Sonnenblende und geriffelte Spiegelhäuser.

RUSTIKALE ATMOSPHÄRE DURCH EIN ARMATURENBRETT AUS HARTPLASTIK

Der Aufstieg zum Fahrerarbeitsplatz in 1,50 Metern Höhe gelingt bequem über die vier Stufen, von denen die unterste flexibel aufgehängt ist. Oben angekommen, fühlt sich jeder, der schon einmal in einem Scania saß, gleich zu Hause. Das Armaturenbrett entspricht dem der Fernverkehrsfahrzeuge, einzig deren wertig-wohnlicher Eindruck mag sich trotz Doppelverglasung angesichts der Hartplastiklandschaft hier nicht so recht einstellen. Die vermittelt eher pflegeleichten Arbeitercharme.

Unterstrichen wird die rustikale Atmosphäre durch XT-typische Ausstattungsmerkmale, wie dicke Plastikfußmatten, besagte Kunststoffablage auf der Motorkiste und eine Druckluftpistole, mit der sich das Plastik von Baustellenstaub befreien lässt.

Praktisch ist auch das neue Hängesystem aus Alu-Schienen, Kleiderhaken, Rucksack und Netztaschen an der Rückwand für die Jacke, Arbeitsschutzaustattung oder den täglichen Kleinkram. Allerdings versperrt es den Blick durch die Heckscheibe. Nicht im Hängesystem verräumte Utensilien finden in Staufächern hinter und zwischen den Sitzen sowie den kleinen Staufächern über der Frontscheibe ihren Platz. Für die Tagestour in Summe reichlich Platz.

DAS NEUE PULSE & GLIDE ARBEITET NUR IN TEILZEIT

Weniger gut haben uns, zumindest bei Sonneneinstrahlung, die Instrumente gefallen - sie spiegeln und sind dann schlecht ablesbar. Verstärkt wird der Effekt durch die kurzen Zeiger für Drehzahlmesser und Tacho, in deren Mitte jeweils ein Digital-Display untergebracht ist.

Zwar soll es laut Scania von Kunden gefordert worden sein, wir aber halten das eine Etage tiefer montierte Pedal der Bedarfskupplung für überflüssig. Moderne, automatisierte Schaltgetriebe bieten mit Crawler-Gängen, Freischaukelfunktion und anderen Features genug Möglichkeiten, um in schwerem Gelände klarzukommen.

Bei den Verbrauchsfahrten mit und ohne Last bleibt das Pedal ohnehin ungenutzt. Hier soll das automatisierte Schaltgetriebe in Verbindung mit dem GPS-Tempomaten und dessen neuer Funktion "Pulse & Glide" zeigen, was in ihm steckt. Vor Fahrtantritt stellt der GPS-Tempomat (CCAP: Cruise Control with Active Prediction) erst einmal eine Rechenaufgabe: Während die Überschwinger zur Reisegeschwindigkeit in Kilometer pro Stunde festgelegt werden, erfolgt das Einstellen der Unterschwinger in Prozent. Zwölf Prozent von 85 sind? Genau, im Kopf können wir das auch nicht und fragen uns nach dem Sinn dieses Vorgehens.

CCAP funktioniert auf unserer Tour tadellos. In einem Gefälle hätten wir Eco-Roll instinktiv wohl länger laufen lassen. Aber das System hat andere Pläne und entscheidet sich bereits in der Senke für den Wechsel vom Leerlauf in den elften Gang, um in der folgenden Steigung nicht noch in den zehnten zurückzumüssen. Der Plan geht auf - eins zu null für die Technik. Mit Pulse & Glide soll Eco-Roll auf Gefällstrecken verwendet werden können, die sonst nicht steil genug sind, um die Geschwindigkeit beizubehalten. Durch einen kurzen Gasstoß (Pulse) erhöht das System vor einer möglichen Rollphase die Geschwindigkeit etwas und kann so länger oder überhaupt erst im Leerlauf segeln (Glide).

Im beladenen Zustand haben wir bei unserer Testfahrt keine derartigen Impulse bemerkt. Offenbar reicht dann die kinetische Energie der 32 Tonnen aus, das Auto rollen zu lassen. Während der Leerrunde mit Marschgeschwindigkeit 85 km/h auf der Autobahn bekommt unser XT einen Anschub auf 88, um dann bis 82 zu rollen, bevor das Getriebe wieder den zwölften Gang wählt und den Greif auf Reisegeschwindigkeit beschleunigt. Bis zu einem halben Prozent Diesel soll diese Taktik sparen. Ob es so viel wurde, lässt sich aus unseren Verbrauchswerten nicht herausrechnen. Unter dem Strich ist der G 450 aber so sparsam unterwegs, dass Michael Schumacher nicht unnötig oft an die Box gemusst hätte.

FAZIT

Scanias Arbeiter

Neben gediegenen Fernverkehrszügen mit V8-Power kann Scania auch Arbeiterklasse. Allerdings bleibt dabei etwas vom markentypischen Flair auf der Strecke. Das neue Pulse & Glide kam nur bei der Leerfahrt zum Einsatz. Wenn die Ingenieure in Södertälje hier noch eine Schippe drauflegen, könnte sich das System auch im Kipper lohnen. Nervt durch seine Geschwindigkeitsschwankungen aber den Hintermann.

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