-- Anzeige --

Kein Urlaub im eigentlichen Sinne

05.12.2018 08:00 Uhr
Kein Urlaub im eigentlichen Sinne
Für besondere persönliche Festtage wie die eigene Hochzeit gibt es Sonderurlaub
© Foto: MNNStudio/Fotolia

Hochzeit, Geburt, Pflege eines kranken Kindes oder der Tod eines nahen Angehörigen: Zu besonderen Anlässen stehen Mitarbeitern ein oder mehrere Tage Sonderurlaub zu. Bleiben sie unverschuldet der Arbeit fern, muss der Chef ihr Gehalt weiterzahlen.

-- Anzeige --

Sonderurlaub klingt prima, ist aber irreführend. Nur in besonderen Fällen, in denen Angestellten die Arbeitsleistung aus persönlichen Gründen nicht zuzumuten ist, dürfen sie für einige Stunden oder wenige Tage dem Job fernbleiben.

"Das ist kein Urlaub im eigentlichen Sinne", stellt Marc Stenzel, Fachanwalt für Arbeitsrecht, klar. Meist regeln Arbeits-, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung, zu welchen Anlässen Mitarbeiter zu Hause bleiben dürfen und ob der Arbeitgeber den Sonderurlaub bezahlt.

Sollten entsprechende vertragliche Regelungen mit dem Arbeitgeber fehlen, dann können Beschäftigte sich auf den Paragrafen 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) berufen, wenn sie aus dringenden persönlichen Gründen nicht zur Arbeit erscheinen können und trotzdem ihr Gehalt beziehen möchten. "Arbeitnehmer behalten ihren Vergütungsanspruch, wenn sie unverschuldet und nur für eine kurze Zeit verhindert sind, beispielsweise wenn ein naher Angehöriger beerdigt wird", weiß der Partner der Duisburger Rechtsanwaltskanzlei Speker Nierhaus Stenzel. Im Folgenden lesen Sie die wichtigsten Regelungen und Anlässe zum Thema Sonderurlaub.

Anlässe für Sonderurlaub

Eigene Hochzeit: Brautpaare erhalten für ihre standesamtliche Trauung einen Tag Sonderurlaub. Wer darüber hinaus auch kirchlich heiraten möchte, dem steht ein weiterer bezahlter freier Tag zu. Gleiches gilt für Paare, die eine Lebenspartnerschaft eingehen.

Geburt eines Kindes: Väter möchten bei der Geburt des eigenen Kindes dabei sein. Ihnen steht ein Tag Sonderurlaub zu. Kommt der Sohn oder die Tochter jedoch an einem Sonntag zur Welt, besteht kein Anspruch auf bezahlte Freistellung für den folgenden Arbeitstag.

Hochzeit naher Verwandter: Heiraten die eigenen Kinder oder ein Elternteil, erhalten Mitarbeiter einen Tag bezahlten Sonderurlaub, um an der Trauung teilnehmen zu können.

Krankheit des Kindes: Erkranken Sohn oder Tochter, stehen jedem Elternteil bis zu zehn Tage Sonderurlaub im Jahr zu, wenn das Kind jünger als zwölf Jahre oder behindert ist. Alleinerziehende haben einen Anspruch auf Freistellung von maximal 20 Tagen je Kind und Kalenderjahr. Da der Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub auf maximal fünf Tage beschränkt ist, bekommen Eltern, die ihr Kind pflegen, in den meisten Fällen Kinderkrankengeld von der Krankenkasse.

Krankheit oder Pflege eines Angehörigen: Erkrankt ein Angehöriger, der mit im Haushalt lebt, schwer, bekommen Arbeitnehmer einen Tag Sonderurlaub. Sind Mutter oder Vater akut pflegebedürftig, dürfen Beschäftigte bis zu zehn Tage der Arbeit fernbleiben, um die Eltern zu versorgen oder eine Pflege zu organisieren. Fehlt der Mitarbeiter nur einen oder maximal fünf Tage, muss der Chef das Gehalt weiterzahlen. Wer länger freimachen muss, erhält in dieser Zeit Pflegeunterstützungsgeld.

Todesfall in der Familie: Stirbt ein naher Angehöriger, ist es Angestellten nicht zuzumuten zu arbeiten. Für die Beerdigung der Eltern, Kinder oder des Partners stehen ihnen mindestens ein Tag Sonderurlaub zu. Manche Tarifverträge sehen auch zwei oder mehr Tage vor.

Unsicher ist die Rechtslage bei weiter entfernten Verwandten wie dem Onkel, den Großeltern oder der Cousine. Hier empfiehlt es sich für Angestellte, vorher mit dem Arbeitgeber zu sprechen. Viele Vorgesetzte zeigen in diesem Fall Verständnis und gewähren eine eintägige Freistellung für die Beerdigung.

Umzug: Auch wer umziehen muss, sollte sich vorher mit dem Chef abstimmen. "Das Thema ist problematisch und die Rechtsprechung nicht eindeutig", gibt Marc Stenzel, Fachanwalt für Arbeitsrecht, zu bedenken. Ist der Umzug betrieblich veranlasst, steht dem Mitarbeiter in der Regel Sonderurlaub zu, den der Chef auch bezahlen muss. Die Dauer der Freistellung ist jedoch nicht eindeutig geklärt. In der Regel gilt: Sonderurlaub gibt es nur im nötigen Umfang. Bei einem Umzug innerhalb des Ortes müsste ein Tag ausreichen, wer hingegen zum Beispiel von Düsseldorf nach München zieht, braucht wegen der langen Fahrzeit zwei oder drei Tage. "Ist der Umzug privat veranlasst, gibt es meist keine Freistellung", sagt Stenzel. Der Mitarbeiter kann hierfür auch das Wochenende nutzen.

Ehrenamt: Wer im Altenheim aushilft oder sich um Flüchtlinge kümmert, bekommt hierfür keine Freistellung von der Arbeit. Anders sieht es aus, wenn Mitarbeiter ein Ehrenamt ausüben, das staatlich veranlasst ist, etwa als Richter, Schöffe, Wahlhelfer oder amtlich bestellter Vormund. Auch wer sich bei der freiwilligen Feuerwehr oder im Katastrophenschutz engagiert, erhält für die Dauer des jeweiligen Einsatzes bezahlten Sonderurlaub. Wer die Kosten zu tragen hat, regeln die jeweiligen Landesgesetze. Meist erstatten die Organisatoren Arbeitgebern die Lohnkosten für diese Zeit oder zahlen dem Mitarbeiter den Verdienstausfall.

Arztbesuche und Behördengänge: Arzt- oder Zahnarzttermine sollten Beschäftigte nach Möglichkeit in ihrer Freizeit wahrnehmen. Ist ein Termin beim Facharzt jedoch nur während der Arbeitszeit zu bekommen, haben Chefs den Kollegen für die Dauer des Arztbesuches freizustellen und zu bezahlen. Gleiches gilt, wenn dringende persönliche Behördengänge nur während der Arbeitszeit möglich sind.

Dienstjubiläum: Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf bezahlte Freistellung für Dienstjubiläen. Meist sehen arbeits- oder tarifvertragliche Regelungen jedoch einen oder auch mehrere Tage Sonderurlaub vor, wenn Kollegen seit 25 oder 40 Jahren im Betrieb arbeiten.

Stellensuche: Wurde das Arbeitsverhältnis gekündigt, haben Mitarbeiter Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub, wenn sie ein Vorstellungsgespräch führen oder einen Termin bei der Arbeitsagentur wahrnehmen müssen.

Wichtige Fragen zum Thema

1 Wie lange dürfen Mitarbeiter grundsätzlich der Arbeit fernbleiben?

Das hängt vom Einzelfall ab. Gibt es keine entsprechende arbeits- oder tarifvertragliche Regelung, bleibt nur der Blick ins BGB. Das geht von einer kurzen Freistellung aus besonderen Gründen aus: einer "verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit". Nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte kann es sich dabei um einige Stunden, einen oder zwei Tage, aber höchstens fünf Tage handeln.

Generell gilt, dass Beschäftige die Zeit, die sie der Arbeit fernbleiben, möglichst kurz halten sollten. Wer überzieht und den Sonderurlaub unnötig in die Länge zieht, riskiert Gehaltsansprüche zu verlieren. Ein Beispiel: "Nimmt ein Mitarbeiter als Schöffe an einer Gerichtsverhandlung teil, gilt die Freistellung für die klar festgelegte Dauer des Einsatzes", sagt Arbeitsrechtler Stenzel. Ist der Termin samt Hin- und Rückreise in einem Tag zu schaffen, der Kollege lässt sich aber zwei Tage Zeit, darf der Chef das Gehalt für beide Tage streichen, also auch für den Tag, den der Mitarbeiter unverschuldet der Arbeit fernbleiben musste.

2 Was gilt bei Gleitzeit?

"Lassen sich wichtige persönliche Termine wie ein Arztbesuch außerhalb der Arbeitszeit erledigen, gibt es keinen Sonderurlaub", stellt Rechtsanwalt Stenzel klar. Dies gilt besonders bei Gleitzeitregelungen, die dem Beschäftigten mehr Flexibilität einräumen.

Ist beim Facharzt nur ein Termin während der Kernarbeitszeit zu bekommen, müssen Chefs den Mitarbeiter für die Behandlungszeit plus Hin- und Rückfahrt freistellen und auch bezahlen. Üblich ist eine Verrechnung mit dem Gleitzeitkonto.

3 Können Chefs den Sonderurlaub auch verweigern?

Steht nichts zum Thema Sonderurlaub im Arbeitsvertrag, haben Mitarbeiter einen Anspruch auf Freistellung mit Gehaltsfortzahlung, sobald "Unverschulden" vorliegt. Vertraglich kann aber auch geregelt werden, dass eine vorherige Abstimmung mit dem Arbeitgeber zwingend erfolgen muss und ein Sonderurlaub auch verweigert werden kann, wenn dringende betriebliche Gründe dagegensprechen.

4 Müssen Arbeitgeber den Sonderurlaub bezahlen?

Beschäftigte können aus wichtigen persönlichen Gründen einen Tag Sonderurlaub verlangen, allerdings muss der Arbeitgeber diese Zeit nicht immer vergüten. Arbeits- und tarifvertragliche Regelungen können den gesetzlichen Anspruch auf Gehaltsfortzahlung während kurzer, unverschuldeter Auszeiten einschränken oder sogar ersatzlos streichen.

Wenn dem Chef ein gutes Betriebsklima wichtig ist, verzichtet er aber auf solche Klauseln und legt klar fest, in welchen Fällen Mitarbeitern wie viele Tage bezahlter Sonderurlaub zusteht.

5 Bekommen Mitarbeiter einen freien Tag gutgeschrieben, wenn während ihres Urlaubs ein Ereignis eintritt, für das sie Anspruch auf Sonderurlaub hätten?

Nein. "Stirbt zum Beispiel ein Angehöriger während des Erholungsurlaubs des Mitarbeiters, hat der Beschäftigte keinen Anspruch auf Freistellung, da im Urlaub keine Arbeitsleistung zu erbringen ist", sagt Stenzel. Gleiches gilt, wenn das Ereignis, für das Mitarbeitern Sonderurlaub zusteht, auf einen Sonntag fällt.

Sigrun an der Heiden

Das haben Arbeitsgerichte zum Sonderurlaub entschieden

Gleitzeit: Arbeitnehmer müssen sich bemühen, persönliche Termine so zu legen, dass sie nicht in ihre Kernarbeitszeit fallen (BAG, Urteil vom 22.1.2009, Az.: 6 AZR 78/08).

Zeitpunkt: Der Sonderurlaub ist in direktem zeitlichen Zusammenhang mit dem auslösenden Ereignis zu nehmen. Wird ein Kind an einem Sonntag geboren, steht dem Vater kein Sonderurlaub für den nächsten Arbeitstag zu (AG Hagen, Urteil vom 8.3.2011, Az.: 1 Ca 2809/08).

Gerichtstermin: Betrifft die Verhandlung den Mitarbeiter selbst und verlangt das Gericht dessen persönliche Anwesenheit, besteht ein Anspruch auf Sonderurlaub (LAG Hamm, Urteil vom 2.12.2009, Az.: 5 Sa 710/09, AG Hagen, Urteil vom 10.5.2011, Az.: 5 Ca 146/10). Gleiches gilt, wenn er als Zeuge vor Gericht aussagen muss (BAG, Urteil vom 13.12.2001, Az.: 6 AZR 30/01). Der Arbeitgeber ist jedoch von der Lohnfortzahlung befreit, wenn der Angestellte eine Zeugenentschädigung erhält.

Stau: Gleiches gilt bei Stau und wenn öffentliche Verkehrsmittel ausfallen (BAG, Urteil vom 2.12.1982, Az.: 4 AZR 134/80).

Familienfeier: Wer mit der Familie feiern möchte, kann dies auch in seiner Freizeit tun. Es besteht kein Anspruch auf Sonderurlaub. Eine Ausnahme ließ das Bundesarbeitsgericht allerdings zu: Für die goldene Hochzeit der Eltern gibt es einen Tag bezahlte Auszeit (BAG, Urteil vom 25.10.1973, Az.: 5 AZR 156/73).

Augen-OP: Für eine Operation, die im überwiegenden Eigeninteresse des Arbeitnehmers liegt - wie die Korrektur einer Kurzsichtigkeit -, besteht kein Anspruch auf bezahlte Freistellung (AG Frankfurt, Urteil vom 23.5.2000, Az.: 4 Ca 8647/99).

Haft: Sitzt ein Mitarbeiter in Haft oder Untersuchungshaft, müssen Arbeitgeber keinen bezahlten Sonderurlaub gewähren (BAG, Urteil vom 23.5.2013, Az.: 2 AZR 120/12 und LAG Hamm, Urteil vom 5.5.2000, Az.: 5 Sa 1170/99).

Naturereignis: Kommt ein Kollege nicht oder zu spät zur Arbeit, weil es stark schneit, die Straßen vereist sind oder andere extreme Witterungsverhältnisse herrschen, besteht für diese Zeit kein Anspruch auf Vergütung (BAG, Urteil vom 2.12.1982, Az.: 4 AZR 134/80).

Schulreifetest: Eltern können keinen bezahlten Sonderurlaub beanspruchen, wenn sie am Schulreifetest ihres Kindes teilnehmen möchten (AG Kaiserslautern, Urteil vom 22.12.1983, Az.: 5 Ca 170/83).

Quelle: Speker Nierhaus Stenzel, Duisburg

-- Anzeige --
-- Anzeige --

WEITERLESEN




NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


TRUCKER – Das Magazin für Lkw-Fahrer im Nah- und Fernverkehr: Der TRUCKER ist eine der führenden Zeitschriften für Lkw-Fahrer und Truck-Fans im deutschsprachigen Raum. Die umfangreichen TRUCKER Testberichte zu LKWs und Nutzfahrzeugen gehören zu den Schwerpunkten der Zeitschrift und gelten als Referenz in der Branche. Der TRUCKER berichtet monatlich über die Themen Test und Technik, Show-Truck, Arbeitsrecht, Service, Unterhaltung.