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Minikameras: Was ist erlaubt und was nicht?

07.09.2018 08:00 Uhr
Minikameras: Was ist erlaubt und was nicht?
Wer Dashcams nutzen will, sollte darauf achten, dass sie nur kurz und anlassbezogen aufzeichnen
© Foto: Christin Klose/dpa/picture-alliance

Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Aufnahmen von Dashcams im Fahrzeug können bei Unfällen als Beweis vor Gericht verwendet werden. Wir beantworten die sieben wichtigsten Fragen für alle, die sie künftig nutzen wollen.

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1 WAS HAT DER BUNDESGERICHTSHOF GENAU ENTSCHIEDEN?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat Mitte Mai geurteilt, dass Aufnahmen von Minikameras am Armaturenbrett oder an der Windschutzscheibe nach Verkehrsunfällen als Beweis vor Gericht verwendet werden können. Die Aufnahmen dürfen demnach bei Zivilprozessen in einem gewissen Rahmen genutzt werden.

Denn es sei technisch möglich, das unmittelbare Unfallgeschehen nur kurz und anlassbezogen zu dokumentieren, hieß es. Etwa durch ein dauerndes Überschreiben der Aufzeichnungen in kurzen Abständen und Auslösen der dauerhaften Speicherung erst bei Kollision oder starker Verzögerung des Fahrzeugs.

Es ist eine Frage der Abwägung im Einzelfall, ob Dashcam-Aufnahmen vor Gericht als Beweis zulässig sind oder nicht. Das Urteil bedeutet auch nicht, dass man künftig automatisch immer filmen darf. Die Richter verwiesen auf das Datenschutzgesetz. Permanentes Aufzeichnen bleibt nach wie vor unzulässig. Diese Unzulässigkeit führt aber nicht dazu, dass die Bilder in Zivilprozessen nicht verwertet werden dürfen.

2 UM WAS GING ES VOR DEM BGH?

Die Karlsruher Richter entschieden über einen Fall aus Sachsen-Anhalt: Ein Mann pochte auf vollen Schadensersatz nach einem Unfall. Nach seiner Darstellung ist ein Auto beim Linksabbiegen auf der daneben verlaufenden Spur auf seine Fahrbahn gekommen und gegen seinen Wagen gefahren. Das sollten Aufnahmen seiner Dashcam belegen. Doch weder das Amts- noch das Landgericht Magdeburg berücksichtigten die Aufnahmen: Da solche Aufnahmen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstießen, dürften sie nicht als Beweis herangezogen werden.

Die Sache wurde nach dem BGH-Urteil jetzt zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Magdeburg zurückverwiesen.

3 SIND AUFNAHMEN DURCH DASHCAMS JETZT GENERELL ERLAUBT?

Nein. Permanentes Filmen anderer ohne deren Einverständnis verstößt nicht nur gegen das Bundesdatenschutzgesetz, sondern auch gegen das Persönlichkeitsrecht und das Recht am eigenen Bild. Auch nach dem BGH-Urteil gibt es dazu keine allgemeine gesetzliche Regelung - und das ist nach Ansicht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) das Problem. Denn: "Es stehen sich zwei Rechtsideen gegenüber: Datenschutz und Beweissicherung", sagt DAV-Experte Andreas Krämer. Richter müssen also beides stets abwägen - und entscheiden, ob ein Verstoß so schwer ist, dass selbst unzulässig erstellte Aufnahmen als Beweis dienen können.

Der BGH hatte entschieden, dass in diesem Fall das Interesse des Klägers an der Wahrheitsfindung überwiege, obwohl die Aufnahmen nicht erlaubt waren. Die sonstige Beweislage war zudem nicht ausreichend. "Es wurden nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar sind", hieß es zur Begründung.

4 WANN IST DAS FILMEN DANN ERLAUBT?

Dashcams sind nicht verboten. "Auf meinem privaten Grundstück kann ich filmen, so viel ich will", erläutert Paetrick Sakowski von der Wirtschaftsrecht-Kanzlei CMS. Auch Kameras, die nur kurz und anlassbezogen einen Unfall aufnehmen, dürften unproblematisch sein. Wer jedoch andauernd Dritte filmt, das speichert und das Video womöglich noch ins Internet stellt, muss mit einem empfindlichen Bußgeld rechnen. Denn das verstößt gegen das Datenschutzgesetz. Dies gilt selbst dann, wenn das Video hilft, einen schweren Verkehrsverstoß aufzuklären.

"Wir wollen keine Überwachung der Bürger durch den Bürger", sagt Oliver Malchow, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Wer sich als Hilfssheriff aufspielt und - wie ein als "Knöllchen-Horst" bekannt gewordener Frührentner aus dem Harz - mit der Dashcam Jagd auf angebliche Verkehrssünder macht, dem droht sogar Filmverbot. Der Mann hatte Zehntausende angezeigt. Wird eine Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht nachgewiesen, sind für die Hobby-Filmer sogar Freiheitsstrafen möglich.

5 WIE HIELTEN ES DIE GERICHTE BIS-LANG MIT DEM DASHCAM-BEWEIS?

Bundesweit ist das unterschiedlich. Zuweilen urteilte dasselbe Gericht verschieden: So erkannte das Amtsgericht München mal die Minikamera als Beweismittel an, ein andermal verbot es die Verwertung unter Hinweis auf die Persönlichkeitsrechte anderer Verkehrsteilnehmer.

Das Oberlandesgericht Stuttgart wiederum hatte 2016 als erstes Obergericht für schwerwiegende Verkehrsverstöße den Beweis durch eine Autokamera zugelassen. Damals ging es um das Überfahren einer Ampel, die schon länger Rot zeigte.

Im August 2017 hatte mit dem Oberlandesgericht Nürnberg zuletzt eine höhere Instanz entschieden, dass Aufzeichnungen zu bestimmten Anlässen in einem Zivilprozess zulässig sind, um den Ablauf eines Verkehrsunfalls rekonstruieren und die Schuldfrage klären zu können.

Damals hatte die Spedition Anton Fischer Transport erfolgreich auf Schadensersatz geklagt. Auch hier war es so, dass zwar permanent eine Dashcam im Lkw lief, die Bilder aber nur anlassbezogen gespeichert worden waren. Insofern herrscht durch das BGH-Urteil jetzt zumindest ein bisschen mehr Klarheit, wenn auch keine abschließende Rechtssicherheit.

6 WIE BEWERTEN VERSICHERER DEN DASHCAM-EINSATZ IM FAHRZEUG?

Es ist davon auszugehen, dass Kfz-Versicherer künftig Dashcam-Aufnahmen nutzen werden, um die Aufklärung von Unfällen zu erleichtern, sagt Tibor Pataki, Leiter der Abteilung Kraftfahrtversicherung beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Oft ist die Rekonstruktion eines Unfalls nämlich schwierig, auch weil Zeugen sich widersprechen.

Kfz-Versicherer könnten einfacher feststellen, wer wie viel Schuld an einem Unfall trägt, und so schneller Schäden regulieren. Eine denkbare positive Folge könne zum Beispiel sein, dass Kunden ihren Rabatt bei der Versicherung trotz eines Unfalls möglicherweise behalten dürfen: "Wenn Sie durch die Dashcam nachweisen können, dass Sie überhaupt keine Schuld an einem Unfallgeschehen haben, dann rettet das Ihren Schadensfreiheitsrabatt."

Für Unternehmen mit Lkw-Fuhrpark könnte sich zudem die Position verbessern, wenn ein Unfallhergang unklar ist und Aussage gegen Aussage steht. Denn aufgrund der höheren Betriebsgefahr, die von einem Lkw ausgeht, gehen rechtliche Auseinandersetzungen oft zulasten von deren Fahrern aus.

Auch beim Kampf gegen Versicherungsbetrug sieht der GDV nach dem Urteil neue Möglichkeiten. Dashcam-Aufnahmen könnten zeigen, ob ein Unfall mit Absicht herbeigeführt wurde, "ob jemand beispielsweise ganz vorsätzlich plötzlich abgebremst hat und es deswegen zum Unfall kam".

Der größte Kfz-Versicherer in der Transport- und Logistikbranche, Kravag, plant nach eigenen Angaben allerdings zunächst keine Preisnachlässe für Dashcam-Nutzer.

7 WORAUF SOLLTE MAN BEIM DASHCAM-KAUF AKTUELL ACHTEN?

Nach dem BGH-Urteil dürfte deren Beliebtheit zunehmen, schätzt Sakowski von der Kanzlei CMS. Anschaffen sollte man nur Minikameras, die "anlassbezogen" und "kurz" aufnehmen sowie speichern. Das heißt, der Betrieb einer permanent mitfilmenden und -speichernden Dashcam ist datenschutzrechtlich verboten.

Beim Kauf einer Dashcam sollten Unternehmer zudem darauf achten, dass diese einen Beschleunigungssensor (G-Sensor) besitzt, der auf Erschütterungen reagiert. Um keine Probleme mit dem Datenschutz zu bekommen, empfehlen die Experten den Loop als Aufnahmemodus. Dabei werden immer kurze Clips aufgezeichnet, die ständig überschrieben werden. Eine starke Bremsung oder einen Zusammenprall registriert die Minikamera über den G-Sensor und speichert nur dann wenige Sekunden vorher und nachher dauerhaft.

Die Dauer eines Loops kann man in der Regel manuell einstellen. Auch die Sensor-Automatik ist ein- und ausschaltbar sowie ihre Empfindlichkeit regulierbar, damit es nicht regelmäßig dazu kommt, dass die Dashcam ungewollt Aufnahmen speichert (mehr zur Technik auf Seite 70). dpa

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