Wieviel Geld kann ein Fahrer in der Steuererklärung als Werbungskosten ansetzen, wenn er im Ausland im LKW übernachtet? Und ist ein LKW steuerrechtlich als regelmäßige Arbeitsstätte eines Fernfahrers anzusehen, oder nicht? Diese Fragen klärte aktuell der Bundesfinanzhof (BFH), einer der oberen Gerichtshöfe Deutschlands.
Geklagt hatte ein LKW-Fahrer im internationalen Fernverkehr. 2007 war er in Deutschland, Dänemark, Schweden, Belgien, den Niederlanden, Luxemburg, Frankreich und Spanien unterwegs gewesen. In seiner Einkommenssteuererklärung hatte der Mann für die Übernachtungsaufwendungen im Ausland Werbungskosten von 1100 Euro geltend gemacht: 220 Arbeitstage x fünf Euro pauschal. Da der Fahrer ab Mai 2007 außerdem jede Woche mit seinem Privat-PKW zum LKW-Wechselplatz nach Dänemark fuhr, erklärte er auch hierfür Werbungskosten: 4 x pro Monat die Hin- und Rückfahrt à la 30 Cent/Kilometer; das waren insgesamt über 2500 Euro.
FINANZAMT GEWÄHRTE ENTFERNUNGSPAUSCHALE
Das zuständige Finanzamt beurteilte die Sachlage jedoch ganz anders. Im Einkommenssteuerbescheid waren keine Übernachtungskosten berücksichtigt. Und für die wöchentlichen Fahrten zum LKW und zurück erkannte das Amt nur die einfache Strecke an - als seien sie Fahrten von der Wohnung zur regelmäßigen Arbeitsstätte. Es berechnete also die Pendler-Kilometerpauschale (einfache Strecke; 30 Cent/km) und damit 1267 Euro.
Gegen diesen Bescheid legte der Fernfahrer Einspruch ein - aber ohne Erfolg. Die nachfolgende Klage wurde vom Finanzgericht Schleswig-Holstein abgewiesen. Dennoch gab der Fahrer nicht klein bei; er ging in die Revision. Der Fall landete im Dezember 2011 beim Bundesfinanzhof (BFH) München. Und dieser urteilte am 28. März eindeutig zu Gunsten des LKW-Fahrers (AZ: VI R 48/11). Zwar kämen bei der Berechnung der Werbungskosten nicht die üblichen Pauschbeträge bei Auslands-Dienstreisen in Betracht. Denn die tatsächlich anfallenden Übernachtungskosten im LKW liegen in der Regel "in nicht unbeträchtlichem Umfang weit darunter". Stimmt: Für eine Übernachtung in Belgien etwa beträgt der Pauschbetrag 100 Euro, für Spanien (Barcelona, Madrid) gar 150 Euro.
Dass das Amt aber nicht einmal die vom Fahrer genannten fünf Euro pro Nacht anerkennen wollte, war nicht rechtens, so der Bundesfinanzhof. Die tatsächlich angefallenen Aufwendungen müssten als Werbungskosten berücksichtigt werden. Es sei davon auszugehen, dass bei einer Übernachtung im LKW typischerweise bestimmte Kosten - im Urteil werden Dusche, Toilette und Reinigung der Schlafgelegenheit genannt - entstünden. Existieren darüber keine einzelnen Belege, so sind die Ausgaben zu schätzen. Die im Fall des Klägers genannten fünf Euro bewertet der BFH als "nicht überhöht".
Zu den Aufwendungen zählen für den Lohnsteuerhilfe-Verein "Vereinigte Lohnsteuerhilfe" e.V. (VLH) aber "gegebenenfalls auch Standgebühren". VLH-Vorsitzender Jörg Strötzel empfiehlt Fernfahrern, "über einen repräsentativen Zeitraum von drei Monaten alle verfügbaren Belege zu sammeln und die Ausgaben für die Übernachtungen zu notieren". So könne der zu berücksichtigende Aufwand geschätzt werden. "Bei jährlich rund 200 Übernachtungen auf Rastplätzen und einem Kostensatz von fünf Euro ergäben sich schon zusätzliche Werbungskosten von 1000 Euro".
BFH: DER LKW IST KEINE REGELARBEITSSTÄTTE
Auch in dem zweiten strittigen Punkt bekam der Fahrer recht: Das Finanzamt muss die Fahrten zum LKW-Wechselplatz als Reisekosten anerkennen. Die rechtliche Einschätzung des Amts, der LKW sei die regelmäßige Arbeitsstätte, ist laut Bundesfinanzhof "fehlerhaft". Eine regelmäßige Arbeitsstätte sei der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers und damit "der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine aufgrund des Dienstverhältnisses geschuldete Leistung zu erbringen hat." Bereits früher hatte der BFH beschieden, dass dies im Regelfall der Betrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers ist, denen der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er mit einer gewissen Nachhaltigkeit fortdauernd und immer wieder aufsucht.
Diese Voraussetzungen, so steht es im Urteil, "erfüllt der LKW-Wechselplatz nicht, da es sich hierbei nicht um eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers handelt. Auch der LKW kommt nicht als regelmäßige Arbeitsstätte in Betracht, weil es an einer ortsfesten Einrichtung fehlt." Das Finanzamt muss nun die tatsächlichen Fahrtkosten (hin und zurück!) zum Wechselplatz feststellen und sie als Reisekosten berücksichtigen.
Die Leitsätze des Urteils vom 28.3.12
1. "Übernachtet ein Kraftfahrer in der Schlafkabine seines LKW, sind die Pauschalen für Übernachtungen bei Auslandsdienstreisen nicht anzuwenden. Liegen Einzelnachweise nicht vor, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu schätzen."
2. "Bei Kraftfahrern im Fernverkehr erfüllen weder der LKW-Wechselplatz noch das Fahrzeug die Merkmale einer regelmäßigen Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG."