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Bei der Ladungssicherheit ist Schweigen Gold

20.10.2014 08:00 Uhr
Bei der Ladungssicherheit ist Schweigen Gold
Laut neuesten Statistiken ist Deutschland das Land mit den größten Ladungsverlusten in Europa
© Foto: Fotolia

Fracht im Wert zwischen acht und zehn Milliarden Euro verschwindet jedes Jahr in Europa von LKW und aus Logistikzentren. Deutschland steht auf einem traurigen Spitzenplatz. Wie sich Fahrer schützen können.

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Der Mönchengladbacher PKW-Fahrer traute seinen Augen nicht: Direkt vor seinen Augen spielte sich am 13. August auf der A61 in Höhe der Anschlussstelle Rheydt eine Szene ab, die er bis dahin nur in schlechten Actionfilmen vermutet hätte. Zwei PKW hatten sich hinter einen Sattelzug geklemmt. Plötzlich kletterte aus dem ersten Wagen ein Mann durch das Schiebedach nach außen. Nachdem das Fahrzeug nahe genug auf den Sattelzug aufgefahren war, stieg der Mann auf den Sattelauflieger um und öffnete die Ladungstüre. Der zweite PKW versuchte, diese "Umsteigeaktion" nach hinten zu verdecken. Unterdessen bediente sich der Dieb mit Computern- und Computerteilen, die er einem Komplizen in den Autos weiterreichte.

Der Mönchengladbacher versuchte noch, durch Winken und Hupen den LKW-Fahrer auf die Situation aufmerksam zu machen. Der missverstand die Warnung und fuhr einfach weiter. Erst eine Stunde später bemerkte er während einer Pause die offene Hecktüre und meldete sich bei der Polizei. Stuntreife Diebstähle wie in diesem Fall sind auf Deutschlands Straßen noch die Ausnahme.

IN DEUTSCHLAND EUROPAWEIT DIE MEISTEN FÄLLE

Insgesamt aber stellt sich Ladungsdiebstahl in Europa als massives Problem dar: Jedes Jahr verschwinden Ladungen im Wert von achteinhalb bis zehn Milliarden Euro - je nachdem welcher Statistik man vertraut. Deutschland ist dabei keine Insel der Seligen. In einer EU-Studie aus dem Jahr 2007 lag Europas Transitland Nummer eins mit 1,5 Mrd. Euro Ladungsverlusten noch auf Platz zwei. Neuere Statistiken belegen sogar einen traurigen Spitzenplatz.

Das Meldesystem des Verladerverbandes TAPA, dem Hersteller besonders wertvoller Ware angehören, meldete für den Juni 2014 82 Ladungsdiebstähle für Europa - davon 29 in Deutschland. Damit liegt Deutschland mit einem Anteil von 25 Prozent deutlich vor den Niederlanden, Großbritannien, Italien und Russland. Bezogen auf das zweite Quartal 2014 gab es in Deutschland 82 Fälle, 52 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Truck Robbery, also Diebstahl vom rollenden LKW, ist mit zwei Fällen im Monat eher ein Exot. In mehr als der Hälfte der Fälle verschwindet die Ladung von abgestellten LKW, wobei oft das ganze Fahrzeug geklaut wird. Besorgniserregend: In 12 Prozent der europaweiten Fälle wurden die Lastwagen entführt - das heißt der Fahrer wurde bedroht oder sogar angegriffen. Tatort Nummer eins sind übrigens unbeaufsichtigte Parkplätze. Hier schlägt vor allem das Fußvolk der Kriminellen zu - die Planenschlitzer.

BESTIMMTE TATMUSTER WIEDERHOLEN SICH

Die Verbrecher haben neben dem Aufschlitzen oder dem Aufbrechen von Fahrzeugen und dem Diebstahl ganzer LKW eine Reihe von Tatmustern ausgetüftelt:

- Die Polizei warnt vor Tätern, die den LKW unmittelbar vor Erreichen des Ziels stoppen, sich als Mitarbeiter des Empfängers ausgeben und dem Fahrer mitteilen, dass keine Laderampe frei sei oder die Ware nicht an der Lieferadresse angenommen werden kann. Der LKW wird dann an einer anderen Adresse entladen - die Ware verschwindet auf Nimmerwiedersehen.

- Von Fahrern gefürchtet ist folgende Masche: Während einer Pause werden die Fahrer durch ins Fahrerhaus eingeleitetes Gas betäubt und dann der LKW ausgeräumt. Perfide: Weil das Gas nicht nachweisbar ist, geraten die Fahrer teilweise selber unter Verdacht. . Der Fahrer wird aus einem vorbeifahrenden Fahrzeug auf einen Schaden am LKW aufmerksam gemacht. Hält er an, entpuppen sich die freundlichen Helfer als brutale Räuber. Auch vorgetäuschte Polizeikontrollen sind schon vorgekommen.

- Getarnt als Transportunternehmer bemühen sich die Kriminellen im Internet um attraktive Ladung, die sie dann mit Hilfe gefälschter Papiere abholen und unterschlagen.

Experten wie der Europavorsitzende der TAPA, Thorsten Neumann, sind überzeugt davon, dass beim Ladungsdiebstahl inzwischen die organisierte Kriminalität die Fäden zieht. Die Diebstähle aus rollenden LKW ist beispielsweise die Spezialität einer rumänischen Bande, die mit dieser Masche geradezu auf Europa-Tournee geht. Wird ihnen das Pflaster in Deutschland zu heiß, ziehen sie in die Niederlande oder nach Frankreich weiter. Für organisierte Kriminalität spricht auch die Fähigkeit, ganze Ladungen verschwinden zu lassen und sie dann über Hehlernetze zu vermarkten.

Zudem wird teilweise High-Tech-Equipment eingesetzt. Nach einem misslungenen Überfall in Italien fand die dortige Polizei im Täterfahrzeug neben abgesägten Schrotflinten und einer Kettensäge auch GPS-Jammer, um die Ortung des LKW zu verhindern.

Solcher Aufwand lohnt, denn die durchschnittliche Schadensumme beträgt pro Ladungsdiebstahl mehr als 100.000 Euro. Spitzenreiter in diesem Jahr ist der Diebstahl eines Transporters in der Nähe von Rom, dessen Ladung aus Lotto-Rubbellosen und Elektronikteilen im Wert von 17 Millionen Euro bestand. Der Coup brachte den Tätern kein Glück - die Polizei stellte Fahrzeug und die komplette Ladung kurz nach dem Diebstahl sicher. Möglicherweise war den Tätern das Rubbeln der Lose auch zu anstrengend - sie ließen das Fahrzeug am Straßenrand zurück.

AN DEN MEISTEN CARGO- CRIMES INSIDER BETEILIGT

In aller Regel ist es erstaunlich, mit welcher Sicherheit sich die Tätergruppen wertvolle Ladungen heraussuchen. Ein Wunder ist dies indes nicht. "An 70 Prozent der Cargo-Crimes ist ein Insider beteiligt", weiß Tapa-Chef Neumann. Das können Mitarbeiter des Verladers sein - aber eben auch Kollegen oder gar der eigene Disponent. Es ist sogar bekannt, dass einige kriminelle Gruppen gezielt ihre Leute in Unternehmen einschleusen. Neumann beklagt die Sorglosigkeit mancher Transportunternehmer und Fahrer. "Sie sehen nur die Palette, nicht aber ihren Wert", sagt er. Und der kann bei Zigaretten oder Elektronik schnell in die Millionen gehen.

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