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Junge Fahrer: Gero Kühn

06.05.2013 08:00 Uhr
Junge Fahrer: Gero Kühn
Mit Freude erinnert sich Gero Kühn (M.) an das Praktikum mit Nico Werner
© Foto: Felix Jacoby

Gero Kühn (16) will Kraftfahrer werden. Doch weil er stottert, ist der Weg auf den Bock für ihn steinig. Warum eigentlich?

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Eigentlich hatte für Gero Kühn die Zukunft gut ausgesehen im Herbst 2012: Der damals noch 16-Jährige hatte eine Ausbildungsstelle zum Kraftfahrer gefunden, sein erklärter Traumberuf. Sein Großvater hatte ihn früher schon öfter mit auf Tour genommen, und bei Nico Werner auf dem gelben Actros-Tanklastzug war er im Rahmen eines schulischen Berufspraktikums eine Woche im Fernverkehr mitgefahren.

Gero hat das, was man als Sprachfehler bezeichnet, er stottertmal mehr, mal weniger. Aber wenn man sich als Mitmensch darauf einstellt und sich etwas Zeit zum Zuhören nimmt, hat man damit keine Schwierigkeiten. Das schien auch für den Fuhrbetrieb Klaus Wapner aus Malchin zu gelten, wo man dem jungen Mann zu seiner Freude nach der Probezeit die Ausbildung in Aussicht stellte.

FÜR SEINEN TRAUMJOB WURDE ER FRÜH FLÜGGE

Geros Familie steht immer voll hinter ihm, und da der Lehrbetrieb rund 45 Kilometer von seinem Heimatort Burow entfernt ist, sorgten seine Eltern dafür, dass Gero eine Wohnung nahe des zukünftigen Ausbildungsorts bekam. Zwar war dem Jugendlichen noch gar nicht der Sinn nach solch früher Selbstständigkeit gestanden, doch für das Ziel, seinen Wunschberuf zu erlernen, nahm er das frühe Ausziehen von zuhause in Kauf.

Alles schien gut zu laufen, Gero machte die Zeit in der Werkstatt Spaß, doch zehn Tage vor Heiligabend 2012 kam der Hammer: In einem Gespräch teilte man Geros Vater Enrico mit, dass man seinen Sohn nach der Probezeit nicht in die Lehre übernehmen wolle. Als Grund wurde genannt, dass der junge Mann beim Einweisen rangierender LKW nicht schnell genug "Stopp" rufen könne, das sei wohl auf Dauer zu gefährlich.

Klaus Wapner beruft sich dabei auf Empfehlungen eines Herrn P., der Arbeitssicherheitsberater beim ASD sein soll. Der ASD ist der arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Dienst der Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft für ihre kleinen und mittleren Mitgliedsbetriebe. Dort ist dieser Herr P. aber seit Jahren schon nicht mehr tätig, und der ASD distanziert sich sehr deutlich von den fragwürdigen Empfehlungen des Ex-Mitarbeiters.

Gero war wie seine Familie wie vor den Kopf gestoßen. Nie war er zu spät gekommen, in der Berufsschule gab es keine einzige Fehlstunde und sein Notenschnitt lag bei guten 2,0. Und die Behinderung, als die auch das Stottern gilt, hatte er zu Beginn seiner Ausbildung keineswegs verleugnet. Also hatte die Lehrfirma doch gewusst, worauf sie sich einließ.

Seine Logopädin, die Gero mit seinem Sprachproblem behandelt, war ebenfalls perplex, als sie davon hörte. Nie hätte sie geglaubt, dass das Stottern als Grund für die Verweigerung der Lehre als Grund herhalten müsste. Gero durfte die frisch renovierte und mit Möbeln bestückte Wohnung in Malchin wieder aufgeben. Glücklicherweise zeigte wenigstens die Wohnungsbaugenossenschaft Vernunft und akzeptierte die kurzfristige Kündigung.

NIEMAND DARF DESHALB BENACHTEILIGT WERDEN

Im Grundgesetz steht im Artikel 3, Absatz 3: "Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." Für Menschen mit Sprachschwierigkeiten gibt es deswegen in den Rechtsvorschriften und Schulgesetzen extra die Möglichkeit des so genannten Nachteilsausgleichs. Das bedeutet etwa, dass ein Stotterer eine Prüfung, die sonst mündlich zu bestehen wäre, auch in schriftlicher Form absolvieren darf.

Schon vor über 15 Jahren, als es noch längst keine Smartphones und Disposysteme mit Tastaturterminals im LKW gab, traute sich die Lübecker Spedition Schultz und Sohn, den taubstummen Christian P. als Fernfahrer einzustellen. Damals zahlte das Arbeitsamt ein damals noch mit 8000 Mark heftig teures Mobilfax, um die Kommunikation mit der Dispo zu ermöglichen.

GERO IM GLÜCK: CHANCE BEI ANDERER FIRMA

Jahrelang klappte das laut Stephan Meier von Schultz und Sohn ohne Probleme, bis der Kraftfahrer das Unternehmen aus privaten Gründen verließ. Sogar unsynchronisierte Getriebe schaltete er butterweich und mit Gefühl. Sein Lieblingsland zum Fahren war übrigens Italien, wo die Menschen sich mit ihrer gebärdenreichen Sprache besser auf die Behinderung des Fahrers einstellten als manch sturer Deutscher.

Nun war und ist es das gute Recht des Fuhrunternehmers Klaus Wapner, eine Probezeit nicht in ein Ausbildungsverhältnis zu verlängern. Doch gerade in diesem Fall scheint die Entscheidung hart.

Gero aber hat noch mal Glück gehabt und eine andere Firma in der Nähe seines Heimatorts gefunden. Bei Spedition Gertner in Altentreptow darf er nun zunächst eine so genannte Einstiegsqualifizierung machen. Diese dauert erst mal bis August, dann soll entschieden werden, ob Gero eine Lehrstelle als Kraftfahrer, Mechatroniker oder Lagerfachkraft antreten wird. Wenn das Unternehmen und die Industrie- und Handelskammer dem Absolventen gute Leistungen bestätigen, kann die Qualizeit sogar auf die Lehrzeit angerechnet werden.

Seine Berufsschullehrerin Antje Wilke von der beruflichen Schule Güstrow bezeichnet Gero als lernwilligen und wissbegierigen Schüler. Deswegen haben sie und ihre Kollegen ihm auch nach dem Ende der ersten Lehre seinen Platz in der Schule freigehalten.

Außerdem arbeitet die Logopädin weiter regelmäßig mit Gero, um sein Sprechvermögen weiter zu verbessern. Bestärkt wird er außerdem von seinen Fernfahrerkumpels, Nico Werner und Enrico Meier, dem "Langen", den treue Leser kennen (Heft 3/2011). Wir wünschen Gero, dass sein Traum doch noch in Erfüllung geht! Felix Jacoby

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