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Emotionen sind ein schlechter Beifahrer

04.01.2014 08:00 Uhr
Emotionen sind ein schlechter Beifahrer
Wer verbal und emotional wütet, sollte sich auch selbst hinterfragen
© Foto: fotolia.com/Kar

Drängeln, schimpfen, rasen: Ungebremste Emotionen wie Wut beeinflussen das Fahrverhalten und erhöhen das Unfallrisiko. Wie man gegensteuern kann.

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TRUCKER-Testfahrer Jan Burgdorf brachte die Situation auf den Punkt: "Ätzend und vollkommen unnötig!" Der Nahkampf, den er an diesem Tag während der Testfahrt als Fahrer unseres Referenz-Actros auf der A9 einmal mehr ausfechten musste, war nicht nur ärgerlich, sondern auch gefährlich: ein "Elefantenrennen". Der auf der rechten Spur fahrende LKW spielte mit seiner Geschwindigkeit nach Belieben, Jans Überholvorgang endete mehrmals mit kaum 20 Metern Abstand vom Hintermann und jeder Menge Frust.

Gilt auf deutschen Straßen das Recht des Stärkeren? Man kann sich des Eindrucks oft nicht mehr erwehren. Da werden andere Fahrzeuge ausgebremst, geschnitten oder bedrängt, von Mindestabstand scheint mancher noch nie etwas gehört zu haben; das Reißverschlussprinzip, Vorfahrt- und Einfahrtregelungen oder das Einhalten von Tempolimits werden gnadenlos ignoriert. Der Kampf wird ausgefochten zwischen Stuttgarter und Münchener Automarken, zwischen alten und jungen Fahrern, zwischen LKW und PKW, zwischen Transportern und SUVs.

Zu oft bestimmen Emotionen das Geschehen. Wut und Ärger zum Beispiel. Und natürlich sind auch LKW-Fahrer nicht gefeit davor, im Alltag gibt es genug Gründe für einen erhöhten Blutdruck: knappe Termine, Stau, lange Wartezeiten an der Rampe, andauernde Kontrollen. Geht es auf der Straße nicht voran, kocht schnell die Seele.

ZU VIELE UNFÄLLE DURCH EMOTIONALES VERHALTEN

Dass Emotionen gefährliche Beifahrer sind, zeigen nicht nur Schätzungen des ADAC, der rund 1000 Verkehrstote im Jahr auf aggressives Fahren zurückführt, sondern auch die Studien von Professor Mark Vollrath von der Technischen Universität Braunschweig. Er hat untersucht, wie sich das Fahrverhalten durch Emotionen verändert. Wer Unfalldaten analysiere, finde z.B. auch einige Hinweise auf Stress als Unfallursache, erklärt der Experte für Verkehrspsychologie auf einer Veranstaltung des Deutschen Verkehrssicherheitsrats zum Thema "Emotionen im Straßenverkehr". Zu hohe Geschwindigkeiten, Drängeln, riskante Überholmanöver aber auch Unaufmerksamkeit seien typische stressbedingte Verhaltensmuster.

"Gerade bei LKW-Fahrern liegt die Ursache für den Stress meist im Termindruck ihrer Aufträge", weiß Vollrath. Sind dann die Straßen verstopft, ist die Wut vorprogrammiert und - das gilt natürlich auch für jeden PKW-Fahrer: "Negative Emotionen entstehen, wenn die eigenen Ziele von außen blockiert werden." In Experimenten hat Vollrath untersucht, wie sich Emotionen am Steuer auswirken. Wer wütend ist oder streitet, fährt zum Beispiel deutlich schneller als normal und ist gleichzeitig abgelenkt, sodass das Unfallrisiko etwa um das Zweifache steigt. Natürlich gibt es auch hier Abstufungen: Wer seinem Ärger nur verbal Luft macht, ist immer noch recht sicher unterwegs, im Gegensatz zu Fahrern, die vor Wut andere Autos blockieren oder abdrängen.

Aber auch positive Emotionen beeinflussen den Fahrer - und das nicht immer zum Guten. Wer zum Beispiel am Steuer flirtet, hat mehr Schwierigkeiten, die Spur zu halten als der Streitende. Vorfreude oder ein Gefühlsüberschwang wegen einer guten Nachricht, "sportliches" Messen mit einem anderen Verkehrsteilnehmer oder die pure Lust am Schnellfahren können dazu verleiten, riskant, flott und unaufmerksam zu werden.

VIELE VERSTÖSSE AUFGRUND RÜCKSICHTSLOSEN FAHRENS

Das Klima auf deutschen Straßen wird nicht nur gefühlt rauer, die Statistik scheint diesen Eindruck zu bestätigen. Von 1993 bis 2012 haben sich die im Flensburger Verkehrszentralregister gespeicherten Verstöße, die auf rücksichtsloses Fahren schließen lassen, von 2,8 Millionen auf 4,9 Millionen erhöht, erklärt Dirk Hildebrandt von Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) bei der BAST-Veranstaltung. Dies bedeute jedoch nicht zwangsläufig, dass es entsprechend mehr Verkehrsrowdys gebe. "Eine höhere Kontrolldichte, eine herabgesetzte Promillegrenze und neue Regeln wie das Handy-Verbot sind ebenfalls Gründe für die steigenden Zahlen", relativiert der KBA-Experte. Innerhalb einzelner Vergehen zeigen sich steigende Tendenzen: Zu dichtes Auffahren und das Überfahren roter Ampeln geschehen heute tendenziell häufiger als noch vor einigen Jahren. Vorfahrtnahme und Unfallflucht sind dagegen seltener geworden, weiß Hildebrandt. Trotzdem: "Gefährdung, Behinderung und Belästigung sind auf einem unverändert hohen Niveau. Da muss etwas geschehen."

Berufskraftfahrer sind zwangsläufig öfter als andere mit gefährlichen Manövern im Straßenverkehr konfrontiert. Gerade sie könnten hier eine Vorbildfunktion haben, auch als PKW-Fahrer. Es hilft dabei, sich über eigene Verhaltensmuster klarzuwerden (siehe Kasten). Stress und negative Emotionen sollten jedenfalls als Beifahrer draußen bleiben.

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