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Betriebsbedingt: Keine einfache Trennung

13.01.2016 08:00 Uhr
Betriebsbedingt: Keine einfache Trennung
An eine betriebsbedingte Kündigung knüpft das Kündigungsschutzgesetz viele Bedingungen
© Foto: picture-alliance/Roland Weihrauch

Mangelt es an Aufträgen, bleibt manchen Unternehmen nur der Ausweg "betriebsbedingte Kündigung von Mitarbeitern". Wie das Gesetz sie schützt.

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Schnell gerät ein Transportunternehmen heutzutage in die roten Zahlen: Es genügt oft schon die Insolvenz eines wichtigen Auftraggebers - und plötzlich sind nicht mehr genügend Mittel vorhanden, um alle Mitarbeiter bezahlen zu können. Dann wird oft kopflos gehandelt beziehungsweise werden Fahrer gekündigt: Es gab vielleicht mit einem von ihnen - lange im Betrieb und jenseits der 50, über die Jahre immer wieder kleinere Scharmützel, sodass der Chef ihn nun auf die Streichliste setzt. Wäre das so einfach möglich?

In der geschilderten Konstellation kommt für Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht. Hierbei handelt es sich um eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses, deren Grund im Bereich des Unternehmens liegt und einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegensteht. Der Anlass ist nicht vom Arbeitnehmer - oder seinem Verhalten - abhängig.

DAS GESETZ SCHREIBT EINE SOZIALAUSWAHL VOR

Kein Chef darf eine akute Krise zum Anlass nehmen, sich nach Gutsherrenart von unliebsamen Mitarbeitern zu trennen. Dafür sorgt das Kündigungsschutzgesetz. Es gilt für Unternehmen mit mehr als zehn Arbeitnehmern - und von solchen ist nachfolgend die Rede. Nach dem Gesetz ist eine betriebsbedingte Kündigung, wenn dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, bei bestimmten Arbeitnehmern grundsätzlich möglich. Der Arbeitgeber hat hierfür eine umfassende, komplizierte Auswahl nach sozialen Kriterien zu treffen.

Zuallererst muss aber für die betriebliche Kündigung überhaupt ein "dringendes Erfordernis" bestehen. Das bedeutet: Es ist der Firma nicht möglich, der betrieblichen Situation anders zu entsprechen als durch einschneidende Maßnahmen wie Kündigungen.

Die Ursachen für eine betriebsbedingte Kündigung können außerbetrieblich sein, etwa Umsatzrückgänge, die Veränderung der Marktsituation oder ein erheblicher Auftragseinbruch. Aber auch innerbetriebliche Ursachen kommen in Betracht, zum Beispiel die Auslagerung oder Schließung von Betriebsabteilungen.

Beruft sich ein Arbeitgeber auf außerbetriebliche Ursachen, vor allem auf einen Auftragseinbruch, so wird im Streitfall das Gericht genau prüfen: Liegen die behaupteten Umstände, die zur Anpassung des Personalbestands an das rückläufige Arbeitsaufkommen zwingen, tatsächlich vor? Werden sie zu einem dauerhaften Rückgang des Beschäftigungsvolumens führen? In unserem Eingangsfall müsste der Transportunternehmer nachvollziehbar darlegen, dass die Entlassung von einem oder zwei Fahrern als unternehmerische Maßnahme unumgänglich ist.

BEVOR GEKÜNDIGT WIRD, ALTERNATIVEN PRÜFEN

Stets zu beachten ist, dass eine betriebsbedingte Kündigung immer das letzte Mittel ist, eine wirtschaftliche Zwangslage zu beseitigen. Es darf laut dem Bundesarbeitsgericht also keine Möglichkeit geben, den zu Kündigenden anderweitig vergleichbar zu beschäftigen, unter Umständen auch zu schlechteren Arbeitsbedingungen (Urteil vom 30. Mai 1978, Aktenzeichen: 2 AZR 630/76). Gäbe es einen anderen gleichwertigen freien Arbeitsplatz, so hat eine Versetzung dorthin zu erfolgen. Denkbar ist auch die Einführung von Kurzarbeit oder Arbeitsstreckung (Abbau von Überstunden, Urlaubsgestaltungen, Umgestaltung auf Teilzeitarbeitsplatz).

Kann der Arbeitgeber aber plausibel die dringende Notwendigkeit einer Trennung von einem Mitarbeiter beweisen, so wartet auf ihn nun eine nächste Hürde: die Sozialauswahl zu treffen. Er muss unter vergleichbaren Arbeitnehmern denjenigen herausfinden, den eine Kündigung am wenigsten hart trifft. Dazu gibt das Kündigungsschutzgesetz vier Kriterien vor: Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung.

Diese Sozialauswahl stellt in der Praxis an den Arbeitgeber hohe Anforderungen und es existiert eine teilweise widersprüchliche Rechtsprechung der Arbeitsgerichte. Wichtig ist auf jeden Fall: Die Auswahl betrifft jeweils "vergleichbare" Arbeitnehmer. Und das sind nur solche, die auf der gleichen Hierarchiestufe stehen und die aufgrund ihrer Tätigkeit - gegebenenfalls nach kurzer Anlernzeit - untereinander austauschbar wären. Im Eingangsfall sind das also alle Lkw-Fahrer. Weitere Mitarbeiter, etwa in der Disposition oder in der Buchhaltung, würden hier unberücksichtigt bleiben, ihr Job ist nicht mit dem der Fahrer vergleichbar.

Die Kriterien der Sozialauswahl sind grundsätzlich gleichwertig. Es interessieren zum Beispiel nicht die Vermögensverhältnisse des Kandidaten, nicht seine Leistungsmängel oder die Möglichkeit einer Frühverrentung. Auch ein etwaiges aufmüpfiges Verhalten eines Kraftfahrers müsste sein Chef ausblenden.

Dem Arbeitgeber steht hier nur ein geringer Ermessensspielraum zu - doch die meisten testen aus, was möglich ist. Fast immer ist dem, der betriebsbedingt gekündigt wird, alleine deshalb geraten, zum Arbeitsgericht zu gehen und innerhalb von drei Wochen eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Oft genug läuft bei der Sozialauswahl etwas falsch.

Die vier Aspekte, die es bei der Sozialauswahl zu beachten gilt, haben grundsätzlich das gleiche Gewicht. Arbeitgeber können aber festlegen, wie sie im Verhältnis zueinander zu bewerten sind. Das geht mittels Punkteschema (zum Beispiel für die Betriebszugehörigkeit: Beschäftigungsjahr multipliziert mal 1,5 Punkte). Am Ende erhält jeder Arbeitnehmer, der für eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht kommt, einen bestimmten Wert. Der Beschäftigte mit der niedrigsten Punktezahl ist der zu kündigende Mitarbeiter. Bei der Ausgestaltung solcher Punkteschemata greifen Arbeitgeber auf zahlreiche Entscheidungen zurück, die sich mit Vereinbarungen zur Durchführung der Sozialauswahl befasst haben.

DER BETRIEBSRAT HAT HIER DAS MITSPRACHERECHT

Der Arbeitgeber muss vor einer betriebsbedingten Kündigung den Betriebsrat hören. Ihm müssen die dringenden betrieblichen Erfordernisse dahinter mitgeteilt werden. Ferner sind ihm die wesentlichen Umstände der getroffenen Sozialauswahl darzulegen. Mitzubestimmen hat der Betriebsrat, wenn der Arbeitgeber die Sozialauswahl nach dem genannten Punkteschema durchführen möchte: Es ist dann eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über die Gewichtung der vier Kriterien herbeizuführen.

Zum Schluss muss der Arbeitgeber noch Formalien beachten. Er kann den Betroffenen im Kündigungsschreiben auf einen Abfindungsanspruch hinweisen, wenn dieser die dreiwöchige Klagefrist gegen die ausgesprochene Kündigung verstreichen lässt. Akzeptiert dieser dann die Kündigung, steht ihm im Gegenzug eine Abfindung in Höhe von 0,5 Monatsverdiensten für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses zu.

NUR IN SCHRIFTFORM IST DIE KÜNDIGUNG WIRKSAM

Eine betriebsbedingte Kündigung muss schriftlich erfolgen. Mündliche Kündigungen sind selbst im Beisein von Zeugen nicht ausreichend und daher unwirksam. Fax, E-Mail oder gar SMS reichen ebenso wenig aus. Dass die Kündigung ordentlich an den Betroffenen zugestellt wird, ist eine Sache, um die sich der Arbeitgeber zu sorgen hat. Sogar eine Zustellung per Einschreiben gilt als unsichere Angelegenheit. Denn die Kündigung geht nur bei direkter Aushändigung durch die Post zu, nicht jedoch mit dem Hinterlassen eines Benachrichtigungsscheins im Briefkasten.

Im Falle einer Benachrichtigung ist die Kündigung erst dann zugegangen, wenn der Empfänger das Schreiben bei der Post abholt. Unterlässt er dies trotz Mitteilung, gehen Gerichte nur in Ausnahmen davon aus, dass eine wirksame Zustellung stattgefunden hat.  Klaus Krohn

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