Unternehmen dürfen Sozialstandards im eigenen Land nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht unterlaufen, indem sie Beschäftigte formell über eine Firma in einem EU-Land mit weniger Abgaben einstellen. Auch bei international tätigen Beschäftigten sei maßgeblich, welchem Arbeitgeber diese tatsächlich unterstehen, wer in Wirklichkeit die Lohnkosten trägt und wer tatsächlich befugt ist, den Arbeitnehmer zu entlassen, urteilte der EuGH in Luxemburg am Donnerstag (AZ: C-610/18).
Missbrauch der Arbeitnehmerfreizügigkeit
Formell unterlägen international tätige Angestellte, die überwiegend nicht in ihrer Heimat arbeiten, zwar den Vorschriften des Landes, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat. Dies dürfe aber nicht zu rein künstlichen Konstruktionen führen, mit denen Unternehmen Unterschiede zwischen den Sozialsystemen der EU-Länder ausnutzten, stellte der EuGH klar. Ansonsten würde das Recht auf Freizügigkeit der Arbeitnehmer – das heißt das Recht von EU-Bürgern, in jedem Mitgliedsland Arbeit anzunehmen – zur Verlegung des Sitzes des Arbeitgebers rein auf dem Papier missbraucht, um daraus Vorteile für das Unternehmen zu ziehen.
Negativbeispiel aus den Niederlanden
Im konkreten Fall ging es um international tätige Lkw-Fahrer aus den Niederlanden, die von ihren Arbeitgebern seit einigen Jahren über eine in Zypern ansässige Vermittlungsfirma eingesetzt werden. Zwar erhielten sie ihre Lohnabrechnung aus Zypern, die Bezahlung erfolgte aber aus Holland. Die niederländische Sozialversicherungsanstalt war der Auffassung, dass die Mitarbeiter in den Niederlanden der Sozialversicherungspflicht unterliegen – und erhielt nun in Luxemburg Recht. Die in Zypern ansässige Vermittlungsfirma AFMB wirbt damit, dass bei einer Beschäftigung über sie die Lohnkosten für Fahrer 25 Prozent geringer ausfallen, was die Konkurrenzsituation gegenüber osteuropäischen Speditionen verbessere.