Bei einem Auffahrunfall haftet meist der Hintermann, manchmal müssen auch beide Unfallbeteiligte anteilsmäßig für den Schaden geradestehen. Es kann aber auch dem Vorausfahrenden und geschädigten Kfz die volle Verantwortung für den Schaden zugesprochen werden, wie ein Urteil des Oberlandesgerichts München zeigt (23.3.22, Aktenzeichen 10 U 7411/21e).
Im konkreten Fall hatte ein Pkw-Fahrer innerorts einen Lkw überholt. Unmittelbar nach dem Wiedereinscheren in die rechte Spur – wenige Meter vor dem Überholten - musste der Pkw sehr stark abbremsen, denn eine Ampel zeigte Gelb. Der Lkw-Fahrer konnte sein Fahrzeug nun nicht mehr rechtzeitig zum Stehen bringen und fuhr auf.
Die Parteien forderten gegenseitig Schadenersatz. Zunächst entschied das Landgericht München, dass der Überholende zu 40 Prozent haften müsse und der Auffahrende zu 60 Prozent. Die Versicherung des Lkw-Halters sah die Verantwortung für den Unfall aber allein beim Überholenden und dessen abruptem Bremsmanöver. Der Fall ging vor das Oberlandesgericht (OLG).
Urteil zugunsten des Auffahrenden
Die Richter am OLG München entschieden jetzt zugunsten des Auffahrenden. Das knappe Einscheren des Vordermanns habe dem Lkw-Fahrer keine Möglichkeit mehr gegeben, für den notwendigen Sicherheitsabstand zu sorgen. Der Unfall sei damit eine direkte Folge des Fahrstreifenwechsels.
Der überholende Autofahrer hätte sicherstellen müssen, dass er bei seinem Überholvorgang nicht andere Verkehrsteilnehmer gefährdet. Da er gegen diese gesteigerte Sorgfaltspflicht offenbar verstoßen habe, sei er allein schuld an dem Unfall. Eine Revision wurde nicht zugelassen.