Das Entsenderecht kann künftig auch im Straßenverkehrssektor angewendet werden. Der Bundestag hat einem entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur Regelung der Entsendung von Kraftfahrern und Kraftfahrerinnen im Straßenverkehrssektor und zur grenzüberschreitenden Durchsetzung des Entsenderechts“ zugestimmt. Damit werden Vorgaben aus dem EU-Mobilitätspaket umgesetzt.
Zur Abstimmung lag auch eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales (20/7244) vor. Das Gremium hatte zuvor noch Änderungen am Ursprungstext beschlossen.
Der Gesetzentwurf sieht Änderungen unter anderem im Arbeitnehmer-Entsendegesetz, Mindestlohngesetz und Arbeitnehmerüberlassungsgesetz vor. Ziel ist, künftig das Entsenderecht auch im Straßenverkehrssektor anzuwenden und die entsprechende EU-Richtlinie 2020/1057 (EU-Entsenderichtlinie) in deutsches Recht umzusetzen, wie der Bundestag ausführt.
Wer ist betroffen?
Betroffen seien beispielsweise Kraftfahrer, die im Inland arbeiten, aber von einem im EU-Ausland ansässigen Unternehmen beschäftigt werden, schreibt die Regierung. Das Entsenderecht regelt unter anderem Aspekte wie Höchstarbeitszeiten, Mindestruhezeiten und nun auch die Ruhepausenzeiten. Auch lege die Richtlinie fest, dass entsendete Kraftfahrer während ihrer Arbeit im EU-Ausland nach den dortigen Lohnregelungen vergütet werden.
Die Änderungen betreffen laut Stefan Eglseder, Rechtsanwalt bei Ecovis in Landshut unter anderem die Meldepflicht für Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat, die Kraftfahrer im Inland beschäftigen. Außerdem ist festgelegt, welche Unterlagen zur Entsendung der Arbeitgeber mit Sitz in einem anderem Mitgliedsstaat dem Lkw-Fahrer verpflichtend mitgeben muss. Auch die Bußgeldvorschriften im Arbeitnehmer-Entsendegesetz entsprechend den angepassten Melde- und Dokumentationspflichten sind geändert.
Von den Regelungen nicht betroffen seien Fahrer, die EU-Länder nur durchfahren sowie bilaterale Transporte durchführen, so die Bundesregierung. Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat müssen dem Gesetz zufolge durch die neue Regelung spätestens bei Beginn der Entsendung eine Entsendemeldung übermitteln. Dafür stehe ein mehrsprachiges Portal zur Verfügung.
Außerdem müssten sie ihren Fahrern für die Zeit im Ausland bestimmte Unterlagen mitgeben, die auf Verlangen vorzuzeigen seien. Hierzu zählten unter anderem die Identität des Unternehmens sowie Beginn und Ende der Beschäftigung.
1:1 Umsetzung der EU-Richtlinie
Der Gesetzgeber habe die Vorgaben der EU-Richtlinie vollständig und mehr oder weniger im Verhältnis 1:1 angewendet, so der Einzelsachverständige Professor Frank Bayreuther von der Universität Passau bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am 8. Mai, wie der deutsche Bundestag weiter mitteilt.
Unionsrechtlich sei eine weitergehende Umsetzung nicht möglich, so Bayreuther. „Jede weiter gefasste gesetzliche Regelung würde sich dem Risiko ausgesetzt sehen, dass sie durch den Europäischen Gerichtshof verworfen wird“, gab er zu bedenken.
BDA: Erhöhter bürokratischer Aufwand
Aus Sicht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) führen die zahlreichen Nachweis- und Dokumentationspflichten zu einem erhöhten bürokratischen Aufwand für die Unternehmen im Straßenverkehrssektor. Zudem werde die Verschärfung der Kabotageregelungen aus Sicht der BDA keinen Beitrag zur Linderung des Problems des Fahrermangels in Deutschland leisten, so BDA-Vertreter Roland Wolf bei der öffentlichen Anhörung.
Zoll: Mehr Rechtsklarheit für mitgeführte Unterlagen
Jürgen Fein von der beim Zoll angesiedelten Finanzkontrolle Schwarzarbeit sieht mehr Rechtsklarheit für Fahrer, Unternehmen und Kontrollbehörden, da diese jetzt wüssten, welche Unterlagen mitgeführt und auf Verlangen vorgelegt werden müssen. So müsse der Fahrer nun einen Entsendemeldung mitführen, wenn er eine Kabotagefahrt durchführt. Aus der Meldung gingen der Arbeitgeber und die Dauer der Entsendung hervor. „Das erleichtert die Prüfung.“
Transportverbände: Hoffen auf „fairere“ Wettbewerbsbedingungen
Aus Sicht des Gesamtverbandes Verkehrsgewerbe Niedersachsen ist die Regelung „ein toller Erfolg“, wie Hauptgeschäftsführer Benjamin Sokolovic sagte. Die Umsetzung sei sachgerecht und ausgewogen und werde hoffentlich zu mehr fairem Wettbewerb führen. Es sei nun klar geregelt, dass bei Kabotagefahrten die deutschen Arbeitsbedingungen gelten.
Fairere Wettbewerbsbedingungen erhofft sich auch der Bundesverband Spedition und Logistik. Wenn als Folge des Mobilitätspaketes einheitlich bis 2026 auf allen Fahrzeuggewichtsklassen intelligente Fahrtenschreiber der zweiten Generation eingeführt sind, sei es auch möglich, Grenzübergänge remote auszulesen, sagte Verbandsvertreter Raoul Wintjes. Dadurch werde das Entdeckungsrisiko gesteigert und es könnten Verstöße gegen das Entsenderecht schneller erkannt werden.
Bevor das Gesetz in Kraft treten kann, muss der Bundesrat noch zustimmen.