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Na dann: Gute Nacht!

03.07.2017 08:00 Uhr
Na dann: Gute Nacht!
Für die reguläre 45-stündige Ruhezeit soll das Fahrerhaus künftig nicht mehr als Zuhause dienen
© Foto: picture-alliance/Wolfgang Cezanne

Nach Belgien und Frankreich hat auch Deutschland dem Ruhen auf dem Rastplatz ein Ende gesetzt. Was sich für Lkw-Fahrer bei der Ruhezeit ändert.

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Seit Donnerstag, den 25. Mai 2017, ist Schluss mit Schlafen und Wohnen im Fahrerhaus. Denn das Gesetz zur Änderung des Fahrpersonalgesetzes wurde am Tag zuvor im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Am Tag nach der Verkündung tritt es in Kraft. So gilt seit Ende Mai in Deutschland das Verbot, die regelmäßige Wochenruhezeit (siehe Kasten rechts unten) im Lkw oder an einem Ort ohne "geeignete Schlafmöglichkeit" zu verbringen.

Bundestag und Bundesrat hatten auf Initiative der Fraktionen von CDU/CSU und SPD im März dieses Jahres die Änderung des Fahrpersonalgesetzes beschlossen. Die Neuregelung stellt klar, dass sowohl einem Fahrer als auch dem Verkehrsunternehmen auf deutschem Boden künftig ein Bußgeld droht, wenn die regelmäßige Wochenruhezeit im Fahrzeug verbracht wird (siehe Kasten rechts oben). Bislang war mangels Rechtsgrundlage keine Strafe für diese Fälle vorgesehen. Jetzt begehen Fahrer damit juristisch gesprochen eine Ordnungswidrigkeit, die sie richtig teuer kommen kann.

DER CHEF UND SEIN CHAUFFEUR WERDEN ZUR KASSE GEBETEN

Wie das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) dem TRUCKER mitteilte, hat die für Anpassungen des bundeseinheitlichen Bußgeldkatalogs zuständige Bund-Länder-Arbeitsgruppe einen neuen Tatbestand erstellt. Demzufolge muss der Fahrer 500 Euro und der Unternehmer 1500 Euro zahlen, wenn die regelmäßige Wochenruhezeit im Fahrerhaus oder an einem Ort ohne geeignete Schlafmöglichkeit verbracht wird. Neben dem BAG kontrollieren dies die Polizei und der Zoll.

"Zwar haben diese Beträge bisher noch keinen Eingang in den bundeseinheitlichen Bußgeldkatalog gefunden und es ist insoweit auch noch mit Anpassungen zu rechnen", sagte ein BAG-Sprecher auf Anfrage. Bis eine abschließende Abstimmung mit den zuständigen Landesbehörden und eine förmliche Anpassung des Bußgeldkatalogs erfolgt seien, orientiere sich die Ahndungspraxis seiner Behörde aber an diesen Bußgeldsätzen. Die Beträge gehen dabei von "Vorsatz" und "gewöhnlichen Tatumständen aus", erklärte der Sprecher. Die Höhe des Bußgelds sei mit Blick auf die Beispiele in Belgien und Frankreich bewusst gewählt worden, um "Autobahnnomaden" abzuschrecken. Dort gibt es ein solches Verbot schon länger.

DIE FRAGE NACH DEM RICHTIGEN BETT LÄSST DER GESETZGEBER OFFEN

Neben den saftigen Bußgeldern müssen die Fahrer zudem damit rechnen, dass die Kontrolleure die Weiterfahrt untersagen, bis die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit vollständig an einem Ort mit geeigneter Schlafmöglichkeit nachgeholt wurde. Für das passende Bett muss der Chef sorgen. Allerdings ließ der Gesetzgeber weitgehend offen, was unter einer geeigneten Schlafmöglichkeit zu verstehen ist.

Eilig aus dem Boden gestampfte Containerdörfer oder herbeigeschaffte Campingwagen scheinen nicht geeignet zu sein. "Es ist davon auszugehen, dass die Anforderungen in der Regel von allen Hotels, Motels und Pensionen erfüllt werden. Auch andere Räumlichkeiten in vorhandenen Gebäuden, zum Beispiel angemietete Wohnungen, kommen grundsätzlich als geeignete Schlafmöglichkeiten in Betracht", heißt es seitens des BAG.

Die Transportunternehmer selbst wollen sich so weit offenbar noch nicht festlegen. Die geeignete Schlafmöglichkeit "dürfte sich im Laufe der Zeit durch die geübte Praxis im Markt und möglicherweise ergänzend hierzu auch durch das eine oder andere Gerichtsurteil herauskristallisieren", sagt Dirk Engelhardt, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL).

"Von dem Ausbau eines Übernachtungsangebots an Parkplätzen oder Raststätten und der Ausweisung entsprechend benötigter Flächen ist von der Bundesregierung noch gar nichts zu hören", kritisiert Christian Labrot, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL), die aktuelle Lage. Zudem gebe es normalerweise keinen öffentlichen Personennahverkehr von Autobahnraststätten in die nächstgelegenen Kommunen mit Übernachtungsmöglichkeiten. "Dorthin mit dem Lkw zu fahren, ist aufgrund von Verkehrsbeschränkungen und fehlender Abstellmöglichkeiten oft nicht machbar", so Labrot weiter.

Ein Hostel, eine Jugendherberge oder ein Schlafcontainer mit sanitärer Ausstattung, den sich mehrere Fahrer teilen, "wird jedenfalls nicht als ungeeignet bezeichnet werden können", urteilt der BWVL-Geschäftsführer, der wie der BGL Unternehmer vertritt. Er wirft aber auch ein: "Wollen wir, beziehungsweise die Fahrer, wirklich solche Unterbringungen à la Flüchtlingscamp statt einer bequemen und großzügigen Kabine?"

Während das Gewerbe noch rätselt, welcher Schlafplatz nun geeignet ist, rüsten die Kontrolleure auf. "Das Bundesamt wird seine Kontrollstrategie entsprechend anpassen. Diesbezüglich werden derzeit weitere Abstimmungen zwischen den zuständigen Behörden des Bundes und der Bundesländer vorgenommen", heißt es aus dem BAG. Noch sei das Gesetz zu neu, um sagen zu können, ob es Hemmnisse für dessen Umsetzung geben könnte. Zudem, und das ist auch eine Forderung vieler Verbände, soll die Behörde personell aufgestockt werden. Wie das gesetzeskonforme Verbringen der wöchentlichen Ruhezeit in der Praxis kontrolliert werden soll, dazu schweigt die Behörde.

In Belgien und Frankreich müssen Fahrer bei einer Kontrolle nachweisen können, wo sie ihre regelmäßige Wochenruhezeit verbracht haben. Dies führte bisher häufig dazu, dass Fahrer diese kurz vor der jeweiligen Grenze auf deutscher Seite verbrachten ...

ALLE FORDERN KONTROLLEN, UNKLAR IST ABER, WIE DAS GEHEN SOLL

Sowohl Politikvertreter als auch die Verbände der Speditions- und Transportbranche sind sich einig: Damit das geänderte Fahrpersonalgesetz hierzulande Wirkung zeigt, müssen effektive Schwerpunktkontrollen mit abschreckendem Charakter folgen.

Allerdings fehlt den zuständigen Kontrollbehörden oft das Personal dazu. So sind für das BAG derzeit rund 220 Kontrolleure im Einsatz, um bundesweit Hunderttausende Lkw zu kontrollieren - 2,8 Millionen waren laut Statistischem Bundesamt 2016 auf den deutschen Straßen unterwegs. Die Wahrscheinlichkeit für Lkw-Fahrer, in eine Kontrolle der Polizei oder des BAG zu geraten, liegt laut der Polizeigewerkschaft höchstens bei 1 zu 1000.

Ungewiss ist bei der Kontrolle des neuen Verbots zum Verbringen der regelmäßigen Wochenruhezeit im Lkw derzeit das "Wie". Instruktionen zur Umsetzung der neuen rechtlichen Handhabe gibt der Gesetzgeber nicht. Ein Problem bei den Kontrollen: Wird ein Fahrer während seiner Ruhezeit kontrolliert, führt dies zu einer Unterbrechung, die im rechtlichen Sinn als Arbeitszeit gilt. Die unterbrochene Ruhezeit darf er nicht fortsetzen, sondern sie muss von Neuem begonnen werden, um den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen.

EUROPAPOLITIKER ARBEITEN AN EINER NEUEN REGELUNG FÜR DIE RUHEZEIT

Die Lösung ist aufwendig: Zum Beispiel freitags müssten die Kontrolleure checken, welche Lkw auf einem Parkplatz stehen. Stehen die Samstag und Sonntag auch noch, handelt es sich um eine 45-stündige Ruhezeit. Das wäre verboten. Spätestens ab 2019 kommen Lkw mit den neuen intelligenten Fahrtenschreibern auf die Straße. Sie zeichnen die Standortdaten automatisch zu Beginn und am Ende der täglichen Arbeitszeit sowie nach drei Stunden kumulierter Lenkzeit auf. So lässt sich feststellen, ob das Fahrzeug über eine gewisse Zeit auf dem Rastplatz gestanden hat oder nicht.

Bis dahin dürften BAG und Polizei im Rahmen der üblichen Straßenkontrollen durch Auslesen des Digitachos prüfen, ob die regelmäßige Wochenruhezeit an den zurückliegenden 28 Tagen richtig eingehalten wurde und sich die dazugehörigen Orte nachweisen lassen. Bei diesen Regeln soll es nicht bleiben. Nach den Alleingängen Deutschlands, Belgiens und Frankreichs sollen diese europaweit vereinheitlicht und an die Anforderungen des Transportgewerbes angepasst werden. Jüngst hat die EU-Kommission dazu ihre Vorschläge auf den Tisch gelegt. Diese greifen die Wünsche der Transportverbände zum Teil auf: Fahrer sollen ihre regelmäßige Wochenruhezeit von 45 Stunden daheim oder in einer "angemessenen Unterkunft" außerhalb des Lkw verbringen.

Verkürzte Wochenruhezeiten von 24 Stunden sollen Fahrer künftig innerhalb von vier Wochen zweimal hintereinander nehmen dürfen, danach müssen sie allerdings die lange Ruhepause plus der aufgelaufenen Ausgleichszeit zu Hause verbringen. Bislang muss eine verkürzte Wochenruhezeit erst ausgeglichen werden, bevor erneut verkürzt werden darf. Mit dieser Regelung - die noch durch alle Instanzen der Gesetzgebung muss - kann der Chef europäische Rundläufe organisieren und sein Fahrer regelmäßig der Familie eine gute Nacht wünschen.

Das schreibt das Fahrpersonalgesetz vor

Nach den bisherigen Bußgeldvorschriften im Fahrpersonalgesetz handeln Unternehmer und Fahrer ordnungswidrig, wenn sie gegen die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr verstoßen, indem sie vorsätzlich oder fahrlässig nicht dafür sorgen, dass die darin vorgeschriebenen Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen oder Ruhezeiten eingehalten werden. Zur Klarstellung wird Paragraf 8a des Fahrpersonalgesetzes so geändert:

a) Der Unternehmer sorgt in diesem Fall auch dann nicht dafür, dass die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit nach der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 eingehalten wird, wenn diese im Fahrzeug oder an einem Ort ohne geeignete Schlafmöglichkeit verbracht wird.

b) Die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit nach der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 wird auch dann nicht eingehalten, wenn diese im Fahrzeug oder an einem Ort ohne geeignete Schlafmöglichkeit verbracht wird.

Zum Thema, was eine geeignete Schlafmöglichkeit ist, steht im Gesetz lediglich: "Eine Schlafmöglichkeit, bei der der Fahrer gezwungen ist, in unmittelbarer Umgebung seines Fahrzeugs zu bleiben, oder an der ein für den Fahrer nutzbares Bett außerhalb des Fahrzeugs nicht zur Verfügung steht, ist keine geeignete Schlafmöglichkeit, da der Fahrer die aus Gründen der Straßenverkehrssicherheit und des Gesundheitsschutzes notwendige nachhaltige Regeneration, die Sinn und Zweck der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit ist, nicht erhalten kann."

Erklärung: wöchentliche Ruhezeit

Bei der wöchentlichen Ruhezeit handelt es sich um eine auf mindestens 45 Stunden verlängerte tägliche Ruhezeit. Diese muss nach spätestens sechs 24-Stunden-Zeiträumen eingelegt werden. Wöchentliche Ruhezeiten können auf 24 Stunden reduziert werden, egal ob am Standort oder unterwegs. Die fehlenden 21 Stunden müssen bis Ende der dritten darauffolgenden Woche nachgeholt werden.

Dazu müssen sie an eine andere Ruhezeit von mindestens neun Stunden angehängt werden. Die Pause ist also mindestens 30 Stunden lang. Wird das Nachholen an eine normale Wochenruhezeit angehängt, sind es 65 Stunden. Innerhalb von zwei aufeinanderfolgenden Wochen (Doppelwoche) müssen entweder zwei ungekürzte wöchentliche Ruhezeiten oder eine ungekürzte und eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit liegen. Ausnahme: Im Falle von Mehr-Fahrer-Besatzungen, die dem AETR unterliegen, reichen in der Doppelwoche zwei reduzierte wöchentliche Ruhezeiten, die bis zum Ende der dritten Folgewoche ausgeglichen werden müssen.

Blog zu Lenk- und Ruhezeiten

Auf dem Onlinedienst Verkehrs-Rundschau-Plus (VR-Plus) gibt es einen neuen Blog. Darin berichtet Buchautor und BKF-Weiterbildungsexperte Olaf Horwarth zweimal wöchentlich zu den Themen Lenk- und Ruhezeiten und digitaler Tachograf. Als offizielles Mitglied im Tachografenforum der EU-Kommission und weiteren Arbeitsgruppen der EU ist Blogautor Horwarth immer an der Quelle zu Neuigkeiten aus der Branche. Mit seiner Firma schult und berät er zudem Fahrer und Unternehmen zu den Themen Lenk- und Ruhezeit sowie digitaler Tachograf. VR-Plus ist ein Online-Angebot des TRUCKER-Schwestermagazins VerkehrsRundschau.

www.verkehrsrundschau-plus.de/leru-blog

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