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Nadelöhr Rampe

21.07.2012 08:00 Uhr
Nadelöhr Rampe
Problemzone für fast alle Fahrer: Laderampen
© Foto: Federico Gambarini/dapd

Wartezeiten an der Laderampe: TRUCKER zeigt, wo es hakt und wie man die Abläufe verbessern kann.

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Wieder einmal Stau. In 20-Meter-Schritten nähert sich Anton A. seinem Ziel: der Entladerampe eines Handelsunternehmens. Alle paar Minuten darf er eine Sattelzuglänge in der Warteschlange vorrücken. Nach zwei Stunden Däumchendrehen dockt er mit dem Auflieger endlich an der Rampe an. So oder so ähnlich spielt sich diese Szene tagtäglich bei den Betrieben der Ladungskooperation Elvis ab. Deren Vorstand Jochen Eschborn geht davon aus, dass die 10.000 Fahrzeuge der Unternehmensgruppe allein durch Wartezeiten an der Laderampe pro Jahr 419 Millionen Euro an Kosten verursachen (siehe Kasten Seite 76). Laut einer Studie des Bundesamts für Güterverkehr (BAG) führen Probleme bei der Abfertigung branchenübergreifend zu Störungen innerhalb der Lieferkette. In Zeiten steigender Kosten im Straßengüterverkehr und sinkender Frachtraten treffen sie vor allem die Transportunternehmer. Die Wettbewerbsfähigkeit der meisten steht und fällt mit einer effizienten Fahrzeugdisposition.

GANZ AM ENDE MUSS SICH DER FAHRER FÜGEN

Wenn es jedoch an der Ladestelle hakt, lassen sich Touren nur noch bedingt planen und Liefertermine nicht mehr einhalten. Dadurch drohen den Unternehmen nicht nur Kunden- und Umsatzverluste, wie die Untersuchung zeigt, sondern im Extremfall sogar das wirtschaftliche Aus. Zu wenige Parkplätze, zu wenige Tore, zu wenige Leute: Aus der Sicht der Transporteure sind die Gründe für die Misere klar. "Neben dem oft nicht ausreichend gesteuerten LKW-Zulauf, der zu bestimmten Tagesund Wochenzeiten zu chaotischen Zuständen führt, spielt der zu geringe Einsatz von Personal und Equipment seitens der Warenempfänger eine entscheidende Rolle", sagt Mathias Krage, Präsident des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV). Erschwerend hinzu kämen unflexible Arbeits- und Rampenzeiten, Informationsdefizite und unklare Leistungsverpflichtungen zwischen den beteiligten Firmen in der Lieferkette.

Die meisten Probleme entstehen beim Wareneingang. Jede Verzögerung an der Empfängerrampe setzt die Fahrer unter zusätzlichen Zeitdruck. Denn sie schränkt die eigentliche Tätigkeit, nämlich die des Fahrens, deutlich ein und bringt die Tourenplanung durcheinander. Um Anschlussladungen zu schaffen, werden mitunter sogar Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten in Kauf genommen, die Geldbußen und Fahrverbote nach sich ziehen können.

LANGE STANDZEITEN BEIM LEBENSMITTELHANDEL

Bei vielen Ladevorgängen wird heute aus Kostengründen die Mithilfe durch die Fahrer vorausgesetzt. Sie befinden sich somit im Zwiespalt: Einerseits gilt es, den Weisungen des eigenen Chefs, die Ladung termingerecht abzuliefern und das Fahrzeug rechtzeitig für den nächsten Beförderungsauftrag zur Verfügung zu stellen, zu folgen. Auf der anderen Seite steht oft die Forderung des Empfangsunternehmens, das Fahrzeug auch gegen den eigenen Willen zu entladen. Schwierigkeiten würden sich daraus ergeben, so Adolf Zobel, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), dass der Transporteur nur mit seinem Auftraggeber - in der Regel ist das der Warenversender oder ein zwischengeschalteter Spediteur - einen Beförderungsvertrag abschließt.

Wie lange ein Fahrer an der Laderampe warten muss, hängt davon ab, welche Branche er beliefert. Deutliche Unterschiede bestehen laut BAG-Studie zum Beispiel zwischen Industrie- und Handelsunternehmen: Lange Stand- und Wartezeiten entstehen demnach vorrangig bei Lebensmittel- und Konsumgüterhandelsunternehmen mit Vollsortiment (3000 Artikel und mehr). Demgegenüber gäbe es etwa in der Automobilindustrie oft tragfähige Lösungskonzepte im Sinne aller Beteiligten.

Das TRUCKER-Schwesterblatt VerkehrsRundschau meldete, dass über drei Viertel der Transportunternehmer (78,0 Prozent) bei ihren Warenempfängern im Durchschnitt mehr als 30 Minuten ausharren, bevor sie be- oder entladen werden. 45,9 Prozent der Dienstleister müssen sogar länger als eine Stunde warten, bevor an der Rampe etwas passiert. Knapp zwölf Prozent geben an, dass durchschnittlich ganze zwei Stunden vergehen, bevor die LKW abgefertigt werden.

Der BGL fordert von der verladenden Wirtschaft, insbesondere vom Handel, mehr Verständnis für die Situation der Fahrer, die durch Lenk- und Ruhezeitregelungen und Arbeitszeitvorschriften in einem engem Zeitkorsett stecken. Laut Zobel lassen der persönliche Um gang zwischen Rampenpersonal und Fahrer sowie die Aufenthaltsmöglichkeiten und sanitären Anlagen vielfach zu wünschen übrig.

UMGANGSFORMEN: DER TON MACHT DIE MUSIK

Die Zustände an den Laderampen vieler Handels- und Industrieunternehmen veranlassten den BGL dazu, den Mitgliedsfirmen eine Verhaltensempfehlung für einen fairen Umgang der Beteiligten an Be- und Entladestellen auszuhändigen. Dieses Papier enthält unter anderem den Hinweis, Vereinbarungen zum Abfertigungsvorgang beim Warenempfänger bereits in den Vertragsverhandlungen mit dem Auftraggeber zu regeln.

Gleiches schlägt der Verband für die Mitarbeit des Fahrers beim Entladen und die Vergütung von Standzeiten vor. Er rät Transporteuren, in jedem Fall für eine vertragliche Vereinbarung in der Transportkette zu sorgen, um den quasi rechtsfreien Raum an der Laderampe zu regeln.

Ein weiterer Kritikpunkt der Branchenverbände sind die Umgangsformen zwischen Fahrer und Rampenpersonal sowie die Nichteinhaltung der Arbeitsstättenverordnung. "Eine mangelnde Qualifikation des Ladepersonals, unmotivierte Aushilfen und fehlende Sozialräume für die Fahrer tragen nicht zur Besserung der Zustände bei", sagt Krage. Der DSLV-Präsident wünscht sich je 10.000 Quadratmeter Lagerfläche eine Toilette für Fahrer und eine bessere Organisation der Laderampen. "Die Lager sollten so gebaut werden, dass nicht nur der Warenausgang funktioniert, sondern auch der -eingang", betont der Verbandschef.

OFT WIRD DIE SCHULD BEIM ANDEREN GESUCHT

Wer die Schuld an den Rampenproblemen nur bei der verladenden Wirtschaft sucht, der springt aber zu kurz. "Nicht nur Verlader haben Probleme mit ihren Rampen. Wenn Spediteure selbst Distributionszentren betreiben, sieht es in deren Wareneingang oft auch nicht besser aus", sagt Christian Labrot, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL). Laut BAG-Studie klagen Industrie- und Handelsunternehmen unter anderem über Fahrer mit unvollständigen Papieren, verspätete LKW sowie ungeeignete und kaputte Transportverpackungen. Staus und dichtes Verkehrsaufkommen werfen demnach in vielen Fällen die mit den -Transporteuren vereinbarten Liefertermine über den Haufen. Dauert es an einer Laderampe länger, falle die Zeitplanung der Chauffeure oft in sich zusammen wie ein Kartenhaus.

Dass sich LKW bei der Warenanlieferung häufig ungesteuert auf bestimmte Tages- oder Wochenzeiten konzentrieren, hat zwei Gründe: Zum einen arbeiten Speditionen bei der Organisation ihrer Verkehre ähnlich, zum anderen sind die Laderampen nur kurz und zur gleichen Zeit geöffnet. Vor allem in den frühen Morgenstunden und um die Mittagszeit kommt es regelmäßig zu Gedränge an den Laderampen. Zu diesen Zeiten ist eine zügige Abfertigung aufgrund des Andrangs vielfach kaum möglich. Die Forderung nach mehr Toren und Leuten hält Labrot für illusorisch. "Die Begrenzung hat ja ihren Grund. Jede Ausweitung kostet Geld und das muss irgendwo herkommen", macht er deutlich.

WIE LANGE MACHEN DIE FAHRER DAS NOCH MIT?

"Ursache für die Probleme an der Laderampe ist das mangelhafte Zusammenspiel aller Teilnehmer entlang der Lieferkette", bringt es Labrot auf den Punkt. Zwar seien Industrie- und Handelsunternehmen zunehmend gewillt, die Situation an den Laderampen zu verbessern - trotz der wirtschaftlichen Folgekosten in Millionenhöhe bestehe in vielen Bereichen zwischen den Beteiligten aber nach wie vor nur geringe Gesprächsbereitschaft, um gemeinschaftliche Lösungen zu entwickeln. "Da wird mehr übereinander als miteinander geredet", moniert der BWVL-Chef.

Dennoch ist allen Unternehmen innerhalb der Lieferkette klar, dass sich etwas ändern muss. "Zum einen kosten uns die gegenwärtigen ineffizienten Zustände an den Rampen zu viel Geld. Zum anderen werden wir vor dem Hintergrund des zunehmenden Fahrermangels bald keine Leute mehr finden, die die erniedrigenden Zustände an den Rampen weiter akzeptieren", erklärt DSLV-Präsident Krage.

ZEITFENSTER SOLLEN WARTEZEITEN VERKÜRZEN

Um die Ladestellenprobleme in den Griff zu bekommen, setzen immer mehr Verlader auf Zeitfenster. "Die Praxis hat gezeigt, dass sich durch den Einsatz von Zeitfenster-Managementsystemen die Wartezeit im Durchschnitt um 30 Minuten verkürzen lässt", sagt Paul Wittenbrink, Professor an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Lörrach.

Das internetgestützte Zeitfenstermanagement als eine von mehreren Möglichkeiten zur Optimierung ist aber nicht unumstritten. Vor allem Transporteure und Spediteure haben Bedenken: "Nicht geregelt ist in den meisten Fällen, was passiert, wenn ein Zeitfenster aufgrund der Verkehrsverhältnisse oder Verzögerungen an vorherigen Laderampen nicht eingehalten werden kann", sagt DSLV-Chef Krage. Oftmals seien die Zeitfenster zu knapp bemessen, wenn die Ware an den Rampen etwa noch kontrolliert werden soll. "Ein System, das vorgibt, dass der LKW mindestens eine halbe Stunde vor Beginn des Zeitfensters präsent sein muss, kann nur aus Sicht des Empfängers effizient sein", ergänzt Zobel vom BGL. Mittelfristig indes könnte ein anderes Problem des Transportgewerbes die Wartezeiten an der Rampe verkürzen: "Nicht zuletzt wegen des Fahrermangels werden Verlader mit einer nach einem Standard zertifizierten und funktionierenden Rampe dauerhaft die besseren Transportpreise in ihren Ausschreibungen erzielen", prognostiziert Wittenbrink von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Denn ineffizient eingesetzte Fahrer erhöhen letztlich die zu zahlenden Frachtraten.

Aus der Sicht des Wissenschaftlers, der im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums eine Studie zu den Rampenproblemen erstellt, gibt es allerdings kein Allheilmittel für einen reibungslosen Umschlag. Es brauche "ein Bündel von Maßnahmen", um die Abläufe an der Laderampe ohne bauliche Maßnahmen zu verbessern, sagt er.

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