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Länderreport Niederlande: Fast rundum guter Job

07.11.2015 08:00 Uhr
Länderreport Niederlande: Fast rundum guter Job
In den Niederlanden stehen Lkw-Fahrer hoch im Kurs
© Foto: picture-alliance/Friso Gentsch

Fahrer in Holland haben ein hohes Ansehen - dank einer starken Lobby.

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Niederländische Lkw-Fahrer können einem dieser Tage richtig leid tun. Grade haben sie den Sommer mit den alltäglichen Witzen über Wohnwagenfahrer hinter sich, nun heißt es auch noch "ohne Holland fahren wir zur EM". Das Aus der Oranje Elftal bei der Qualifikation zur Fußballeuropameisterschaft trifft die fußballbegeisterte Nation hart.

Anders als momentan die Fußballer genießen Fernfahrer in den Niederlanden ein hohes Ansehen. Zwar ist der Termindruck genauso hoch wie in anderen Ländern, doch bekommen Fahrer bei der Ankunft statt harscher Worte oft erst einmal einen Kaffee angeboten.

Dafür mag auch die besondere Mentalität der Niederländer, die übrigens in der Regel nichts dagegen haben, wenn sie als Holländer bezeichnet werden, sorgen. Auf Statussymbole legen viele Niederländer wenig Wert und das "du" ist auch im geschäftlichen Alltag nicht selten, informiert die Deutsch-Niederländische-Handelskammer. Die Hierarchien in den Unternehmen sind flacher als in Deutschland, was zu einer größeren Nähe führt.

STARKE GEWERKSCHAFT, GUTE LÖHNE UND EXTRAS

Roland Danwerth, Inhaber der gleichnamigen Spedition in Warendorf in Nordrhein-Westfalen, sieht die Wertschätzung aber auch als Ergebnis einer starken Fernfahrer-Lobby in den Niederlanden. Dafür ist insbesondere die Gewerkschaft FNV Bondgenoten zuständig. Sie hat in dem exportorientierten Land mit etwa 130.000 Berufskraftfahrern einen starken Stand - zumal die Branchenstruktur ähnlich ist wie in Deutschland. Offiziellen Zahlen zufolge operieren in den Niederlanden rund 12.000 Transportunternehmen und sehr viele davon sind als selbstfahrende Unternehmer unterwegs.

Die Gehälter der angestellten Fahrer unterliegen dem allgemeingültigen Tarifvertrag "CAO Beroepsgoederenvervoer" mit deutlich besseren Konditionen als in Deutschland üblich. Der seit Januar gültige CAO brachte eine Gehaltserhöhung von 2,25 Prozent, die Löhne liegen nun je nach Gehaltsklasse zwischen 1918 und 2570 Euro im Monat. Hinzu kommen Zuschläge für Überstunden (30 Prozent) und für das Arbeiten an Samstagen (50 Prozent) sowie an Sonntagen (100 Prozent). Auch die Spesensätze liegen deutlich über denen, die in Deutschland gezahlt werden. Und alle Arbeitnehmer bekommen einen Urlaubszuschlag von acht Prozent des Bruttojahreslohns.

Damit liegen die Kosten für eine Arbeitsstunde in niederländischen Betrieben fast zehn Prozent höher als in Deutschland. Das hat natürlich Folgen: Lohndumping sei nicht selten und komme hauptsächlich im internationalen Verkehr vor, sagt eine Sprecherin der Gewerkschaft. Selbst der Mindestlohn von 1550 Euro im Monat werde oftmals umgangen. Viele niederländische Speditionen haben ihre Flotten ins günstigere Ausland verlagert. Selbst Deutschland wird aus ihrer Sicht zum Billiglohnland.

ARBEITGEBER, DIE DUMPING BETREIBEN, AM PRANGER

Gewerkschaftsfunktionär Edwin Atema, der selbst viele Jahre am Lenkrad verbracht hat, kämpft vehement gegen die Umgehung der Vorschriften. Durch sein Engagement stieß er eine öffentliche Diskussion über Lohn- und Sozialdumping im Land an. Immer wieder zerrt er Unternehmen vor den Kadi, die nach Ansicht der Gewerkschaft ihre Fahrer dreist ausbeuten. Im vergangenen Jahr überzeugte die FNV einige osteuropäische Kraftfahrer, über die Methoden ihrer niederländischen Arbeitgeber auszupacken. Mit unterschiedlichem Erfolg. Im Januar entschied ein Gericht, dass ausländische Fahrer, die in den Niederlanden eingesetzt werden, zu den dort üblichen Löhnen bezahlt werden müssen. Ein anderes Gericht wiederum billigte eine Konstruktion mit rumänischen und litauischen Subunternehmern, die ihre Fahrer teilweise für 220 bis 400 Euro im Monat arbeiten lassen ...

Die relativ guten Tariflöhne müssen sich die Arbeitnehmer mit Zugeständnissen "erkaufen". Das Arbeitsrecht lässt viel Flexibilität zu. Und in keinem anderen europäischen Land gibt es so viele Teilzeitbeschäftigte: Nicht einmal 60 Prozent der Arbeitnehmer kommen auf 35 Wochenstunden. Die Zahl der Vollzeitstellen nimmt beständig ab. Zudem wird etwa jeder fünfte Arbeitsvertrag befristet abgeschlossen (EU: jeder achte). Wer einmal arbeitslos ist, bekommt schwer wieder eine Festanstellung. Auch der strenge Kündigungsschutz lässt Arbeitgeber auf befristete Verträge ausweichen.

AUCH HIER FEHLEN HOCH QUALIFIZIERTE FAHRER

Es wird auch in Holland für Transportunternehmen schwieriger, qualifizierte Kräfte zu finden. Einen Fahrermangel sieht die Gewerkschaft jedoch nicht. Noch nicht. Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Erholung des Landes brauchen die Unternehmen wieder mehr Personal. Und in wenigen Jahren geht eine ganze Fahrergeneration in Rente. Die Wirtschaft des kleinen Landes ist stark auf den Export ausgerichtet. Mit Rotterdam und Amsterdam liegen zwei der wichtigsten europäischen Häfen in den Niederlanden. Die Häfen und der Flughafen Schiphol machen das Land zu einem der wichtigsten logistischen Drehkreuze in Europa.

Wichtigster Handelspartner ist mit Abstand Deutschland. Die wirtschaftlichen Aktivitäten im Land konzentrieren sich auf die Region "Randstad", wo rund die Hälfte der Wirtschaftsleistung erbracht wird. Das Gebiet umfasst die Provinzen Utrecht, Nord- und Südholland mit den Städten Amsterdam, Rotterdam, Den Haag und Utrecht. In den Zentren wohnen fast 45 Prozent der Bevölkerung.

ABENDLICHES CHAOS AUF HOLLANDS STRASSEN

Diese Ballung bringt kilometerlange Staus mit sich. Da die Arbeitsstätten relativ nah beieinander liegen, ziehen die Beschäftigten bei einem Jobwechsel nicht um, auch nicht, wenn der neue Arbeitgeber in einer anderen Stadt ist. Deshalb ist feierabends halb Holland auf der Straße. Lenkzeitüberschreitungen sind oftmals die Regel und werden von den Unternehmen in Kauf genommen, um Staus aufzuholen.

Auch die Parkplatzprobleme sind in der Randstad am größten. Am Wochenende sind die Abstellplätze mit ausländischen Lkw besetzt, besonders in Richtung Deutschland oder Frankreich. Denn ein Sonn- und Feiertagsfahrverbot gibt es in den Niederlanden nicht. Viele Fahrer aus Deutschland interessiert das wenig. Aufgrund der geringen Distanzen zwischen Holland und der Heimat, fahren sie lieber nach Hause. Das ist kein Fehler, wenn man auf die Spesen schaut. Die Ausstattung der Raststätten ist entlang der Autobahnen hochwertig, doch sie sind auch teuer. Günstiger, aber seltener, sind Autohöfe. "Nach unserer Erfahrung vermeiden die meisten Fahrer aus dem Ausland die Parkplätze aus Kostengründen", so eine Sprecherin der Transportgewerkschaft. Wer schnell nach Hause will, sollte aber aufpassen. Bei Geschwindigkeitsüberschreitungen schaut die Polizei genau hin. Wer die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h nur geringfügig überschreitet, wird zur Kasse gebeten.  Alexander Heintze

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