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Reportage: Ein echtes Unikat

15.05.2020 15:00 Uhr | Lesezeit: 7 min
Reportage: Ein echtes Unikat
Die Fahrer (hintere Reihe) gehören bei van Mark zur Familie (v. l.): Martin Raveling, Dirk Trenkamp, Tony Förster, Thorsten Weiß, Florian Pickhardt
© Foto: Timo Müller/TRUCKER

Seit fast 26 Jahren mischt Rainer van Mark, Chef der gleichnamigen Spedition in Rhauderfehn bei Leer, mit bundesweiten Begegnungsverkehren die Transportbranche auf. Nicht für jeden Trucker ist der Job geeignet.

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Rainer van Mark begrüßt uns in den Räumlichkeiten der gleichnamigen Spedition im ostfriesischen Rhauderfehn bei Leer. Nicht einmal die Jacke können wir ablegen, da legt der 57-Jährige schon los: „Ich bin ein absolutes Unikat. Meine Denke ist komplett anders, mein Wesen ist komplett anders und ich bin einfach anders. Deswegen lebt’s sich für mich auch ganz schwer.“ Schon seit fast 26 Jahren versucht der Unternehmenschef, die Transportbranche umzukrempeln, „wobei ich auch erst nach fünf, sechs Jahren erkannt hab, dass der Weg, den die Branche geht, nicht der richtige ist“, gibt er zu. Was ihn jeden Tag auf die Palme bringt, ist, wenn Wettbewerber ihm seine gut ausgebildeten Fahrer abwerben – „mit vielen Lampen und mit vielen PSen“.

Das stehe im krassen Widerspruch zu den selbst gesteckten Zielen der Branche in Sachen Sicherheit und sei „Umweltfrevel“. Dabei hat der Unternehmer sogar festgestellt: „Wenn man umweltfreundlich arbeitet und Ressourcen spart, ist es meistens auch wirtschaftlicher.“ Im Fall von van Mark liegt das vor allem an der hohen Auslastung seiner Lkw-Flotte.

TRUCKER-Redakteurin Anja Kiewitt (l.) beim Fahrerfrühstück
© Foto: Timo Müller/TRUCKER

28 Fahrer teilen sich zwölf LKW im Zweischichtbetrieb

Denn der Unternehmenslenker hat ein System mit Begegnungsverkehren im Zweischichtbetrieb etabliert. Seine 28 Fahrer, von denen sich derzeit neun in der Ausbildung zum Berufskraftfahrer befinden, teilen sich zwölf Lkw, darunter drei LNG-Fahrzeuge. Im Schnittpunkt der Routen, in Holdorf bei Vechta und Soltau, hat die Spedition Wohnungen gemietet, in denen die Fahrer ihre Freizeit verbringen, nachdem sie der nächsten Schicht ihr Fahrzeug übergeben haben.

„Sie haben dort eine Küche, können waschen, duschen oder fernsehen. Sie haben alles da, was sie brauchen, und stehen nicht auf der Autobahn in dem Lärm und auf Parkplatzein- und -ausfahrten“, so van Mark. Positiver Nebeneffekt: Weil seine Lkw permanent durchfahren, liegt die Diebstahlquote bei null, Fahrzeitüberschreitungen sind eine Seltenheit.

„Unsere Lkw laufen im Schnitt 270.000 bis 320.000 Kilometer im Jahr. Zum Vergleich: Die Fahrer mit ihren Motorhomes, die liegen so zwischen 100.000 und 110.000 Kilometern. Bei allen, die drüber sind, kann man davon ausgehen, dass mit den Lenk- und Ruhezeiten was nicht in Ordnung ist“, betont van Mark. Wartung, Service, Reinigung und Tanken erledigen seine Fahrer entlang der Strecke, sodass eine eigene Infrastruktur in Rhauderfehn dafür nicht nötig ist. Stattdessen hat van Mark Wartungsverträge über vier Jahre mit voller Garantie für eine Laufleistung von 950.000 Kilometern pro Fahrzeug abgeschlossen – für 480 Euro im Monat.

Das wollten ihm viele Hersteller nicht bieten, aber bei Iveco wurde er fündig, weshalb er dem Unternehmen heute eng verbunden ist und sogar Feldtestfahrzeuge für den Hersteller erprobt. Obwohl van Mark früher einen sortenreinen Mercedes-Fuhrpark hatte und bei den Stuttgartern schon seine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker „mit Praktikum beim Lkw“ absolvierte, stellte er auf das italienische Fabrikat um.

Samstags lädt die Firma zum Frühstück in die „Drivers Lounge“, für Autobahnflair sorgt ein Würstchenautomat. Der Chef (links unten) fährt gern selbst
© Foto: Timo Müller/TRUCKER

„Ich hatte Mercedes auf der Brust tätowiert, aber wenn ich mit dem Mercedes in vier Jahren 900.000 Kilometer fahre, dann ist das ein betriebswirtschaftliches Desaster, weil er am Ende genauso viel wert ist wie der Iveco, im Einkauf jedoch 28.000 Euro teurer ist“, erklärt er. Um den Wiederverkaufswert seiner Autos braucht er sich keine Sorgen machen, „weil das Ding am Ende aufgebraucht ist wie ein Radiergummi“, sagt van Mark. „Die gehen überwiegend ins Ausland, und manchmal verkaufe ich die auch hier an ein paar Nahverkehrsunternehmer, die dann noch mal drei Jahre damit fahren“, berichtet er.

Im Normalbetrieb kehren seine Lkw nur im Notfall an den Unternehmensstandort zurück. „Jeder Meter, der nach Ostfriesland gefahren wird, verpestet hier die Umwelt und ist falsch, aber meine Mitbewerber, die wollen ja 30 Stück in einer Reihe und sich davorstellen, das muss ich nicht haben“, so van Mark (Anm. d. Redaktion: Für diesen Artikel machte er eine Ausnahme für ein Foto). Dennoch legt er Wert darauf, dass „jeder in meiner Familie einen Lkw-Führerschein macht, sodass die, wenn ich mal tot umkippe, wenigstens die Autos nach Hause holen können.“ Bis dahin ist es hoffentlich noch viele Jahre hin, aber wie es dann weitergeht, darüber macht sich der 57-Jährige bereits Gedanken.

Alles auf Linie: Disponent Frank Tinnemaier (33) bei der Arbeit
© Foto: Timo Müller/TRUCKER

„Mit 63 soll für mich Schluss sein, deshalb will ich meine Nachfolge 2020 regeln“, verrät er. „Ich habe hier vier Leute sitzen, die 30 plus/minus drei Jahre sind, darunter meine Tochter Claudia. Die Denke ist bei denen aber etwas anders.“ Wenn es so weit ist, hinterlässt er ein gut bestelltes Feld: „Für den Umsatz, den wir mit zwölf Autos machen, brauchen andere 35 oder 40.“ Von der aktuellen Coronakrise sei das Unternehmen noch nicht betroffen. „Wir arbeiten voll durch und beliefern alle Kunden mit den wichtigen Sachen wie Toilettenpapier“, sagt Claudia van Mark. Die 32-Jährige kümmert sich im Unternehmen ums Thema Personal. „Unsere Fahrer sind zurzeit die Helden“, betont sie.

Auch umgekehrt scheint die Harmonie zu stimmen: „Man kann sich auf den Chef immer verlassen. Auch wenn mal Probleme auftreten, hat er ein offenes Ohr“, sagt Florian Pickhardt (30). Sein Kollege Dirk Trenkamp, mit 24 Jahren der jüngste van Mark-Fahrer, bleibt dem Unternehmen trotz mehrfacher Abwerbeversuche treu: „Warum soll ich woanders hingehen? Hier hab ich’s gut, hier habe ich nette Kollegen und eine super Arbeitsumgebung. Und die Bezahlung stimmt auch.“


Fünf Fragen an den Chef:

Was bringt Sie so richtig auf die Palme?

Wenn Mitbewerber mir Leute abwerben – die locken mit 580 PS und Tausenden von Lampen am Auto. Die nehmen alte, billige Autos, motzen die auf und die neue Technik bleibt auf der Strecke.

Was stört Sie daran?

Die Hersteller versuchen alles, dass man mehr Rundumsicht hat, dass man steiler nach unten gucken kann, dass man rechts im Spiegel mehr sieht. Aber wenn die Fahrer Wimpel und Fahnen ranhängen, dann sind das Perlen vor die Säue. Das ist nicht mehr zeitgemäß.

Akzeptieren das die Fahrer?

Für mich ist es schwer, einem Fahrer zu sagen, wir fahren nicht mit einem 580-PS-Auto, sondern mit einem 400er oder 480er. Die gleiche Leistung lässt sich immer mit einer kleineren Maschine darstellen, aber mit weniger Abgasen. Entscheidend ist das Drehmoment. Die 480er-Ivecos gehen dem Scania am Berg auf und davon.

Worauf achten Sie noch?

Im Endeffekt ist es heute egal, ob Sie einen Mercedes, einen Scania, einen Iveco, einen MAN oder Volvo fahren, die Autos sind alle tipptopp. Entscheidend ist die Ausstattung der Kabine, darauf achte ich.

Was müssen Fahrer, die sich bewerben, mitbringen?
Am besten nichts, weil wir am liebsten die Leute selbst ausbilden. Wenn ein Fahrer Wert auf geregelte Arbeitszeiten legt, dann ist er bei uns ganz weit vorne. Alteingesessene Trucker fühlen sich oft nicht wohl bei uns.

Was bieten Sie beim Gehalt?

Es gibt ein Festgehalt, Weihnachtsgeld und Nachtzulagen. Über ein Prämiensystem belohnen wir wirtschaftliches Fahren, eine gute Pflege des Autos oder den vorbildlichen Umgang mit Papieren on Tour, etwa beim Palettentausch.



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